"Ich bin einfach nur glücklich, wie es gelaufen ist", sagte Irmgard Bensusan im Deutschlandfunk nach ihrem letzten Auftritt bei den Paralympics. Sie habe schon nach Tokio ans Karriereende gedacht, auch wegen eines Wechsels im Trainerteam. "Es war eine schwierige Zeit, am Ende habe ich es gesagt: Ich mache noch einmal die Paralympics, für das Kind in mir, das damals auf der Bahn stand und davon geträumt hat. Und ich hatte in Paris soviel Spaß wie noch nie."
Bensusan über Paralympics in Paris: "Ich habe alles genossen"
In Paris startete die 33-Jährige über 200 Meter und 100 Meter Sprint, über die 200 Meter gewann sie Bronze. "Ich habe alles genossen und konnte es umso mehr schätzen, weil ich wusste, dass es das letzte Mal ist. Das war mir am Ende wichtiger als das Ergebnis."
Der Deutschlandfunk hat in den Monaten vor den Paralympics mit Bensusan immer wieder über die Vorbereitung auf das Karriereende gesprochen.
Auch über das feste Ritual der Para-Sprinterin vor jedem Lauf, ein paar Skipping-Schritte und ein Gebet. "Ja, ich mache so kleine Sprünge vor dem Start", sagte sie gegenüber dem Deutschlandfunk. "Und klar, ich versuche auch Abläufe zu machen und so kleine Skippings, das ist alles, um mich warm zu halten."
Karriereende nach den Paralympics
Neben ihren Skippings und dem Gebet hat Bensusan auch in Paris die Strecke schon vor dem Start einmal gedanklich durchlaufen: "Vor den 200 versuche ich die Kurve zu laufen wirklich in meinem Kopf", sagte sie. Hunderte Male hat sie das schon so gemacht. Am vergangenen Dienstag in Paris war es allerdings besonders, denn es war das letzte Mal in ihrer Paralympics-Karriere.
Fünf paralympische Silbermedaillen und vier WM-Titel hat Bensusan in ihrer Karriere unter anderem gewonnen. Dazu hält sie in ihrer Klassifikation (T44) sowohl den paralympischen Rekord über 200 Meter (26,41 Sekunden), als auch den Weltrekord (26,15). Ein Ziel für Paris habe sie nicht, sagte sie, sie wolle einfach Spaß haben: "Ich will laufen, weil ich es als Kind einfach geliebt habe, zu laufen. Und ich gehe in die Rennen in Paris und sage mir: Hey, ich liebe das, egal was dabei rauskommt."
Bensusan stammt gebürtig aus Südafrika
Ende des Jahres wird Bensusan dann nach Südafrika zurückkehren, zurück zu Freunden und Familie. Denn Bensusan startet zwar für Deutschland und den TSV Bayer 04 Leverkusen, stammt gebürtig jedoch aus Pretoria. Schon als Kind träumte sie von einer Teilnahme an den Olympischen Spielen. Doch dann verletzte sich Bensusan im Alter von 18 Jahren folgenschwer.
Bei den nationalen Meisterschaften in Südafrika stürzte Bensusan über eine Hürde. Später erhielt sie die Diagnos "Drop Foot", ein unheilbarer Nervenschaden im rechten Unterschenkel. Bensusan kann ihren Fuß seitdem nicht mehr aus eigener Kraft hochziehen. Seitdem läuft seitdem läuft sie mit einer Orthese, die "Schluffi" stützt - so nennt Bensusan liebevoll ihren Fuß.
Behinderung in Südafrika nicht anerkannt
Der Traum von den Olympischen Spielen war damit geplatzt - und sogar Bensusans komplette sportliche Laufbahn schien vor dem Aus. Denn ihre Nervenschädigung wurde in Südafrika nicht als Behinderung anerkannt.
Also nahm Bensusans deutsche Mutter Kontakt zum Deutschen Behindertensportverband (DBS) auf, worüber Bensusan letztlich beim TSV Bayer 04 Leverkusen unter kam. "Das hat Mut gekostet, zu sagen, ich laufe wieder, obwohl ich weiß, dass ich langsamer bin, als zuvor. Ich lasse mein Heimatland hinter mir, ich lasse meine Familie hinter mir. Ich ziehe in ein fremdes Land, ohne die Sprache zu kennen. Aber die Leichtathletik ist meine erste große Liebe", sagte sie rückblickend gegenüber dem "Kölner Stadt-Anzeiger".
Spitzname "Tante Irmi"
In Leverkusen trainierte sie jahrelang in einer Trainingsgruppe voller Männer. "Das war auch cool", sagte sie. "Meine Trainingsgruppe ist für mich wie eine Familie geworden", sagte Bensusan, die in ihrer Gruppe auch den Spitznamen "Tante Irmi" trägt. Dennoch erklärte Bensusan im Dlf, dass sie sich als Parasportlerin "ständig mit Vorurteilen" auseinandersetzen müsste. Auch in Deutschland sei die Diskriminierung von Parasportlern nach wie vor "leider nicht besser".
"Das größte Vorurteil ist: Ich habe zwei Beine und ich laufe gegen diejenigen, die einen Fehler haben", so die 33-Jährige. Immer wieder würde ihr vorgeworfen, einen Vorteil gegenüber anderen Teilnehmerinnen zu haben. "Ich glaube, es wird schon unterschätzt, wie viel Blut und Schweiß in diesen Sport reingeht."
In Paris über 100- und 200 Meter am Start
Weil Bensusan neben der südafrikanischen auch die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, startet sie bei den Paralympics 2016 in Rio für Team Deutschland und gewinnt jeweils Silber über 100-, 200- und 400 Meter. In Tokio 2021 wiederholt sie ihren Erfolg über 100- und 200 Meter.
Nach Paris ist dann Schluss. Ende des Jahres wird die 33-Jährige nach Südafrika zurückkehren. "Das geht mir sehr nahe", sagte sie gegenüber dem WDR. "Meine Trainingsgruppe, die Menschen, mit denen ich in den letzten Jahren täglich zusammen trainiert habe, sie alle werden mir sehr fehlen. Aber nach zehn Jahren ist für mich Schluss in Deutschland."
Der Abschied fällt ihr dennoch nicht leicht, verriet Bensusan zum Abschluss. Bei der Schlussfeier im Stade de France werde sie nicht dabei sein. Sie habe sich schon von der Mannschaft verabschiedet, sagte sie im Deutschlandfunk: "Noch einmal Tschüss zu sagen, das wäre für mich zu schlimm."