Saudi-Arabien ist aufgewacht. Seit König Salman vor drei Jahren den Thron bestieg, verfolgen die Saudis ihre Interessen im Nahen Osten aktiv, voller Selbstbewusstsein, gar aggressiv. Wichtigstes Ziel: Den Einfluss des Iran in der Region zurückzudrängen. Riad Kahwaji von der Denkfabrik Ingema in Dubai:
"Wir haben iranische Regierungsvertreter gehört, wie sie sich damit brüsteten, dass sie nun vier arabische Hauptstädte kontrollieren: Sanaa, Beirut, Damaskus und Bagdad. Das ist so, als wenn die Russen sagen würden: Okay, wir weiten unseren Einfluss auf Lissabon oder Madrid aus, im Herzen Europas - und als würde man dann erwarten, dass die Europäer das einfach so hinnehmen."
Der Kampf um Macht und Einfluss zwischen den sunnitisch geprägten Eliten in der arabischen Welt und dem mehrheitlich schiitischen Iran findet an mehreren Schauplätzen statt. Nirgends ist der Gegensatz Sunniten/Schiiten der Auslöser, aber beide Seiten instrumentalisieren ihn und verstärken dadurch die Konflikte. Mit Erfolg nutzt der Iran seine konfessionelle Nähe zu Schiiten in Arabien, um sie zu Brückenköpfen für die Projektion seiner Macht zu machen. Arabische Regierungen verbitten sich das als unerhörte Einmischung einer nichtarabischen Macht in arabische Angelegenheiten. Doch ihre Containment-Politik ist bisher wenig erfolgreich.
Irans Traum einer Landbrücke bis zum Mittelmeer
In Syrien hat es Baschar al-Assad nicht zuletzt dem Iran zu verdanken, dass er den Bürgerkrieg überlebt hat und an der Macht bleibt. Die Achse Damaskus-Teheran, die älter als die iranische Revolution ist, bleibt deshalb erhalten. Vermutlich gestützt auf Geheimdienst-Erkenntnisse sagte der israelische Armeechef Gadi Eizenkot kürzlich, der Iran habe etwa 2.000 Militärberater in Syrien. Dazu kämen 10.000 schiitische Söldner, beispielsweise aus Pakistan und Afghanistan. Viele von ihnen werden direkt vom Iran bezahlt. Die Hisbollah, so Eizenkot, sei mit 8.000 Kämpfern in Syrien. Die libanesische Partei und Miliz war einst mit iranischer Hilfe gegründet worden und ist längst die stärkste politische Kraft im Libanon und dort Teil der Regierungskoalition. Der Versuch der Saudis, den prowestlichen Ministerpräsidenten aus der libanesischen Regierung zu brechen und so der Hisbollah das Feigenblatt zu nehmen, scheiterte. Eizenkot schätzt, dass die Hisbollah mittlerweile bis zu eine Milliarde Dollar im Jahr aus Teheran erhält.
Im Irak hören Teile der mehrheitlich schiitischen Volksmobilisierungseinheiten nicht auf Bagdad, sondern auf Teheran. Auch nach der Zerschlagung des IS bleiben sie ein mächtiger militärischer Faktor im Land. Damit - so der Analyst Riad Kahwaji - komme der Iran seinem Traum von einer Landbrücke immer näher:
"Ziel ist es, einen Korridor vom Iran bis zum Mittelmeer zu schaffen. Man kontrolliert die Geografie von Mossul, verbindet das mit Deir ez-Zor, weiter über Aleppo und Hama nach Latakia - ein Korridor zwischen dem Iran und dem Mittelmeer. Für den Handel, für Pipelines, für Öl und Gas. Logistisch, strategisch und militärisch ist das ungeheuer wichtig."
Den Erzfeind Israel zu piesacken
Im Jemen unterstützt der Iran die Houthi-Rebellen - vermutlich weniger, als viele behaupten, aber wohl immer mehr. So stammen die ballistischen Raketen, die die Houthis nach Saudi-Arabien schießen, laut den Vereinten Nationen aus dem Iran. Deshalb die saudischen Luftangriffe: Für die Saudis ist es unvorstellbar, dass der Iran über Stellvertreter im eigenen Hinterhof einen Fuß auf den Boden bekommt.
Und schließlich der Gaza-Streifen: Nach Angaben des israelischen Armeechefs hat der Iran in letzter Zeit seine Zahlungen dort an die Hamas und den Islamischen Dschihad auf etwa 100 Millionen Dollar im Jahr erhöht. Dass das Sunniten sind, spielt für die Iraner keine Rolle - sie sehen es als Hilfe für die unterdrückten Palästinenser und als Möglichkeit, den Erzfeind Israel zu piesacken.
Die iranischen Erfolge in der Region haben mehrere Gründe: Da ist das Unvermögen der Araber, eigene, arabische Probleme zu lösen. Da ist das Vakuum, das die USA hinterlassen haben, weil sie sich immer mehr aus Nahost zurückziehen. Und da ist die Tatsache, dass sich Schiiten in vielen arabischen Ländern benachteiligt fühlen - und deshalb gerne die vom Iran gewährte Patronage annehmen.