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Iranerin Setare
"Ich habe mich sehr gefreut, dass ich hier weiterstudieren darf"

Als sie vor mehr als einem Jahr nach ihrer Flucht aus dem Iran im baden-württembergischen Erstaufnahmelager für Flüchtlinge in Karlsruhe landete, konnte sie sich eines kaum vorstellen: die Fortsetzung ihres Biologiestudiums, das sie in Teheran begonnen hatte. Doch jetzt ist für Setare eine Art Wunder wahr geworden.

Von Thomas Wagner | 14.10.2015
    Luftaufnahme der Universität in Konstanz
    Luftaufnahme der Universität in Konstanz (picture-alliance/ dpa - Patrick Seeger)
    Das komplette Interview mit der Iranerin Setare zum Nachhören
    Die Cafeteria der Uni Konstanz: Dort sitzt die Iranerin Setare, Mitte 20, schaut mit einem Lächeln auf dem Gesicht durch die riesigen Panoramafenster: Die Sonne spiegelt sich auf der glatten Oberfläche des Bodensees – ein wunderschöner Herbsttag – und der Tag des Neuanfangs für Setare als Biologiestudentin an der Uni. Eigentlich heißt sie gar nicht Setare, hat aber gute Gründe, ihren richtigen Namen nicht zu nennen:
    "Aus politischen Gründen musste ich mein Heimatland verlassen. Mein Vater ist immer noch nicht im Iran. Wir haben keinen Kontakt mit ihm. Meine Mutter und meine Geschwister wohnen alle in Konstanz. Wir sind alle hier zusammen angekommen."
    In ihrer Heimatstadt Teheran hatte Setare bereits vier Semester lang Biologie studiert. Dann die Flucht Hals über Kopf nach Deutschland: Dass Setare, mittlerweile als Flüchtling anerkannt, dort ihr Studium fortsetzen kann, scheint zunächst eher unwahrscheinlich.
    "Weil ich nach Deutschland geflohen bin, konnte ich nicht meine Zeugnisse mitbringen. Deswegen musste ich jemanden darum bitten, dass er mir meine Zeugnisse nach Deutschland mitbringt. Und dann musste ich einen Übersetzer finden, um meine Zeugnisse zu übersetzen. Und dann habe ich meine Zeugnisse an der Uni vorgelegt und auf den Bescheid gewartet."
    Schließlich wird für Setare eine Art Wunder wahr:
    "Dann haben wir eine E-Mail bekommen, dass wir vom fünften Semester weiter studieren dürfen. Ich habe mich sehr gefreut, als ich diese Nachricht bekommen habe, dass ich hier weiter studieren darf."
    Flüchtlinge als reguläre Studierende – das ist auch für die Uni eine neue Situation, so Anna Blank vom zuständigen Referat für Gleichstellung und Familie:
    "Die größten Hürden sind tatsächlich die Anerkennung der Zeugnisse. Das ist sehr kompliziert, zumal die Hochschulen auch selbst dafür zuständig sind. Gleichzeitig haben wir das an ein externes Unternehmen ausgelagert. Und um eine gute Beratung zu machen, müssen wir wissen: Wie sieht das aus mit den Zeugnissen? Das ist so eine Hürde gewesen."
    Eine Hürde, die Setare überwinden konnte. Was sie im Leben nicht vergessen wird: Die herzliche Aufnahme dieser Tage an der Uni.
    "Ich wurde sehr gut aufgenommen an der Uni. Und bei den Mitstudierenden war ich auch ganz willkommen. Ich habe Freunde, die hier studieren: Wir gehen spazieren. Und die fragen mich viel: Warum bist Du hierhergekommen? Und ich antworte gerne. Und die würden mir auch gerne immer helfen."
    Außenansicht Uni Konstanz
    Setare fühlt sich an der Uni Koblenz willkommen (deutschlandradio.de / Thomas Wagner)
    Mit ihren neuen Freunden spricht sie auch über die Unterschiede im studentischen Leben Iran und in Deutschland:
    " Zwischen Teheran und Konstanz gibt es große Unterschiede: Zum Beispiel gibt es im Iran keine Freiheit. Besonders für die Frauen ist es viel besser hier: Die Frauen haben die gleichen Rechte wie die Männer. Aber bei uns zuhause haben die Frauen vielleicht die Hälfte der Rechte der Männer."
    Zielstrebig hat Setare auf ihr neues Leben als Studentin an der Uni Konstanz zugearbeitet – vom ersten Tag an:
    "Seit ich in Deutschland bin, mache ich Deutschkurse. Und das ist für mich sehr wichtig: Ich will meine Deutschkenntnisse verbessern, damit ich mehr Kontakte knüpfen kann."
    Das Erlernen der Landessprache ist für Setare der Schlüssel zu mehr Integration – und zur besseren Finanzierung des Studiums. Zwar kann sie auf BAföG hoffen; außerdem bekommt sie ein Stipendium. Daneben aber jobbt sie. Und da geht es nicht nur ums Geld.
    "Ich arbeite als Verkäuferin in einem Oliven-Ess-Stand. Ich werde während des Studiums auch arbeiten. Wenn ich arbeite und die Kunden zu mir kommen, versuche ich immer, mit ihnen zu reden. Und die reden mit mir. Und so kann ich die Deutschen auch besser kennenlernen: wie sie sich verhalten, wie sie denken."