Sonntagmorgen im Süden Dublins. Die Messe in der katholischen Kirche "The Three Patrons" ist gut besucht. Doch der Schein trügt, sagt der Gemeindepriester Joe Mullan:
"Die Anzahl der Priester ist dramatisch gesunken, und es kommen immer weniger Menschen zur Messe. Nur zu Weihnachten sehen wir, wie toll es sein könnte. Aber in der Realität, wenn es darum geht, wer zahlt, wer kommt zur Messe, werden es immer weniger."
Beim Zensus 2016 bekannten sich formal noch 78% der irischen Bevölkerung zur katholischen Kirche. Doch der Anteil der Katholiken ist in den vergangenen 25 Jahren deutlich gesunken. Zugleich wächst eine andere Gruppe: Iren, die keine Religion haben, wie Jane Donnelly.
"Ich mochte die Kirche nicht. Sie sprachen immer von Sünde und Strafe oder wenn ein Baby gestorben war, bevor es getauft wurde, kam es in die Hölle und solche Sachen. Und meine Großmutter war eine überzeugte Katholikin - und ich sah, wie sie darunter gelitten hat. Es wurde nicht über Liebe gesprochen. Und all das hat mich zu der Erkenntnis gebracht, dass ich das nicht wollte."
Immer mehr Iren wenden sich von der katholischen Kirche ab
Eine halbe Million Iren bezeichnet sich als religionslos. Das ist fast jeder zehnte Einwohner. Sie bilden damit nach den römischen Katholiken die zweitgrößte Gruppe. Jane Donnelly glaubt, dass auch die vielen Skandale dazu beigetragen haben, dass sich immer mehr Menschen von der katholischen Kirche abwenden.
"Diese Leute, die von Liebe gepredigt haben, haben die Kinder nicht beschützt und haben ihnen nicht geglaubt. Als sie ihnen endlich geglaubt haben, haben sie nichts gemacht, es nur vertuscht. Das untergräbt die Autorität. Man wird ihnen nie wieder so vertrauen, wie es mal war."
Zu Besuch bei Familie Payne: Papa John schnappt sich Johannes, wirft den Zweijährigen in die Luft. Für John haben die Skandale nur das offenbart, was man längst über die Kirche gewusst, aber nie ausgesprochen habe.
"Die Priester und die Bischöfe, die haben das Land regiert. Sie konnten tun, was sie wollten. Eine Nonne hat mich als Kind mal vom Fahrrad gerissen und mich verletzt. Als ich mich darüber beschwert habe, sagte sie: Sprich nicht so mit mir. Ich bin eine Nonne. Und die Kirchenführung hat sie machen lassen. Der Glaube, den sie vermittelten, war nichts als Bürde, keine Freude. Sie haben immer nur mit der Hölle gedroht. Du kommst in die Hölle, wenn du nicht in die Messe gehst. Eigentlich kam man für alles in die Hölle."
John hat sich als Teenager in der Kirche nicht wohlgefühlt. Die Art, wie sie Glauben vermittelt habe, sei abschreckend gewesen, konstatiert der 44-Jährige heute:
"Eigentlich ist es sehr überraschend, dass ich noch Katholik bin, wenn man bedenkt, wie ich aufgewachsen bin. Es wurde immer nur gedroht. Im Religionsunterricht ging es mal um Verhütung und ich habe den Priester gefragt, warum Verhütung eine Sünde ist?"
Statt einer Antwort flog John raus. Es gab Regeln, die zu befolgen waren. Eine Beziehung zu Gott habe er so nicht aufbauen können, sagt John.
"Als ich Gott am meisten gebraucht habe, war er da"
"Viele Leute sind Atheisten und würden sagen, ich sehe für Gott keine Notwendigkeit. Ich hatte eine Menge Probleme mit Alkohol und habe auch geglaubt, dass ich ohne Gott klarkomme. Aber als ich Gott am meisten gebraucht habe, war er da."
Wie John haben auch andere Iren ihre Gründe, warum sie nicht aus der Kirche austreten – obwohl sie der Kirche sehr kritisch gegenüberstehen, nach all den Skandalen. Diese kritische Haltung findet sich auch in der Kirche selbst. Der erste Skandal erschütterte sie schon 1992: Damals kam heraus, dass Eamonn Casey, der Bischof von Galway, Vater eines Sohnes ist. Ein Schock, auch für Gemeindepriester Joe Mullan aus Dublin:
"Bischof Casey war der Held meines Seminarlebens. Er kam zu unserem Seminar in einem BMW, war mitreißend und rauchte Zigarren. Wir haben ihn bewundert. Und dann kam das Verbrechen an der Frau heraus und auch noch, dass er Kinder missbraucht hat … Priester haben unentschuldbare Verbrechen begangen. Es ist schwer zu ertragen, zu einer Kirche zu gehören, in der Leute denken, dass Missbrauch und dessen Vertuschung dazugehören. Es ist furchtbar."
Trotzdem will Joe Mullan seiner Kirche nicht den Rücken kehren.
"Die Liebe und Barmherzigkeit Gottes ist die Grundlage unseres christlichen Glaubens. All diese Verbrechen habe ein Bedürfnis nach mehr Barmherzigkeit und der Liebe Gottes hervorgebracht. Sie fordern meinen Glauben nicht heraus. Im Gegenteil: Es macht meinen Glauben nur noch hartnäckiger."