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Irland und der Brexit
Dublin befürchtet Rückkehr von Zollkontrollen

Der Brexit sorgt in Irland für Unruhe. Die Menschen fürchten die wirtschaftlichen Folgen. So könnten zum Beispiel wieder Zölle eingeführt werden, wenn Irland Güter nach Großbritannien liefert. Davon wäre besonders die irische Landwirtschaft betroffen.

Von Friedbert Meurer |
    Enda Kenny und Theresa May im Gespräch im Juli 2016 in London in der Downing Street
    Der irische Ministerpräsident Enda Kenny und seine englische Amtskollegin Theresa May in London im Juli 2016 (afp/Stefan Rousseau)
    Dublin vor einer Woche. Die deutsch-irische Handelskammer feiert ihren Umzug in ein neues Gebäude. Hauptgast ist der irische Ministerpräsident Enda Kenny. Thema Nummer Eins auch danach im Interview: der geplante Brexit des Nachbarn Großbritannien:
    "Ich habe mich mit Premierministerin Theresa May auf zwei Grundsätze geeinigt. Wir wollen keine harte Grenze entstehen sehen, wie es sie früher einmal gab. Zweitens soll es keine Einschränkung für den gemeinsamen Grenzraum zwischen der Republik Irland, Nordirland und dem Vereinigten Königreich geben."
    Großbritannien und Irland verbindet seit 1923 ein gemeinsamer Grenzraum. Man fliegt von London nach Dublin und wird nicht von der Grenzpolizei kontrolliert. Iren arbeiten problemlos in Großbritannien und umgekehrt, und es werden auch keine Zölle erhoben - was für Partner in der EU ohnehin gilt. Aber genau das könnte sich ändern. Edgar Morgenroth, ein Deutscher, arbeitet am Wirtschaftsinstitut ESRI, das in Dublin die Regierung berät:
    "Es sind einzelne Sektoren, die, wie unsere Analysen zeigen, mehr befallen sein würden. Landwirtschaft und Lebensmittel vor allem, weil da die Zölle besonders hoch sind. Aber auch andere Sektoren, traditionelles Gewerbe, wie leichte Ingenieurarbeit, haben auch einen sehr hohen Zoll und würden deshalb sicherlich schwer betroffen sein."
    Britische Regierung könnte Zollunion der EU verlassen wollen
    London wendet dagegen ein, man wolle ja mit der EU vereinbaren, auf Zölle ganz zu verzichten. Doch gleichzeitig, so sieht es aus, will die britische Regierung die Zollunion der EU verlassen. Die EU wird dann vermutlich auf Zölle pochen, um - so der stete Hinweis - den Briten keine Rosinenpickerei durchgehen zu lassen. Irland geriete da zwischen die Fronten.
    Gareth Patterson besitzt einen Betrieb, der Saatgut und Futtermittel an Bauern auch in Nordirland verkauft. Er fürchtet den Tag, an dem auf seine irischen Produkte Zölle fällig würden:
    "An der Grenze würde dadurch eine Barriere für den Handel entstehen. In meiner Branche mit landwirtschaftlichem Futter gäbe es große Unterschiede, was wie hoch zu verzollen wäre. Unsere Margen sind sehr gering. Das wäre das Ende des grenzüberschreitenden Handels."
    Nach den Regeln der WTO sind gerade landwirtschaftliche Erzeugnisse, eine Domäne der Iren, mit sehr hohen Zöllen belegt. Gareth Patterson rechnet mit 20 bis 50 Prozent. Für irisches Rindfleisch käme es noch schlimmer, meint Edgar Morgenroth:
    "30 bis 40 Prozent des frischen irischen Rindfleischs wird nach Großbritannien exportiert. Die Zölle liegen um die 60 Prozent. Eine Preiserhöhung um 60 Prozent würde sicher nicht möglich sein. Da die irische Rindfleischindustrie im Moment ohnehin wenig Profit macht, würde man wahrscheinlich nach Großbritannien nicht weiterhin verkaufen können."
    Irland pocht auf einen besonderen Status
    Irland will für sich einen Sonderstatus der EU nach dem Brexit, um Zölle zu vermeiden. Wenn aber Großbritannien als Nicht-EU-Mitglied eigene Zollabkommen mit Drittstaaten abschließt, wird die EU nicht akzeptieren können, dass Waren dann über diesen Weg zollfrei nach Irland kommen - also geschmuggelt werden. Dabei ist das eine Variante, mit der manche Iren entlang der Grenze vielleicht sogar leben könnten - meint Gareth Patterson etwas verschmitzt. Aus den wegen der Zölle unterschiedlichen Preisen zwischen Irland und Nordirland ließe sich vielleicht ein Geschäft machen:
    "Da könnte es vielleicht Chancen geben. Die Grenze hat uns in all den Jahren auch Vorteile gebracht, mit billigerem Benzin in der Republik Irland zum Beispiel. Die Waren würden hin und her geschickt. Vielleicht wäre das gar nicht so schlecht, wenn es diese Preisunterschiede gäbe."