Paralympics 2024
Sprinterin Irmgard Bensusan - Ende einer bewegten Karriere

Sprinterin Irmgard Bensusan vom TSV Bayer 04 Leverkusen startet bei den Paralympics in Paris im Sprint über 100- und 200-Meter. Danach kehrt sie in ihre Heimat Südafrika zurück. Es wird das Ende einer bewegenden Karriere mit Hindernissen.

Von Lukas Thiele |
    Irmgard Bensusan sprintet bei den Paralympics in Paris.
    Irmgard Bensusan vom TSV Bayer 04 Leverkusen geht in Paris in ihre letzten Paralympics. (IMAGO / Beautiful Sports / IMAGO / BEAUTIFUL SPORTS / Axel Kohring)
    Irmgard Bensusan überlässt vor dem Start nichts dem Zufall. Ein paar Skipping-Schritte und ein Gebet gehören zum festen Ritual der Leverkusener Para-Sprinterin vor jedem Lauf. "Ja, ich mache so kleine Sprünge vor dem Start", sagte sie gegenüber dem Deutschlandfunk. "Und klar, ich versuche auch Abläufe zu machen und so kleine Skippings, das ist alles, um mich warm zu behalten."
    Auch bei den Paralympics wird Bensusan wieder kleine Sprünge machen und ein kurzes Gebet sprechen. In Paris startete die 33-Jährige über 200 Meter und 100 Meter Sprint, über die 200 Meter gewann sie Bronze. Der Deutschlandfunk hat in den Monaten vor den Paralympics immer wieder mit ihr über die Vorbereitung auf das Karriereende gesprochen.

    Karriereende nach den Paralympics

    Neben ihren Skippings und dem Gebet wird Bensusan dann auch wieder der Strecke schon vor dem Start einmal gedanklich durchlaufen: "Vor den 200 versuche ich die Kurve zu laufen wirklich in meinem Kopf", sagte sie. Hunderte Male wird sie das schon so gemacht haben. Am Dienstag wird es allerdings besonders, denn es wird das letzte Mal sein. Nach den Paralympics wird Irmgard Bensusan ihre Karriere beenden.
    Fünf paralympische Silbermedaillen und vier WM-Titel hat Bensusan in ihrer Karriere unter anderem gewonnen. Dazu hält sie in ihrer Klassifikation (T44) sowohl den paralympischen Rekord über 200 Meter (26,41 Sekunden), als auch den Weltrekord (26,15). Ein Ziel für Paris habe sie nicht, sagte sie, sie wolle einfach Spaß haben: "Ich will laufen, weil ich es als Kind einfach geliebt habe, zu laufen. Und ich gehe in die Rennen in Paris und sage mir: Hey, ich liebe das, egal was dabei rauskommt."

    Bensusan stammt gebürtig aus Südafrika

    Ende des Jahres wird Bensusan dann nach Südafrika zurückkehren, zurück zu Freunden und Familie. Denn Bensusan startet zwar für Deutschland und den TSV Bayer 04 Leverkusen, stammt gebürtig jedoch aus Pretoria. Schon als Kind träumte sie von einer Teilnahme an den Olympischen Spielen. Doch dann verletzte sich Bensusan im Alter von 18 Jahren folgenschwer.
    Bei den nationalen Meisterschaften in Südafrika stürzte Bensusan über eine Hürde. Später erhielt sie die Diagnos "Drop Foot", ein unheilbarer Nervenschaden im rechten Unterschenkel. Bensusan kann ihren Fuß seitdem nicht mehr aus eigener Kraft hochziehen. Seitdem läuft seitdem läuft sie mit einer Orthese, die "Schluffi" stützt - so nennt Bensusan liebevoll ihren Fuß.

    Behinderung in Südafrika nicht anerkannt

    Der Traum von den Olympischen Spielen war damit geplatzt - und sogar Bensusans komplette sportliche Laufbahn schien vor dem Aus. Denn ihre Nervenschädigung wurde in Südafrika nicht als Behinderung anerkannt.
    Also nahm Bensusans deutsche Mutter Kontakt zum Deutschen Behindertensportverband (DBS) auf, worüber Bensusan letztlich beim TSV Bayer 04 Leverkusen unter kam. "Das hat Mut gekostet, zu sagen, ich laufe wieder, obwohl ich weiß, dass ich langsamer bin, als zuvor. Ich lasse mein Heimatland hinter mir, ich lasse meine Familie hinter mir. Ich ziehe in ein fremdes Land, ohne die Sprache zu kennen. Aber die Leichtathletik ist meine erste große Liebe", sagte sie rückblickend gegenüber dem "Kölner Stadt-Anzeiger".

    Spitzname "Tante Irmi"

    In Leverkusen trainierte sie jahrelang in einer Trainingsgruppe voller Männer. "Das war auch cool", sagte sie. "Meine Trainingsgruppe ist für mich wie eine Familie geworden", sagte Bensusan, die in ihrer Gruppe auch den Spitznamen "Tante Irmi" trägt. Dennoch erklärte Bensusan im Dlf, dass sie sich als Parasportlerin "ständig mit Vorurteilen" auseinandersetzen müsste. Auch in Deutschland sei die Diskriminierung von Parasportlern nach wie vor "leider nicht besser".
    "Das größte Vorurteil ist: Ich habe zwei Beine und ich laufe gegen diejenigen, die einen Fehler haben", so die 33-Jährige. Immer wieder würde ihr vorgeworfen, einen Vorteil gegenüber anderen Teilnehmerinnen zu haben. "Ich glaube, es wird schon unterschätzt, wie viel Blut und Schweiß in diesen Sport reingeht."

    In Paris über 100- und 200 Meter am Start

    Weil Bensusan neben der südafrikanischen auch die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, startet sie bei den Paralympics 2016 in Rio für Team Deutschland und gewinnt jeweils Silber über 100-, 200- und 400 Meter. In Tokio 2021 wiederholt sie ihren Erfolg über 100- und 200 Meter.
    Nach Paris ist dann Schluss. Ende des Jahres wird die 33-Jährige nach Südafrika zurückkehren. "Das geht mir sehr nahe", sagte sie gegenüber dem WDR. "Meine Trainingsgruppe, die Menschen, mit denen ich in den letzten Jahren täglich zusammen trainiert habe, sie alle werden mir sehr fehlen. Aber nach zehn Jahren ist für mich Schluss in Deutschland."
    Vorher wird sie aber noch einmal Skipping-Sprünge machen und ein kurzes Gebet nach oben schicken, bevor es zum letzten Mal auf die Bahn geht.