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Iranische Aktivistin
Warum Nasrin Sotoudeh in Haft ist

Die iranische Menschenrechtsanwältin und Sacharow-Preisträgerin Nasrin Sotoudeh ist im Iran inhaftiert. Aus Protest gegen die Haftbedingungen ist sie Mitte Augut in einen Hungerstreik getreten. Was genau wirft das Regime in Teheran der Juristin vor - und wie geht es ihr in der Haft?

27.08.2020
Die iranische Menschenrechtlerin Nasrin Sotudeh in ihrem Haus in Tehran im September 2013.
Bild aus besseren Zeiten: Nasrin Sotoudeh 2013 nach ihrer Freilassung aus der Haft in ihrem Haus in Teheran (picture alliance / Khademian Farzaneh)
Die Juristin und Menschenrechtlerin Nasrin Sotoudeh will sich mit ihrem Hungerstreik gegen Gesetzlosigkeit und harte Bedingungen in den iranischen Gefängnissen zur Wehr setzen und die Freilassung politischer Gefangener inmitten der Corona-Pandemie erreichen – so hat es ihr Mann Reza Khandan erklärt.
Die Corona-Pandemie bekommt das islamistische Regime in Teheran ebensowenig in den Griff wie das riesige Drogenproblem im Iran. Karin Senz, Iran-Korrespondentin, des Deutschlandfunks, berichtet, was über Nasrin Sotoudeh und ihren Gesundheitszustand bekannt ist.

Warum ist Nasrin Sotoudeh in Haft?

Die Vorwürfe gegen Nasrin Sotoudeh lauten: Verschwörung gegen die nationale Sicherheit und Propaganda gegen das Regime. Dazu kommt ihre Mitgliedschaft in Friedensinitiativen – auch dies ist im Iran offensichtlich ein Inhaftierungsgrund. Nasrin Sotoudeh hat auch gegen die Todesstrafe im Iran gekämpft, das ist ihr schon 2010 zur Last gelegt worden. 2011 wurde sie schon einmal verurteilt, dann aber früher aus der Haft entlassen. 2018 ist sie wieder verhaftet worden. Dabei wurde sie zu 38 Jahren und 148 Peitschenschlägen verurteilt. Die meisten Beobachter gehen davon aus, dass sie mindestens zwölf Jahre dieser Haftstrafe absitzen muss.

Warum hat Nasrin Sotoudeh den Iran nicht verlassen?

Als international bekannte Preisträgerin würde Nasrin Sotoudeh im Ausland vermutlich genügend Unterstützung bekommen, wenn sie diesen Weg gehen und den Iran für immer verlassen würde. Doch nach allem, was man über Nasrin Sotoudeh weiß, will sie das Land wirklich verändern. Auch ihr Mann Reza Khandan, der ebenfalls Aktivit ist, sowie ihre Familie stehen hinter ihrem Engagement.
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Islamische Revolution - Vom Iran um die Welt
Am 1. April 1979, wurde die Islamische Republik Iran ausgerufen. Radikal-islamische Gruppen von Westafrika bis Ostasien nahmen sich die Islamische Revolution zum Vorbild – teils bis heute.

Wieso drangsaliert das Regime eine prominente Sacharow-Preisträgerin?

Als Juristin hat Nasrin Sotoudeh immer wieder sensible Fälle vertreten und dabei das Regime in Teheran offensichtlich an neuralgischen Punkten getroffen. So ging es in ihren beiden jüngsten Fällen um zwei Frauen, die im Iran öffentlich gegen das Tragen des Kopftuches protestiert haben. Vielen Beobachtern zufolge haben diese beiden Fälle Nasrin Sotoudeh ins Gefängnis gebracht.
Darüber hinaus hat Nasrin Sotoudeh auch die Nobelpreisträgerin Shirin Ebadi vertreten, sowie minderjährige Straftäter, denen die Todesstrafe drohte und die teilweise auch vollzogen wurde. Schon 2009 hat sie Oppositionelle vertreten, die gegen die Wiederwahl des damaligen iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad protestiert haben. Darüber hinaus mag es eine Rolle spielen, dass Nasrin Sotoudeh nicht aufgibt und sehr beharrlich ist in dem, was sie tut.

