Die irische Halbinsel Beara. Peter Bernhard, ein Einwanderer aus Deutschland, zeigt auf eine von Moos und Efeu überwucherte Ruine. Die Eigentümer wollten das Haus vergrößern. Ihre Nachbarn warnten: `Tut es nicht. Ihr erzürnt die Fairies`. Der Begriff "Fairy" schließt alle Arten von Kreaturen der irischen Mythologie ein: Kobolde, Feen, Elfen und viele andere.
"Und da gibt es laut Erzählungen so viele Unfälle, irgendetwas ist verloren gegangen, irgendetwas ist passiert-, dass die gesagt haben, nein, wir können hier nicht weiterbauen und haben dann aufgehört und abgebrochen."
In so einem "Haunted house" passieren viele nicht zu erklärende Dinge, bis der Frevel rückgängig gemacht wird, erzählt Mary Madison, die in der Nähe dieses Spukhauses wohnt.
"Am Ende haben die Eigentümer das Haus vermietet an Leute, die auch nicht an Fairies geglaubt haben. Und als sie zu Bett gegangen sind, haben die Türen geschlagen und die Fenster geklappert. Sie haben sogar die Tür zugenagelt. Doch in der Nacht zog Sturm auf und die Tür flog auf. Da haben sie gepackt und sind abgereist."
"Dieser Glaube existiert noch immer"
Solche Geschichten kennen sie auch im Archiv der National Folklore Collection. Es ist eines der größten Archive für Kulturgeschichte in Europa. Die Sammlung besteht seit 1935, erklärt Archivarin Claire Doohan. Die Mitarbeiter sammelten in irischen Dörfern Folklore- und Volksbräuche.
"Es geht um die Geschichten der Iren und dazu gehört neben der lokalen Geschichte die Volksmedizin, aber auch die Geschichten über die Fairies. Unter den Iren gibt es die weit verbreitete Vorstellung, bestimmte Gebiete nicht zu zerstören, weil sie den Fairies gehören. Es ist schwierig, diese Dinge rational zu beurteilen. Aber die Menschen empfinden eine Form von Angst, haben Hemmungen gewisse Dinge zu tun. Und daran sieht man, dass dieser Glaube immer noch existiert."
"Ich denke, es ist ein Teil des alten keltischen Glaubens, der durch die Christianisierung verdeckt wurde. Es spielt auf etwas Tieferes an, was trotz fehlender wissenschaftlicher Beweise immer noch da ist."
So versucht der Jesuit Gerry O´Halon zu erklären, warum sich der Glaube an die Fairies so hartnäckig hält. Auch unter Christen und in der katholischen Kirche, obwohl deren Lehre mit Kobolden und Elfen eigentlich nicht zu vereinbaren ist.
Aberglaube würde es Maire Hickey allerdings nicht nennen. Sie ist Äbtissin der Benediktinerabtei Kylemore Abbey:
"Ich bin natürlich als Kind damit herangewachsen. Die Kindergeschichten, die ich liebte, waren ganz geheimnisvolle Wesen: Lichter auf dem Moor in der Nacht und komische Stimmen, die man hörte, wenn jemand am Sterben war - zum Schaudern, aber auf eine schönen Weise. Ich glaube, das hat einen geschichtlichen Kern."
Die Fairies werden um Erlaubnis gefragt
Auch die Kulturforscherin Clarie Doohan geht davon aus, dass die Fabelgeschichten einen realen Ursprung haben:
"Da gibt es die Geschichten von Kindern, die durch Feen ausgetauscht wurden. Wir glauben, damit erklärte man den plötzlichen Kindstod. Die Sterberate der Kinder war sehr hoch. Das war schockierend für Eltern. Sie haben diesen Glauben genutzt, um einen Sinn in dem Tod zu sehen."
So ergänzten sich der Glaube an die Fairies und die Lehren der katholischen Kirche, meint Claire Doohan:
"Man versuchte, die Fairies nicht zu verärgern. Im Grunde ging es den Menschen darum, ihren Familien Gesundheit und Glück zu sichern, böse Vorzeichen abzuwenden. Und das versucht man mit dem christlichen Glauben auch, und so lässt sich das auch vereinbaren. Besonders im gläubigen Irland, wo beide Glaubensarten sehr ausgeprägt waren."
So ist es teils auch heute noch, etwa bei Mary Madison, die auf Beara neben dem Spukhaus wohnt. Sie ist Katholikin und geht jeden Sonntag zur Messe. Die 78-Jährige ist aber auch eine Storytellerin, eine Geschichtenerzählerin, die dafür sorgt, dass die Mythen und Sagen Irlands nicht in Vergessenheit geraten.
"Die Leute sagen manchmal, das sind erfundene Geschichten. Aber das sind sie nicht. Die Fairy-Wege zum Beispiel existieren. Die Alten erzählen, dass sie früher die Fairy-Lichter nachts überall in den Bergen sehen konnten. Mit der Elektrizität verschwanden sie. Es ist sehr wichtig, dass wir diese Geschichten am Leben halten. Das sind wahre Geschichten."
Als Mary auf die Halbinsel Beara zog und ihr Haus bauen wollte, hat sie selbstverständlich bei den Fairies nachgefragt, was sie darf und was nicht.
"Du musst mit den Fairies übereinkommen. Sie sagen dir, was du machen darfst. Dann hast du keine Schwierigkeiten. Ich habe draußen kein Licht an, auch nicht im Garten. Das verträgt sich nicht mit den Fairies. Ich schaue gerne ins Dunkle hinaus. Dann sehe ich aufblitzende Lichter, und ich weiß, sie sind hier."