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Isabell Šuba
Identitätstausch, Filmindustrie und Geschlechterdebatte

    "Das hat mich damals so wütend gemacht und auch traurig, weil ich mir halt gedacht habe, als junge Filmemacherin, was habe ich denn für eine Chance als Frau in dem Business zu überleben oder Geld zu verdienen. Daraufhin wurde dann ganz schnell die Idee geboren, dass wir jetzt nicht nach Cannes fliegen und Party machen, sondern dass wir was Neues entwickeln."
    Die Idee ist ungewöhnlich: Für die Dauer der Filmfestspiele leiht die Regisseurin Isabell Šuba ihre Identität der Schauspielerin Anne Haug. Die hält an ihrer Stelle Dankesreden, gibt Interviews und macht Werbung für einen angeblichen neuen Film. Die echte Isabell Šuba akkreditiert sich als Filmstudentin unter anderem Namen - und ist mit der Kamera immer dabei. Die Dreharbeiten beginnen noch am Flughafen.
    (Telefonklingeln) "Ja, Hallo? Ach, unter der Dusche. Schön, dann bist du also nicht am Flughafen? Weil ich gerade angekommen bin. Aber ich hab es auch nicht erwartet ehrlich gesagt. Ich habe eigentlich fast damit gerechnet, dass du nicht da bist. ... Ich weiß, dass wir gleich einen Termin haben. Ich bin nicht völlig bescheuert. Ich hab es im Kopf. Gut, bis gleich."
    Klischee einer Jung-Regisseurin
    Aufgefallen ist der Schwindel niemandem. Dabei hat die Film-Isabell Šuba nur wenig mit der echten Regisseurin gemein. Sondern sie ist das Klischee einer ehrgeizigen Jung-Regisseurin, die den hohen Ansprüchen an sich selbst nicht gerecht wird:
    "Anne und ich wollten eine Filmfigur erzählen, die es so noch nicht gab. Sie sollte nicht magersüchtig sein. Sie sollte nicht mit einer Schwangerschaft zu tun haben oder einer Abtreibung. Sie sollte eben nicht an irgendeinem Mann scheitern oder an einer unerfüllten Liebe, sondern wirklich an sich selbst."
    Dabei kommt sie meistens ziemlich unsympathisch rüber. Aber auch das ist gewollt:
    "Das finde ich wirklich ein spannendes Experiment. Weil wenn das ein Mann wäre, dann würde man das ganz anders bewerten. Fände das grundsätzlich lustiger und auch normaler. Und da kommt eben genau dieses spannende Thema, wenn ein Mann laut ist und sich durchsetzt, dann ist das attraktiv und charakterstark, aber wenn eine Frau so ist, dann ist es eben nervig und und zickig."
    Den Gegenpart gibt der Produzent David Wendtlandt. Der wird dargestellt von Schauspieler Matthias Weidenhöfer. David Wendtlandt steht exemplarisch für eine von Männern dominierte Filmbranche, in der noch immer die Regel gilt: Je höher das Budget, desto seltener führt eine Frau Regie. Dabei ist das Geschlechterverhältnis an den Filmhochschulen längst ausgeglichen. Dieses Problem wird im Film auf verschiedene Weise thematisiert.
    "Ich würde das an deiner Stelle als Buddy-Movie verkaufen. - Aber warum? Das ist so ein Männer-Wort. - Ja, vielleicht auch ein bisschen deswegen. - Aber es ist kein Buddy-Movie. - Doch, irgendwie ist es ein Buddy-Movie. - Nee, das weißt du doch gar nicht. Können wir nicht Western Komödie sagen? - Ja. - Ich frag gar nicht. Wir sagen Western Komödie. - Kennst Du eine Western Komödie? - Jetzt stress mich nicht. Ich sage, wie es heißt. - Kennst Du eine Western Komödie? - Nee, fällt mir jetzt gerade keine ein. - So."
    In einer anderen Szene beschimpfen sich Isabell und David mitten in einem Interview aufs Heftigste. Die Stärke liegt darin, dass die Journalistin nicht weiß, dass sie es hier mit einer Filmfigur zu tun hat und nicht mit der echten Isabell Šuba. Die wiederum hat Anne Haug nur zu gerne dabei zugesehen, wie sie sich immer wieder gegen Vorurteile zur Wehr setzt. Gleichzeitig waren solche Momente aber auch eine echte Herausforderung:
    "Ich habe natürlich ein bisschen gezittert, wenn sie mit Arbeitspartnern gesprochen hat, die ich auch für mein reales Leben spannend finde. Natürlich war das ein zweischneidiges Schwert. Aber da ich ja im Auftrag eines neuen Films unterwegs war, wusste ich, ich muss das jetzt einfach durchziehen."
    Beitrag zur Geschlechterdebatte
    Man muss ihr und den anderen Beteiligten für diesen Mut dankbar sein. Schließlich hätte das Experiment auch scheitern können. Letztlich hat sich der Einsatz aber auf besondere Weise ausgezahlt: Im Rahmen einer Crowdfunding-Kampagne zur Finanzierung des Films hat Isabell Šuba viel Zuspruch gerade von Männern erfahren:
    "Das war eigentlich für mich mit die schönste Erfahrung, dass ich dann gerade über dieses Projekt, in dem die Filmfigur ständig zu beanstanden hat, dass was nicht stimmt, sind genau die Männer auch auf mich zugekommen, die da gleich ziehen. Das war natürlich ein absolutes Geschenk."
    In diesem Sinne ist "Männer zeigen Filme und Frauen ihre Brüste" schon jetzt ein wichtiger Beitrag zur andauernden Gleichberechtigungsdebatte. Auch weil er selber das beste Beispiel dafür ist, was entstehen kann, wenn Frauen die Initiative ergreifen. Bleibt ein einziger Wermutstropfen:
    "Wir haben den Film letztes Jahr nach Cannes eingereicht in beiden Kategorien für Nachwuchs- und aber auch für etwas speziellere Filme. In beiden Kategorien wurden wir abgelehnt. Was ich wirklich eine extreme Ansage finde. So wenig Lust, auch mal über sich selbst zu lachen und einem Nachwuchstalent eine Chance zu geben, finde ich bedenklich. Aber man muss in dem Bereich immer wieder damit leben, dass man abgelehnt wird, und dann muss man trotzdem weiter machen."