"Welcher Mensch müsste nicht weinen, wenn er die Mutter Christi in diesem Elend sähe?" - Stabat Mater Dolorosa.
"Der katholische Priester klopfte an die Haustür meines Großvaters", erzählte der 77-jährige Peter Mulryan letzte Woche am irischen Fernsehen. Die Tochter des Hauses verursache einen Skandal und müsse weg. Noch in derselben Nacht brachte der Priester die Frau, im siebten Monat schwanger, auf der Lenkstange seines Fahrrades in ein 30 Kilometer entferntes Heim. Das Jahr war 1940, Peter Mulryan überlebte und verbrachte die ersten viereinhalb Jahre seines Lebens im Heim des Bon-Secours-Ordens in Tuam, in der Grafschaft Galway.
"Wir stahlen ihre Kinder", so der irische Premierminister Enda Kenny letzte Woche im Parlament, "wir verschenkten sie, wir verkauften sie, wir handelten mit ihnen, wir hungerten sie aus, wir vernachlässigten oder verleugneten sie - bis sie verschwanden. Und warum willigten die von Kirche und Staat genötigten Eltern in diesen Verrat ein? Wegen unseres perversen, ja morbiden Verhältnisses zu sogenannter Respektabilität", erklärte Kenny.
90.000 bis 100.000 Kinder zwangsadoptiert
"Schwangere Frauen, aber auch andere junge Frauen, die der Verführung verdächtigt wurden, mussten ausgestoßen werden, weil von ihnen angeblich eine Ansteckungsgefahr ausging", sagt Susan Lohan. Sie wurde selbst zwangsweise adoptiert, weil ihre Mutter nicht verheiratet war. Sie engagiert sich heute für die Rechte von Adoptierten. Der Staat sei tief beunruhigt, denn seit 1922, seit der Gründung Irlands, seien 90.000 bis 100.000 Kinder zwangsweise adoptiert worden, sagt sie. Allein aufgrund des Umstandes, dass ihre biologischen Eltern unverheiratet waren.
Kirche und Staat betrieben mehr als ein Dutzend so genannter Mother-and-Baby-Homes. Dorthin wurden schwangere Frauen zur Entbindung geschickt. Ein bis zwei Jahre nach der Geburt wurden die Frauen in andere Institutionen verschickt, die Kinder blieben. Susan Lohan nennt zwei Heime in Tipperary und Cork. "Dank ihrer Nähe zum Flughafen Shannon waren diese beiden Heime ideal für einen gewinnträchtigen Handel mit Babys zur Adoption in den Vereinigten Staaten", erzählt sie.
Susan Lohan hegt einen beunruhigenden Verdacht: Was geschah mit Kindern, die eine körperliche oder geistige Behinderung aufwiesen? Die seien in den Heimen geblieben, weil die reichen Amerikaner keine defekten "Produkte" wollten. "Diese Kinder", befürchtet Lohan, "wurden vernachlässigt, was vielleicht zu ihrem Tod beitrug." - In der Tat ist die Sterblichkeitsrate von Kindern in diesen Heimen bis zu fünfmal höher als in der damaligen irischen Gesellschaft.
Zwangsarbeit in Wäschereien
Claire McGettrick, ihrerseits adoptiert, untersucht seit Jahren die Schicksale von Frauen, die in den sogenannten Magdalen Laundries eingekerkert worden waren: Von Nonnen betriebene, kommerzielle Wäschereien, deren letzte 1996 ihre Tore schloss. Manche Frauen wurden von der Justiz dorthin geschickt, manche von eifrigen katholischen Laien-Organisationen, manche kamen aus anderen Institutionen, namentlich den genannten Heimen für uneheliche Kinder.
Claire McGettrick berichtet von einer Frau namens Margaret, die zu zwei Jahren Zwangsarbeit in der Wäscherei verurteilt wurde. 46 Jahre später starb sie, noch immer in der Wäscherei in Cork. Ihr Grab liegt hinter vier Meter hohen Mauern, die mit Stacheldraht gespickt sind; selbst im Tode ausgegrenzt.
Orden als Gefängniswärter
"Alle, die dem idealen Irland widersprachen", fasst McGettrick zusammen, "wurden eingesperrt." Arbeitsheime, Kinderheime, Wäschereien, psychiatrische Anstalten: Der irische Staat bezahlte katholische Orden als Gefängniswärter und scherte sich nicht um seine Bürgerinnen. Die Komplizenschaft von Kirche und Staat hat die Katholische Kirche seither ruiniert und der Staat bleibt den Beweis seiner Reue noch weitgehend schuldig - trotz der erhabenen Worte des Premierministers.
"Gaben wir diese Kinder auf, um ihnen den Klatsch zu ersparen, zwinkernde Anspielungen der Rechtschaffenen, in einer Sprache, die den Scheinheiligen besonders vertraut ist?"