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IS-Angriffe
USA: Verteidigung Kobanes hält

Kurdische Kämpfer kontrollieren große Teile der nordsyrischen Stadt Kobane. Das ist zumindest die Einschätzung des US-Militärs. Unterstützt werden die Kurden durch internationale Luftangriffe. Wie lange die Stadt noch gehalten werden kann, ist aber fraglich.

Von Markus Pindur |
    Leicht verschwommene Aufnahme mehrerer Gebäude in Kobane, aus denen Rauch aufsteigt.
    Rauch steigt von Gebäuden in der syrischen Stadt Kobane auf. Das Foto wurde aus großer Entfernung aufgenommen. (picture alliance / dpa / Sedat Suna)
    Die Luftangriffe auf die IS-Miliz wurden in den letzten 36 Stunden intensiviert, hieß es aus dem amerikanischen Verteidigungsministerium. Aber alleine mit Luftangriffen könne man die Stadt Kobane nicht retten, so der Sprecher des Pentagon, Admiral John Kirby. Es brauche Soldaten am Boden.
    "Das wissen wir, und wir haben immer wieder darauf hingewiesen. Trotzdem werden wir immer wieder gefragt, warum die Luftschläge nicht effektiver zeigen. Wir waren aber von Anfang an sehr ehrlich, was die Luftangriffe anbelangt: Man braucht auch effektive Bodentruppen. Und wir haben derzeit keinen Partner am Boden in Syrien. Das ist einfach eine Tatsache."
    Ausbildung von oppositionellen Kräften dauert
    Bis man Truppen der Freien Syrischen Armee kampfbereit habe, werde es noch ein halbes Jahr dauern, so der Pentagon-Sprecher. Das Weiße Haus bereitet unterdessen die amerikanische Öffentlichkeit auf eine längere Kampagne vor. Präsident Obama nach einem Treffen mit seinen militärischen Beratern im Pentagon am späten gestrigen Abend.
    "Unsere Luftangriffe setzen wir an der Seite unserer Partner fort. Es bleibt eine schwierige Mission. Wie ich von Anfang an gesagt habe, ist dies kein Problem, dass über Nacht gelöst werden kann."
    Außenminister Kerry übte sich in vorauseilender Schadensbegrenzung. Selbstverständlich wolle niemand den Fall Kobanes, andererseits wäre dies keine strategische Niederlage im Kampf gegen den IS. Man habe im Gegenteil die Operationszentren und die Geldquellen, sprich: Ölraffinerien des sogenannten Islamischen Staates dezimiert.
    In der Nacht hieß es dann aus dem für den Nahen Osten zuständigen Central Command der amerikanischen Streitkräfte, es gebe Anzeichen dafür, dass die kurdischen Streitkräfte der IS-Miliz standhielten und weiterhin den größten Teil Kobanes beherrschten. Das führe man auf die Intensivierung der amerikanischen Luftangriffe zurück.
    Gespräche über Einbindung der Türkei
    Der Schlüssel zur Lösung des unmittelbaren Problems in Kobane liegt jedoch bei der türkischen Regierung, die sich bislang geweigert hat, in die Kämpfe an ihrer Grenze einzugreifen. Deshalb soll General John Allen, der Koordinator für die internationale Koalition gegen den IS, heute und morgen Gespräche in Ankara führen, so Außenminister Kerry.
    "Er wird dort viele Gespräche führen, um zu erfahren, wie sich die Türkei einbringen will, jetzt, wo ihre Geiseln frei sind. Das ist ein großes Problem direkt an ihrer Grenze, und das wissen sie. Das braucht etwas Zeit."
    Zeit zur Rettung von Kobane aber ist knapp, das weiß auch die Obama-Administration. Und deshalb bleibt ihr auch eine Debatte um die Effizienz der amerikanischen Luftangriffe nicht erspart – im Gegenteil, sie ist bereits in vollem Gange. Der ehemalige US-General Michael Barbero war jüngst in der kurdischen Stadt Erbil im Nordirak. Die Frustration der Kurden sei groß, berichtet er.
    "Sie sind überzeugt, dass es in Kobane ein Massaker geben wird. Und sie sind verärgert über die Luftschläge, die zu wenige waren und zu spät kamen. Und darüber, dass sie nicht die schweren Waffen bekommen, nach denen sie seit Wochen fragen. Sie würden die IS-Miliz bekämpfen, aber sie sind waffentechnisch unterlegen."
    Ein Leitartikel in der Washington Post spricht von einem Krieg in einer Zwangsjacke. Ohne Spezialtruppen am Boden könne man keine Ziele für Luftschläge markieren. Die Luftangriffe auf die IS-Miliz vor Kobane seien zu spät gekommen. Die Türkei lasse die amerikanische Luftwaffe nicht von ihrem Boden aus operieren. Bislang, so die Washington Post, sei dies ein Krieg, dessen Strategie vor allem durch seine Einschränkungen definiert sei.