Wie wichtig ist für Menschen wie Nasrin Sotoudeh Öffentlichkeit?

Einerseits ist es wichtig, dass Nasrin Sotoudeh nicht vergessen wird. Damit das iranische Regime begreift, dass man eine Juristin nicht einfach in ein Gefängnis sperren kann, und sie damit von der öffentlichen Bildfläche verschwindet. Andererseits ist es auch für Menschen im Gefängnis wichtig, nicht vergessen zu werden, denn es hilft ihnen, die Zeit im Gefängnis zu überstehen. So wie es beispielsweise auch im Fall von Deniz Yücel in der Türkei war.
Ein Poster mit dem Foto der Menschenrechtsaktivistin Nasrin Sotoudeh an der Fassade des Conseil national des barreaux (CNB) im März 2019 in Paris.
Internationale Unterstützung für Nasrin Sotoudeh - hier in Paris (picture alliance / Patrice Pierrot)

Wie geht es Nasrin Sotoudeh gesundheitlich?

Das ist nicht bekannt. Aussagen ihres Mannes und ihres Anwaltes zufolge schwanken ihre Blutzuckerwerte. Ihr Mann Reza Khandan schreibt auf Facebook über sie, dass sie unter Übelkeit leide. Offenbar kann Nasrin Sotoudeh nicht genügend Wasser und Zucker zu sich nehmen, was gerade bei einem Hungerstreik wirklich wichtig ist. Ihr Mann macht sich große Sorgen um Nasrin Sotoudehs Gesundheitszustand.
Dazu kommt der psychologische Druck. Nasrin Sotoudehs Tochter ist vor wenigen Tagen für ein paar Stunden festgenommen worden. Es wird Nasrin Sotoudeh sicherlich belasten, dass sie letztlich durch ihre Arbeit auch für Sanktionen gegen ihre Kinder mitverantwortlich ist. Menschenrechtsorganisationen zufolge wurden die Konten der Familie eingefroren, es wird also offensichtlich versucht, auch finanziell Druck auf die Familie auszuüben.
Nasrin Sotoudeh befindet sich im berüchtigten Evin-Gefängnis in Teheran. Immer wieder wurden Vorwürfe erhoben, dass dort gefoltert wird und wurde und daran auch Menschen gestorben sind. Nasrin Sotoudeh hat selbst in einem Brief aus dem Gefängnis geschrieben, die Bedingungen seien so hart, dass man die Haft einfach nicht fortsetzen könne.
(Quelle: Karin Senz)
Mehr über Nasrin Sotoudeh:
Nasrin Sotoudeh wurde am 30. Mai 1963 in Teheran geboren. Sie ist Rechtsanwältin. Das Europäische Parlament zeichnete sie im Jahr 2012 für ihren Einsatz für Menschenrechte mit dem Sacharow-Preis für geistige Freiheit aus. Sie ist verheiratet mit Reza Khandan. Das Paar hat zwei Kinder. Seit dem 14. April 2013 gehört Nasrin Sotoudeh dem Kuratorium der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte an. Die Juristin setzt sich vor allem gegen frauenfeindliche Gesetze ein und kämpft gegen die willkürliche Verletzung der bestehenden Rechte innerhalb der Islamischen Republik.
Nasrin Sotoudeh war außerdem Mitgründerin einer Unterschriften-Kampagne für Frauenrechte im Iran. Gemeinsam mit der Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi hat sie 2002 das Zentrum für Menschenrechtsverteidiger in Teheran gegründet (Defenders of Human Rights Centre). Das Zentrum wurde 2008 von den iranischen Behörden geschlossen.
Quelle: IGFM