Die Dschihadisten von der Gruppierung "Islamischer Staat im Irak und Syrien" (ISIS) sind wenige Tage nach dem Start ihrer Offensive im Irak bis auf 90 Kilometer auf Bagdad vorgerückt, weshalb die USA nun offenbar Drohnenangriffe erwägen. "Unser Team für die nationale Sicherheit prüft alle Optionen", sagte Obama am Donnerstag in Washington. "Ich schließe nichts aus." Der Irak benötige "mehr Hilfe von uns und von der internationalen Gemeinschaft", fügte der Präsident hinzu. Es müsse sichergestellt werden, dass die Dschihadisten nicht dauerhaft "im Irak oder in Syrien Fuß fassen". Allerdings kämen keine Bodentruppen in Frage. "Wir ziehen keine Bodentruppen in Erwägung", sagte Jay Carney, Sprecher des Weißen Hauses.
Iraks Regierungschef Nuri al-Maliki scheiterte am Donnerstag derweil mit dem Versuch, den Ausnahmezustand ausrufen zu lassen. Zur angesetzten Parlamentssitzung zur Abstimmung über die Maßnahme erschienen laut der Nachrichtenagentur AFP nur 128 von 325 Abgeordneten. Damit sei das notwendige Quorum nicht erreicht worden, sagte ein Offizieller. Die Sitzung sei abgebrochen worden. Der Notstand hätte dem schiitischen Regierungschef mehr Befugnisse verschafft, um in den Konflikt einzugreifen. Die ISIS-Gruppierung kämpft für einen sunnitischen Großstaat zwischen Mittelmeer und Euphrat. Viele Sunniten fühlen sich durch die schiitisch dominierte Regierung benachteiligt.
ISIS-Sprecher äußert sich in Audiobotschaft
Die Islamisten im Irak kündigten nach ihrer Offensive im Norden des Landes an, nun auch auf die Hauptstadt Bagdad vorzurücken. Ein Sprecher der Gruppierung rief dazu auf, berichtet die Internet-Plattform SITE, die auf die Beobachtung islamistischer Portale spezialisiert ist. Demnach kündigte der Sprecher auch Kämpfe in der Stadt Kerbela südwestlich von Bagdad an. "Noch tobt die Schlacht nicht, aber sie wird in Bagdad und Kerbela toben", sagte der ISIS-Sprecher Abu Mohammed al-Adnani den Angaben zufolge in einer Audiobotschaft, die über den Kurznachrichtendienst Twitter verbreitet wurde. "Legt eure Gürtel an und macht euch bereit", fügte er demnach hinzu.
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch befürchtet Gräueltaten durch die Extremisten. Zugleich warnte sie die Regierung davor, auf Kosten von Zivilisten mit ähnlich "brutalen Taktiken" wie in anderen Landesteilen gegen die Aufständischen vorzugehen.
Irakische Sicherheitskräfte flohen vor AngriffenDie islamistischen Kämpfer waren zuvor weiter Richtung Süden vorgerückt und hatten nach der Millionenstadt Mossul auch Tikrit unter ihre Kontrolle gebracht. Beide Städte sollen förmlich überrannt worden sein, Gegenwehr irakischer Sicherheitskräfte gab es offenbar kaum, viele Sicherheitskräfte flohen vor dem Ansturm der Extremisten. Auch Zivilisten flohen vor den Gefechten. Im weiter südlich gelegenen Samarra gelang es der irakischen Armee nach Augenzeugenberichten offenbar, die Kämpfer abzuwehren. Hunderttausende Iraker sind inzwischen vor den Kämpfen auf der Flucht, berichtet ARD-Korrespondent Björn Blaschke.Türkei erwägt MilitäreinsatzDie Türkei prüft einen Militäreinsatz, weil bei den Gefechten 80 ihrer Staatsbürger verschleppt worden waren. Der türkische Justizminister Bekir Bozdag erklärte, es gehe um die Frage, ob das bisherige Mandat für einen Militäreinsatz im Irak ausreiche. Die vom türkischen Parlament erteilte Ermächtigung erlaubt es der Regierung, das Militär gegen kurdische Rebellen an der Grenze zum Irak einzusetzen. In Mossul im Norden des Landes hatten islamistische Kämpfer am Mittwoch knapp 50 Menschen als Geiseln genommen. Bereits am Vortag waren in der Stadt rund 30 türkische Lkw-Fahrer verschleppt worden, diese kamen laut türkischer Medienberichte aber am Donnerstag wieder frei.UNO-Sicherheitsrat verurteilt AngriffeDer Vormarsch hat international Entsetzen und Besorgnis ausgelöst. Der UNO-Sicherheitsrat verurteilte die Angriffe auf Mossul aufs Schärfste. In einer Erklärung hieß es, keine Form der Gewalt oder des Terrorismus könne im Irak zu Frieden, Demokratie und Wiederaufbau führen. Außerdem bekräftigte der Sicherheitsrat seine Unterstützung für das irakische Volk und die Regierung.Das Auswärtige Amt hat Bundesbürger aufgefordert, die irakischen Provinzen Ninive, Anbar und Salah ad-Din sofort zu verlassen. Auf der Internetseite des Ministeriums heißt es, es sei dort "mit bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den Terroristen, den irakischen Sicherheitskräften und Milizen sowie mit schweren Anschlägen zu rechnen". Es wurde auch vor weiteren Anschlägen in Bagdad gewarnt.#Reisewarnung #Irak: Rufen zu sofortiger Ausreise aus Provinzen Ninewa(Mosul)-Anbar(Ramadi)-SalahAl-Din(Tikrit) auf: http://t.co/HECFNtzmCy— Auswärtiges Amt (@AuswaertigesAmt) 12. Juni 2014(nch/tj/jan/tön)