Sportlerinnen im Iran
Geheimes Training und starker Wille

Bei der Handball-WM der Frauen in Skandinavien tritt auch die Nationalmannschaft aus dem Iran an. Frauensport ist im Iran ein Zeichen für die Errungenschaften der Frauen gegen das Regime, das den Frauen etwa Training in der Öffentlichkeit verbietet.

Von Sabine Lerche |
Die zwei Spielerinnen tragen rote Trikots und weiße Kopftücher: Eine bindet der anderen das Tuch hinten fest.
Zwei Spielerinnen der iranischen Handball-Nationalmannschaft der Frauen am 8.8.2022 vor einem Spiel gegen Afghanistan im türkischen Konya. (abaca / Depo Photos / dpa)
Raffiniert verwandelt die iranische Handballerin Fatemeh Merikh einen Sieben-Meter-Wurf mit einem hohen Ball im Tor. Schon zweimal hat sie bei dieser WM die Auszeichnung "Player of the Game", Spielerin der Partie, erhalten.

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Die Handballerinnen aus dem Iran sind erst zum zweiten Mal bei einer Handball-Weltmeisterschaft dabei. Sie spielen mit Kopftuch und in knöchellanger Kleidung. Anders erlaubt es das iranische Regime nicht, es beruft sich auf die Gesetze des Islam.
Damit die auch im Ausland von den Nationalteams eingehalten werden, reisen Sittenwächter mit den Mannschaften mit. Sie kontrollieren vor allem auch, dass keine Gesten gegen das Regime im Iran gezeigt werden.

Protestbewegungen haben die Rolle der Sportler im Iran verändert

Doch mit den großen anhaltenden Protestbewegungen seit dem Tod der Kurdin Mahsa Amini im September 2022 habe sich die Erwartung an iranische Sportler verändert – und bringe sie in ein Dilemma, erklärt der ehemalige iranische Profi-Ringer Shoan Vaisi: "Wenn ich mich politisch äußere, dann habe ich auch meine Sportkarriere riskiert. Aber wenn ich mich zu sehr auf die Seite des Regimes oder einfach in bestimmten Zeiten, genau wie letztes Jahr der Fall war, schweige, dann habe ich sozusagen die Menschen verloren.“
Vaisi floh 2011 aus dem Iran, heute sitzt er für Die Linke im Rat der Stadt Essen: "Menschen wollen einfach klar und konkret, dass die Sportlerinnen und Sportler sich auf die Seite der Menschen stellen."

Sport als Widerstand gegen die Unterdrückung

Gerade der Frauensport ist im Iran ein Zeichen für die Errungenschaften der Frauen gegen das unterdrückende Regime. Seit der islamischen Revolution 1979 sind die Rechte und die Freiheit der Frauen im Iran massiv eingeschränkt. Das gilt auch für den Sport: Was dem Islam widerspricht, ist verboten. Geschlechtergemischter Sport zum Beispiel oder Training in der Öffentlichkeit, deshalb trainieren auch die Frauenteams zwar im eigenen Land, aber unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
Manche Sportarten dürfen auch nur als Hobby und nicht mit Leistungscharakter und in Wettkämpfen ausgeübt werden. Als Frau im Iran Sport zu treiben, sei ein ständiger Kampf gegen Benachteiligung und Diskriminierung durch das Regime, sagt die Iranerin Zahra: "Aber was Leidenschaft ist und was man mag, muss man machen. Und es gibt ein Selbstbewusstsein und das brauchen wir, wir Frauen im Iran. Es ist mir wichtig, dass ich sage, ich habe es gemacht, was in meiner Kraft war."

