Drei Transall-Maschinen mit etwa 20 Tonnen Lebensmittel an Bord sollten nach den ursprünglichen Plänen vom Luftwaffen-Stützpunkt im schleswig-holsteinischen Hohn aus in den Nordirak geflogen werden. Dabei sollten die Flugzeuge einen Zwischenstopp im türkischen Incirlik einlegen. In Ankara sorgen jedoch Berichte für Unmut, wonach Deutschland offenbar seit Jahren den Nato-Partner Türkei ausspioniert.
Erst am Wochenende waren Bundeswehrmaschinen mit Hilfsgütern an Bord im nordirakischen Erbil gelandet. Sie hatten 36 Tonnen Lebensmittel und Sanitätsmaterial an Bord. In die Region hatten sich nach UNO-Angaben 200.000 Jesiden, Christen und andere Vertriebene gerettet, die vor der Terrormiliz Islamischer Staat geflüchtet waren; insgesamt sind 1,2 Millionen Iraker wegen ihnen auf der Flucht. Die Terrorgruppe hat angeblich einen US-Journalisten enthauptet und warnt die Amerikaner vor weiteren Angriffen gegen sie.
Das Flüchtlingshilfswerk UNHCR hat inzwischen mit neuen Hilfslieferungen für rund eine halbe Million Menschen im Irak begonnen. Die Flüchtlinge erhalten den Angaben zufolge unter anderem 3.300 Zelte, 20.000 Plastikdecken und 18.500 Geschirr-Sets. Bis Samstag soll eine Luftbrücke vom jordanischen Akaba ins irakische Erbil für die Versorgung der Flüchtlinge sorgen. Zudem werden Hilfskonvois aus der Türkei und Schiffslieferungen aus Dubai erwartet.
Steinmeier wirbt für Waffenlieferung
Wegen der brutalen Übergriffe der Terrormiliz gegen Andersgläubige überlegt die Bundesregierung, auch Waffen an Kurden zu liefern. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich dazu zur Stunde mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und Verteidigungsminister Ursula von der Leyen (CDU) beraten.
Steinmeier warb bereits bei den Sozialdemokraten im Bundestag um Unterstützung für eine mögliche militärische Hilfe für die Kurden, damit sie im Kampf gegen die islamischen Terroristen besser ausgerüstet sind. "In Krisengebiete wie Ukraine, Syrien, Libyen liefern wir keine Waffen - und das aus guten Gründen", schrieb Steinmeier in Brief an die Mitglieder der SPD-Fraktion. "Vieles spricht dafür, dass die Krise im Nordirak anders gelagert ist." Deutschland dürfe sich von seinen strengen Rüstungsexport-Richtlinien nicht entfernen. "Aber das müssen wir auch nicht, denn die Richtlinien fordern die Politik genau zu dieser Abwägung auf", schreibt Steinmeier. Eine Genehmigung könne erteilt werden, wenn "besondere außen- und sicherheitspolitische Interessen der Bundesrepublik Deutschland unter Berücksichtigung der Bündnisinteressen" dafür sprächen.
Rüstungsexport-Richtlinie der Bundesregierung:
"Die Lieferung von Kriegswaffen und kriegswaffennahen sonstigen Rüstungsgütern wird nicht genehmigt in Länder,
- die in bewaffnete Auseinandersetzungen verwickelt sind oder wo eine solche droht,
- in denen ein Ausbruch bewaffneter Auseinandersetzungen droht oder bestehende Spannungen und Konflikte durch den Export ausgelöst, aufrechterhalten oder verschärft würden."
"Die Lieferung von Kriegswaffen und kriegswaffennahen sonstigen Rüstungsgütern wird nicht genehmigt in Länder,
- die in bewaffnete Auseinandersetzungen verwickelt sind oder wo eine solche droht,
- in denen ein Ausbruch bewaffneter Auseinandersetzungen droht oder bestehende Spannungen und Konflikte durch den Export ausgelöst, aufrechterhalten oder verschärft würden."
Steinmeier warnte vor einer weiteren Offensive der Terrormiliz. Die Kurden in der Region seien "das wichtigste Bollwerk gegen die Mörderbanden" des Islamischen Staates. Wenn sie von den islamischen Terroristen überrannt würden, seien "die Staatlichkeit des Irak und die Stabilität der gesamten Region in Gefahr". SPD-Vize Ralf Stegner sprach sich im Deutschlandfunk gegen Waffenlieferungen aus. Nach einer Forsa-Umfrage für den "stern" lehnen 63 Prozent der Deutschen Waffenlieferungen an die Kurden ab.
Probleme bei militärischer Hilfe der Bundeswehr
Bisher hat die Bundesregierung neben humanitärer Hilfe nur die Lieferung von militärischer Ausrüstung wie Schutzwesten, Helmen und Nachtsichtbrillen oder auch Kleinlastwagen zugesagt. Was genau geliefert werden soll, steht aber noch nicht fest.
Laut einem Bericht der "Bild"-Zeitung gibt es dabei außerdem Probleme. Unter Berufung auf ein vertrauliches Papier für Generalinspekteur Volker Wieker berichtet das Blatt, Schutzwesten könnten gar nicht geliefert werden, weil die zur Verfügung stehenden Westen veraltet und die Schutzplatten im Innern brüchig seien. Bei Nachtsichtgeräten seien von mehr als 1000 geplanten lediglich 680 sofort verfügbar. 400 könnten vermutlich erst in drei Wochen besorgt werden. Die Geräte seien Mangelware bei der Bundeswehr. Beim Kleinlaster Unimog gebe es ebenfalls massive Probleme. Von 58 möglichen Autos seien 35 nicht einsatzbereit, hätten keine Zulassung mehr für die Verwendung in der Bundeswehr und müssten teuer repariert werden. Problemlos lieferbar seien nur Schutzhelme, Funkgeräte und Metall-Detektoren.
Kurden wollen Christen bewaffnen
Der Präsident der kurdischen Autonomiegebiete im Nordirak, Masud Barzani, will Christen zum Kampf gegen Islamisten bewaffnen. Die Peschmerga-Truppen seien bereit, christliche Freiwillige für die Verteidigung ihrer Dörfer gegen Milizen des Islamischen Staates auszurüsten, erklärte die Kurden-Regierung laut dem vatikanischen Pressedienst Fides. Zugleich rief Barzani die Christen auf, das Land nicht zu verlassen. Die Bedrohung durch die Islamisten sei nur vorübergehend, die Terroristen würden besiegt.
(sdö/swe)