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IS-Rückkehrer
Hilfe zur De-Radikalisierung

Knapp 1.000 Mitglieder der Terrormiliz "Islamischer Staat" oder ihre Angehörigen warten in der Türkei darauf, in ihre Heimatländer abgeschoben zu werden. Unter ihnen sind auch Deutsche. Der Berliner Verein „Violence Prevention Network“ kümmert sich um die Rückkehrer - eine nicht ganz ungefährliche Aufgabe.

Von Claudia van Laak |
Al-Hol-Lager in Syrien, hier sind Angehörige von IS-Kämpfern inhaftiert, 7.9.2019
Die Sicherheitsbehörden müssen dafür sorgen, dass die IS-Rückkehrer und ihre Angehörigen in Deutschland kein Risiko darstellen (AP / Maya Alleruzzo)
"Achtung Videoüberwachung" warnt das Schild vor einem Einfamilienhaus am Rande Berlins. Hier wohnt Thomas Mücke, der Gründer des Vereins "Violence Prevention Network". Seit fast 30 Jahren kümmern sich der Pädagoge und seine bundesweit 120 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter darum, Extremisten zu de-radikalisieren. Im Gefängnis und außerhalb. Rechtsextremisten und Dschihadisten.
"Wenn die Arbeit nicht passieren würde, dann wären diese Menschen verloren."
Die Arbeit ist nicht ungefährlich. Für diejenigen, die dem IS abschwören, sie könnten von Anhängern der Terrormiliz verfolgt werden. Und für die Pädagogen, deshalb Videoüberwachung und besonders präparierte Handys. Wenn Thomas Mücke abends im Fernsehen erklärt, warum zurückgekehrte IS-Kämpfer in die Gesellschaft integriert werden müssen, dann nimmt er anschließend statt der S-Bahn lieber das Taxi nach Hause. Denn das ruft die Wutbürger auf den Plan.
"Diese Menschen sind hier geboren, sind hier aufgewachsen zum größten Teil, sind in unserer Gesellschaft groß geworden, für diese Menschen haben wir die Verantwortung, nicht andere. Wir können dieses Problem nicht outsourcen, wir haben Terrorismus mit exportiert."
Jeder Fall ist anders
Thomas Mücke setzt sich besonders für die im syrischen Kampfgebiet geborenen Kinder von deutschen Dschihadisten ein. Die meisten seien krank, traumatisiert, unterernährt, diese Opfer des IS müssten so schnell wie möglich nach Deutschland geholt werden. Die männlichen Rückkehrer seien zunächst ein Fall für die Sicherheitsbehörden, ihren Erzählungen misstraut er.
"Da erzählt jeder, er sei Hausmeister gewesen, hat Mauerwände geputzt, hat die Toilette saubergemacht, aber keiner war mit den Taten des Systems verbunden gewesen."
Thomas Mücke ist das markante Gesicht von "Violence Prevention Network" – groß und hager, der Kopf kahlgeschoren. Die Berater wollen lieber anonym bleiben. Da ist die 31-jährige Wirtschaftsinformatikerin und Islamwissenschaftlerin, die sich zuvor in einer Moscheegemeinde um Jugendliche gekümmert hatte. Sie begleitet radikalisierte muslimische Frauen, die ihr Leben ändern wollen.
"Man versucht gemeinsam zu verstehen, wie man zu diesem Punkt gekommen ist, auszureisen. Oder wie eine Radikalisierung stattgefunden hat. Das hat oft einen großen Effekt auf die Klientin."
Jeder Fall ist anders, sagen die Pädagoginnen und Pädagogen. Da ist der junge Mann, der wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Gefängnis sitzt und sich von der Zusammenarbeit mit "Violence Prevention Network" Hilfe für das Leben in Freiheit erhofft. Und da ist die junge Frau, die mit ihren Kindern freiwillig aus dem syrischen Kampfgebiet zurückgekehrt ist und der IS-Ideologie abgeschworen hat. Ihre Eltern unterstützen sie, das macht es einfacher.
"Wir entwickeln gemeinsam so eine Art Stabilisierungsplan, damit sie nicht rückfällig werden. Der Auftrag kommt meistens von der Klientin an uns. Ich brauche einen Ausbildungsplatz, ich brauche einen Job, wie kann man unterstützen."
Eine Erfolgsgarantie kann der Pädagoge nicht abgeben
Im Kreuzberger Büro der De-Radikalisierungsinitiative hat inzwischen ein Aussteiger seinen Gebetsteppich ausgerollt. Zwischen Ikea-Regal und Bürodrehstuhl geht er auf die Knie, neigt seinen Kopf zum Gebet. Mit Journalisten sollen sie nicht reden, davon raten die Pädagogen ab. Mühsam aufgebautes Vertrauen zu einem neuen Arbeitgeber, einem Vermieter könnte so schnell zerstört werden.
Der Verein "Violence Prevention Network" ist vorbereitet auf IS-Kämpfer, auf Frauen und Kinder, die in den nächsten Monaten oder Jahren freiwillig zurückkehren oder nach Deutschland abgeschoben werden. Was würde passieren, wenn nicht der Versuch unternommen würde, sie zu de-radikalisieren? Thomas Mücke:
"Dann wären sie mit Abstand ein größeres Sicherheits-Risiko, und die finanziellen Mittel, die die Gesellschaft aufbringen müsste, um diese Gruppe zu kontrollieren, auf dem Radar zu haben, die sind deutlich höher, als dass man sie pädagogisch begleitet."
Eine Erfolgsgarantie kann Thomas Mücke nicht abgeben. Nach 30 Jahren De-Radikalisierungsarbeit vertraut er allerdings seiner Intuition. Wann ist die pädagogische Arbeit vergeblich? Bei Tätern mit dem kalten Blick, sagt er.