Geheimes Training und starker Wille

Bevor Zahra nach Deutschland kam, hat sie im Iran vier Jahre lang Mädchen und Frauen verschiedener Altersgruppen im Kampfsport trainiert – ohne Budget: "Aber wir haben immer eine Lösung gefunden, wie wir uns selber finanzieren. Als Beispiel haben Eltern mehr gegeben oder Spenden gefunden. Wir durften nicht mit den Männern kämpfen. Wir durften nicht in einem Verein kämpfen, wo die anderen Leute uns sehen oder vom Verein jemand das weiß, weil sonst wir hätten große Probleme bekommen.“
Aber Zahra hat auch dafür eine Lösung gefunden: "Ich habe meine Mädels immer mitgenommen zu einem Park, der damals ein Zoo war, so ein kleiner Zoo in eine Ecke, wo niemand kommen konnte oder uns sehen konnte. Mitternacht fast, 22 oder 23 Uhr, dass wir sicher waren, dass niemand da drin ist. Und ich habe mit den Sicherheitsleuten von diesem Park gesprochen, dass wir reinkommen.“
Die Eltern der Athletinnen unterstützten das geheime Training als Wachposten an den Parkeingängen. Im Park selbst baute die Trainingsgruppe ein Picknick auf, um ihr Training zu tarnen. Und Zahra organisierte einen professionellen Kung Fu-Trainer, der mit den Mädchen übte: "Weil ich will, dass sie bestens vorbereitet werden, weil wenn sie mit einem Mann kämpfen oder ein Mann auch sieht, dass man keine Angst hat, obwohl man vor einem großen, kräftigen Mann steht. Wie soll man mit den Ängsten umgehen?"
Für Politiker Vaisi sind die Frauen und Athletinnen im Iran Vorbilder. Mit ihrem Widerstand und den Protesten erkämpfen sie sich ihre Freiheiten zurück: "Wenn man in den Breitensport im Iran schaut: Bei Frauen in kleinsten Städten und Dörfern gibt es jetzt auch mittlerweile Clubs für Frauen. Das heißt: Da sind ja Entwicklunge, die über Jahrzehnte entstanden sind, was auch selbst für das Regime fast unmöglich ist, wieder rückgängig zu machen, weil die Frauen einfach sich die Rechte nicht nehmen lassen, die sie selber erkämpft haben. Aber auch dieses Selbstbewusstsein werden sie einfach nicht so einfach wieder von sich wegnehmen lassen.“

Iranerin bekommt schon 2021 bei WM eine Auszeichnung

Die iranische Handball-Torhüterin Fatemeh Khalili Behfar war tief gerührt, als sie bei ihrer ersten Handball-WM 2021 im Spiel gegen Norwegen trotz Niederlage, aber wegen ihrer guten Paraden, als beste Spielerin geehrt wurde.

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Fatemeh Khalili Behfar ist die einzige Handballerin im iranischen Team, die bei einem Verein im Ausland spielt, beim rumänischen Zweitligisten CSCM Iasi 2020.Ihre Ehrung von 2021 findet sich immer noch in den sozialen Medien.

Social Media gibt iranischen Frauen eine eigene Plattform

Während die iranische Presse wenig über die Athletinnen berichtet, sind die Social Media-Accounts eine große Chance, sagt die iranische Sportfotografin Maryam Majd: "Ich glaube, es ist so wichtig für die Athletinnen über die Social Media-Kanäle eine eigene Stimme zu haben. So können sie zu erfolgreichen Vorbildern für andere iranische Frauen und Mädchen werden. Viele Menschen folgen ihnen, bilden sich eine Meinung und die neue Generation orientiert sich an ihnen."
Und das kann selbst die Regierung nicht verhindern, egal, wie sehr sie die Athletinnen auch in der digitalen Welt beobachtet und kontrolliert, beschreibt Majd. Sportliche Erfolge nutzt das Regime allerdings gerne, um sich damit selbst zu schmücken. Die Strahlkraft der Athletinnen reicht aber über den Sport hinaus, glaubt Majd: "Die Nationalspielerinnen sind sehr starke Frauen, aber dieser Kampfgeist ist nicht nur im sportlichen Wettkampf, sondern sie haben ihn auch im Kampf gegen die gesellschaftlichen Strukturen. Aber im Iran selbst sind es dann die ganz normalen Frauen, die dann auf die Straße gehen und für ihre Rechte kämpfen.“