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"IS" ködert Kinder und Jugendliche
Dschihad per Smartphone

Bomben im Kinderzimmer suchen oder Zählen lernen mit Kalaschnikows: Mit bunten Apps fürs Smartphone versucht die Terrormiliz IS, an Kinder und Jugendliche heranzukommen. Auch über deutsche Messenger-Dienste verbreiten die Dschihadisten mittlerweile ihre Propaganda. Jugendschützer schlagen Alarm.

Von Verena Kemna |
    Mädchen tippen in Berlin auf ihren Handys.
    Dschihadisten verbreiten mit Apps für Kinder und Jugendliche ihre Propaganda. (imago stock&people)
    Es kracht und knallt, dazwischen Kinderstimmen. Was kindlich daher kommt, ist tödlicher Ernst. Patrick Falkenberger von jugendschutz.net hält sein Smartphone in der Hand, drückt auf eine App. Ein Kinderzimmer mit bunten Möbeln ist zu sehen. Patrick Falkenberger berührt mit dem Zeigefinger einen Luftballon, der mit dem Knall einer Kriegswaffe platzt. Auf einer anderen App, die die Terrororganisation Islamischer Staat in den vergangenen Monaten veröffentlicht hat, ist eine Stadt zu erkennen. Da weht die schwarze Fahne des IS vor einem hellblauen Himmel neben der Moschee, Schule und Krankenhaus sind abgebildet, auf einem Hügel steht ein Flugabwehrgeschütz zum Antippen.
    "Bei den Kinderapps ist es so, dass mit spielerischen Interaktionsmöglichkeiten, also kleinen Spielen für Kinder, unterschwellig und subtil die menschenverachtende Ideologie des 'IS' an die Jüngsten herangetragen wird."
    Alltägliches wie schlafen, beten, träumen, essen und trinken wird mit der Ideologie der Terrororganisation verknüpft. Da gibt es Gebete für die erfolgreiche Vernichtung des Feindes, auf einem animierten Markt werden nicht nur Obst und Gemüse, sondern auch Kalaschnikows verkauft. Der Kampfjet im Himmel lässt sich durch Antippen kinderleicht abschießen.
    Neben einem Bett steht ganz selbstverständlich eine Panzerfaust. Auch für's Lesen, Schreiben und Rechnen hat der IS erstmals in diesem Jahr professionelle Apps im Comic Stil entwickelt. Statt mit Äpfeln und Birnen zu rechnen, zählen die jüngsten hier Kriegswaffen.
    Bombe im Kinderzimmer finden
    Mit wenigen Klicks wird bunte Bildsprache mit bewaffnetem Kampf verknüpft. So können die Nutzer der Apps bestimmte Aufgaben erfüllen, etwa im Kinderzimmer eine Bombe finden, bevor sie explodiert.
    Subtil würden die Kinder so an die Ikonografie des IS herangeführt, erklärt Patrick Falkenberger.
    "Also wir müssen als Jugendschützer davon ausgehen, dass so etwas funktionieren kann. Also wenn wir sehen, dass hier die menschenverachtende Ideologie schon an Kinder herangeführt wird, ist das aus Jugendschutzgesichtspunkten, würden wir sagen, gefährlich."
    Nicht nur die Zahl der Apps, die für den militanten Dschihad werben, nimmt ständig zu. Auch über den Messenger Dienst Telegram, wird massiv dschihadistische Propaganda verbreitet. Gut zwei Drittel der deutschsprachigen Kanäle werben inzwischen für den Dschihad. Auffällig ist, dass die Zahl der Beiträge mit besonders drastischen Inhalten stetig zunimmt. Hinrichtungsvideos in denen Jugendliche zu Mördern werden, der Aufruf zum bewaffneten Kampf, die Werbung für Terrorgruppen, über Telegram lässt sich durch links leicht ein Massenpublikum erreichen. Die Telegram-Kanäle werden meist über Facebook-Profile beworben.
    "Man denkt sich nichts bei und tritt bei, dann wird im Verlaufe der Postings auf andere Kanäle verlinkt und dort sieht man dann radikalere Posts. Dort gibt es Aufrufe zum militanten Dschihad und man wird langsam an die Ideologie herangeführt."
    So wenden sich deutschsprachige Kanäle bei Telegram gezielt an Frauen und Mädchen. Mit romantischen Erzählungen wird dafür geworben in das neue "Kalifat" auszuwandern und einen Dschihadisten zu heiraten. Frauen seien dort "Königinnen" im Haus. Ihre Aufgabe sei es, Kinder zu "wahren Kämpfern" zu erziehen.
    Romantische Erzählungen vom "Kalifat"
    Auch der direkte Kontakt, ein Austausch von E-Mail-Adressen, ein privater Chat wird über Telegram Kanäle möglich. Bereits auf 51 islamistischen Telegram-Kanälen hat jugendschutz.net Verstöße gegen den Jugendmedienschutz dokumentiert. Doch der Dienst hat lediglich sechs Kanäle gelöscht. Jugendschutz.net, die Jugendschutzeinrichtung der Bundesländer, fordert ein konsequentes Löschen extremistischer Inhalte sowie klare Richtlinien, die Inhalte wie Gewaltdarstellungen und Hasspropaganda untersagen.
    "Verteufeln sollte man ihn nicht, aber der Betreiber sollte sicher stellen, dass es nicht zu einem sicheren Hafen für dschihadistische Propaganda wird. Es kann nicht im Sinne des Betreibers sein, dort offen Hinrichtungsvideos zu zeigen und zu Mord und Totschlag aufzurufen. Das kann nicht im Sinne des Betreibers sein, oder von uns allen."
    Vor allem der Messenger Dienst Telegram entzieht sich bisher erfolgreich allen Vorgaben des Jugendschutzes. Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung beklagt die fehlenden Nutzerbestimmungen.
    "Auf der anderen Seite spricht sich das in der Szene sofort rum und das wird genutzt für solche Inhalte und deshalb müssen wir Öffentlichkeit herstellen um Druck auf solche Angebote zu machen und das ist unverantwortlich, was da passiert. Da müssen politische Entscheidungsträger ran und möglicherweise solche Dienste generell untersagen, wenn sie Mindeststandards, wie wir in unserer Gesellschaft zusammen leben wollen, nicht erfüllen."