Ralf Krauter: Wir haben ja schon mehrfach darüber berichtet, wie die ISDN-Abschaltung Kunden der Deutschen Telekom vor ziemliche Probleme stellt. Denn mit der Umschaltung des gesamten Kommunikationsnetzes auf das Internet-Protokoll bleibt einigen Kunden im ländlichen Raum nur noch die reine Telefonie. In Sachen Internet geht dann nichts mehr. Die verfügbaren Bandbreiten reichen einfach nicht aus. Doch jetzt tut sich etwas im Deutschen Bundestag in Sachen ISDN-Abschaltung. Peter Welchering, ist eine Lösung der Probleme für die ISDN-Kunden, denen die Abschaltung droht, in Sicht?
Peter Welchering: Das hängt davon ab, wie schnell der Gesetzgeber ist. Immerhin denken einige Abgeordnete verschärft über eine Änderung des Telekommunikationsgesetzes TKG nach. Denn im Paragrafen 78 des TKG ist ja geregelt, dass alle Endnutzer ein Recht auf ein Mindestangebot, die sogenannte Universaldienstleistungen haben. Und dazu gehört auch, das steht so im Gesetz, ein funktionaler Internetzugang, und zwar unabhängig von ihrem Wohn- oder Geschäftsort. Also genau das, was den bisherigen ISDN-Kunden im ländlichen Raum nach der ISDN-Abschaltung und Umstellung auf IP fehlen wird: ein funktionaler Internetzugang, und der ist versprochen.
Ungenauer Gesetzestext
Krauter: Wenn dieser Internetzugang doch schon im Gesetz steht, warum wird denn dann im Bundestag über eine Änderung des Telekommunikationsgesetzes nachgedacht?
Welchering: Weil der Gesetzestext zu ungenau ist. Denn was ein funktionaler Internetzugang ist, das steht eben nicht im TKG. Und das müsste reingeschrieben werden. Nach Paragraf 80 gibt es eine Verpflichtung der Telekommunikationsunternehmen, Universaldienste anzubieten. Das ist der Hebel, mit dem die Deutsche Telekom AG gezwungen werden könnte, ihren Kunden nach der ISDN-Abschaltung eben auch funktionierendes Internet anzubieten. Denn das tut sie bisher nicht. Ins Rollen gekommen ist die politische Debatte, weil Katharina Dröge, die Parlamentarische Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion Bündnis90/Die Grünen, eine schriftliche Frage an die Bundesregierung stellte, und zwar gleich nach unserem Beitrag hier im Dlf über die Lage im Schwarzwald und in Ostfriesland. Da wollte Frau Dröge von der Bundesregierung wissen, wie viele Haushalte denn ihren Zugang zum Internet verloren haben, nachdem die Deutsche Telekom AG im ländlichen Raum ISDN-Netze abgeschaltet hat. Und Bündnis90/Die Grünen wollten wissen, was die Bundesregierung denn tut, damit diese Menschen wieder einen funktionierenden Internetanschluss bekommen. Und durch die etwas ausweichende Antwort der Bundesregierung hat diese Debatte dann politischen Schub gekriegt.
Bundesregierung will keinen Einfluss nehmen
Krauter: Was hat die Bundesregierung denn geantwortet?
Welchering: Die Bundesregierung weiß nicht, wie viele Haushalte keinen Internetzugang mehr wegen der ISDN-Abschaltung haben. Und Ulrich Nußbaum, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, hat darauf hingewiesen, dass Telekommunikationsprodukte, wie zum Beispiel ein ISDN-Anschluss oder ein Anschluss auf IP-Basis, der aber aufgrund der Bandbreite nur noch reine Telefonie zulässt, dass solche Produkte allein dem Produktgestaltungsrecht des Unternehmens unterliegen. Mit anderen Worten: Die Bundesregierung und auch die zuständige Bundesnetzagentur können und wollen da keinen Einfluss nehmen. Und einen naheliegenden Einwand, der sich aus der schriftlichen Frage der Abgeordneten Katharina Dröge sofort ergibt, hat der Staatssekretär dann gleich vorweggenommen. Er spricht nämlich den Anspruch auf Grundversorgung an, der ja im Telekommunikationsgesetz steht und schreibt: 'Hinsichtlich der Mindestdatenraten eines funktionalen Internetzugangs hat der Gesetzgeber im TKG keine Festlegung getroffen'. Und da geht die Diskussion nun weiter.
Definieren, was ein funktionaler Internetanschluss ist
Krauter: Gibt es denn da einen Konsens, wie solche Mindestvoraussetzungen für einen funktionalen Internetanschluss aussehen sollten?
Welchering: Es gibt einen Konsens, dass es wenig sinnvoll wäre, Mindestdatenraten in das TKG reinzuschrieben. Denn Mindestdatenraten veralten ja ziemlich rasch. Vor drei Jahren etwa galt ein 1 MBit-Anschluss noch als Breitbandanschluss in der Politik. Stattdessen sollen Funktionen definiert werden, wie zum Beispiel Videos abspielen, Fotos marktgängiger Smartphones und Kameras müssen ohne Time-out versandt werden können. Also da hätte man dann auch tatsächlich auch sehr viele Produktgestaltungsmöglichkeiten, die dann eben der Telekommunikations-Provider hat. Aber der Gesetzgeber muss dann definieren, was ein funktionaler Internetanschluss ist. Die Debatte darüber ist durch die ISDN-Abschaltung jetzt eben zur politischen Debatte geworden. Es muss geklärt werden, welche Internetdienste wir heute für so wichtig halten, dass ohne sie gesellschaftliche Teilhabe unmöglich wird. Eine Antwort auf diese Frage kann nur interdisziplinär erfolgen. Also da reicht es nicht mehr, wenn nur die Techniker beziehungsweise Telekommunikationsexperten eine Antwort geben, da müssen Sozialwissenschaftler ran und Ökonomen. Informatiker und Ethiker müssen da gemeinsam beraten und der Politik dann auch eine Empfehlung geben.