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Iran
Die Jugend im Aufbruch

Taillierte Mäntel, rot lackierte Fingernägel, farbige Kopftücher: Die iranische Hauptstadt Teheran ist bunt geworden. Seit Hassan Rohani im vergangenen Jahr zum Präsidenten gewählt wurde, hat sich einiges im Iran getan. Dennoch ist der Alltag iranischer Jugendlicher alles andere als einfach.

Von Bita Schafineya |
    Junge Iranerinnen in Jeans und bunten Tüchern gehen mit Einkaufstüten eine Straße entlang.
    Teherans Jugend hofft, dass durch den zunehmenden Tourismus ein anderes Bild ihres Landes im Westen entsteht. (ATTA KENARE / AFP)
    Teheran mitten im Feierabendverkehr. Auf der Vali-Asr-Straße bewegen sich die Autos nur langsam vorwärts – vom Süden in den höher gelegenen Norden. Eine beliebte Strecke bei den Jugendlichen, um sich näher kennenzulernen. Da es keine Diskotheken gibt, entsteht der erste Blickkontakt oft im Stau. Und dann werden Visitenkarten getauscht:
    "Ja, der hat einfach die Karte gegeben und sie sollte ihn anrufen, dann hat sie gerade angerufen. Dann sagte er, lass uns heute Abend treffen und was zusammen unternehmen."
    Feiern kann man trotzdem
    Strenge Regeln machen den Jugendlichen im Iran immer noch das Leben schwer: Junge Pärchen ohne Trauschein können wegen der islamischen Gesetze nach einem Treffen in einem Café auf einer Polizeiwache landen. Wer dennoch Spaß haben will, muss sich im Verborgenen amüsieren, denn das soziale Leben findet hinter verschlossenen Türen statt.
    Etwa 30 junge Iraner feiern den Geburtstag ihres Freundes Ali-Reza, obwohl solche Feiern verboten sind. Sie singen ein Lied für ihn - im Norden der 15-Millionen-Hauptstadt Teheran, in einer Wohnung im dritten Stock. Vor allem die Iranerinnen können sich hier frei bewegen. Alle sehen aus wie aus einem Modemagazin entsprungen: Gertenschlank im Minikleid – ihre Kopftücher haben sie abgelegt – die Haare kunstvoll hochgesteckt.
    Das Klima in der Öffentlichkeit ist etwas toleranter geworden, seit Präsident Hassan Rohani an der Macht ist. Unter seinem Vorgänger Mahmud Ahmadinedschad waren die Gesetze schärfer, die Sittenpolizei hatte großen Einfluss.
    Der Wechsel kam im Sommer 2013. Die selbst ernannten Sittenwächter wurden in ihre Schranken gewiesen – sie dürfen nicht mehr so viel kontrollieren. Dennoch, in der Öffentlichkeit müssen Frauen Mantel und Schleier tragen, um ihre Körperkonturen zu verdecken.
    Hohe Jugendarbeitslosigkeit
    Etwa 70 Prozent der Bevölkerung sind jünger als 30 Jahre, etliche von ihnen arbeitslos. Keyvan sucht seit einem Jahr eine feste Stelle:
    "Viele haben keine Arbeit, auch viele Akademiker, obwohl sie lange studiert haben und schon fertig sind, ausgebildete Leute sind, aber trotzdem finden sie keinen Job. Ja, sie machen sich Sorgen und es ist sehr schwer, eine Arbeit zu finden."
    Abends trifft der 25-Jährige sich mit Freunden. Die meisten von ihnen hängen herum, ohne etwas Nützliches zu tun. Doch Keyvan hat Angst vor der Zukunft, mittlerweile nimmt er jeden Job an, den er bekommen kann:
    "Ich bin Ingenieur, aber ich arbeite zurzeit bei der Bank. Und das, obwohl ich gar kein Interesse an meiner jetzigen Arbeit habe. Aber wegen des Geldes mache ich es eben."
    So wie Keyvan geht es vielen jungen Menschen in Iran. Die Statistik weist eine Arbeitslosigkeit von gut 15 Prozent aus. Doch nach Meinung von Experten dürfte sie in Wirklichkeit weitaus höher liegen.
    "Es lässt sich hier auch sehr viel Spaß haben"
    Um ihren Frust abzulassen, kommunizieren viele über Facebook. Doch die sozialen Netzwerke sind der iranischen Führung ein Dorn im Auge. Immer wieder wird das Internet einfach mal für ein paar Tage gesperrt. Die staatlichen Aufpasser versuchen, irgendwie die Kontrolle zu behalten. Kürzlich sind Fotos von einer illegalen Pool-Party bei Facebook gelandet. Daraufhin wurden drei Jugendliche festgenommen. Junge Leute finden immer Möglichkeiten, etwas zu unternehmen, erzählt Ramin:
    "Sicherlich hat man hier andere Freizeitaktivitäten als in Deutschland, aber nicht weniger attraktiv. Also es lässt sich hier auch sehr viel Spaß haben. Die Jugendlichen nehmen sich einfach die Freiheit und tun hier, was sie wollen, was ihnen Spaß bringt hier. Sie treffen zum Beispiel sich zu Hause oder draußen in Cafés."
    Oder die Jugendlichen treffen sich in einem der vielen Parks von Teheran. Verliebte Pärchen schlendern trotz allem Hand in Hand durch die Grünanlagen oder sitzen in einem der Teehäuser. Andere machen Sport an den Fitnessgeräten, die in den Parks am Wegesrand zu finden sind.
    Ein anderes Bild vermitteln
    Dem Tourismus hat die neue politische Ordnung gutgetan: Iran hat sich inzwischen zu einem Trendreiseziel für westliche Besucher entwickelt, erzählt Ramin freudestrahlend:
    "Ich bin froh, dass jetzt mehr Leute hierher kommen. Man wünscht sich natürlich, dass sich das Bild ändert, das die Menschen im Ausland haben, weil es nicht dem entspricht, was hier im Land abläuft. Gerade, was die jungen Leute denken ist nicht das, was die letzten acht Jahre nach außen getragen wurde, und deshalb wünscht man sich schon, dass jetzt andere Inhalte nach Außen dringen."