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Isenheimer Altar
Himmlische Heere

Das Museum Unterlinden in Colmar zeigt den "Isenheimer Altar" von Matthias Grünewald mit Werken von Martin Schongauer derzeit in einer nahe gelegenen Dominikanerkirche. Die Inszenierung ist insgesamt geglückt, ideal ist sie jedoch nicht.

Von Christian Gampert |
    Blick auf Tafeln des "Isenheimer Altars", Gemälde der Kreuzigung Jesu im Altarraum einer Kirche
    Tafeln des "Isenheimer Altars" an ihrem ursprünglichen Ausstellungsort im Musée Unterlinden in Colmar (dpa/picture alliance/Udo Bernhart)
    Das Zentralbild des Isenheimer Altars von Matthias Grünewald ist wahrscheinlich die brutalste Darstellung der Kreuzigung, die die Kunstgeschichte kennt: Dort hängt eine von Wunden und Widerhaken übersäte, ausgemergelte, geschundene, gekrümmte Gestalt in pechschwarzer Nacht, die Hände mehr spastisch als flehend gen Himmel gereckt. Das Beeindruckendste dieses Tafelbilds ist die trostlose, endgültige Dunkelheit, die den Gekreuzigten umgibt; die trauernden Gestalten seitlich mit der ohnmächtigen Maria und dem belehrenden Johannes sind dramaturgische und kompositorische Zugaben.
    Der Altar, der normalerweise im Musée Unterlinden in Colmar zu sehen ist, musste nun umziehen. Das im ehemaligen Dominikanerkloster beheimatete Musée Unterlinden ist eine Baustelle: Die Klosterkapelle, in der das Grünewald-Hauptwerk normalerweise zu sehen ist, wird renoviert und ist bereits eingerüstet. Das Basler Architekturbüro Herzog und de Meuron hat eine grundlegende Erweiterung des Museums in Angriff genommen: Auf der anderen Seite des Unterlinden-Platzes entsteht ein neuer Museumsflügel für die Moderne, das Gebäude der ehemaligen, im Stil des Art nouveau gehaltenen städtischen Hallenbäder wird mit einbezogen, eine unterirdische Tranche verbindet beide Museums-Filialen. Die Lebensader Colmars, jedenfalls der zentrale, an die Altstadt grenzende Unterlinden-Platz, wird dadurch entscheidend umgestaltet.
    Einschüchternder Kirchenbau
    Bis April 2015 wird das Hauptwerk des Museums, eben der Isenheimer Altar, nun in der nahe gelegenen Dominikanerkirche ausgestellt, und auf den ersten Blick macht diese Konzeption natürlich Sinn: In der Kirche ist mit Martin Schongauers "Madonna im Rosenhag" ein weiteres wichtiges Werk der Spätgotik beheimatet, ein Bild übrigens, das 1972 in Colmar gestohlen und ein Jahr später in Lyon wieder aufgefunden wurde. Seitdem steht es, versehen mit einem neugotischen Rahmen, altarähnlich am Eingang des Chors der Dominikanerkirche.
    Die Realität dieser neuen Präsentation ist dann ein wenig prosaisch: Bevor man die Kirche betritt, kämpft man sich durch einen umtriebigen, mit Würstelbuden und Karussells bestückten Weihnachtsmarkt und steht dann in einem eiskalten, mit seinen 30 Meter hohen sakralen Hallen mehr als einschüchternden Kirchenbau. Der große Grünewald-Altar aber ist ursprünglich für die kleine Klosterkirche der Antoniter gemalt, ein Bettelorden, der sich in Isenheim der Krankenpflege widmete. Auch die Darbietung in der intimen Kapelle des Unterlinden-Museums war eher zurückhaltend. Hier nun dominiert die Halle. Im Museum waren die auf- und zuklappbaren sogenannten Wandelbilder des Altars, die nicht nur Kreuzigung, sondern auch Verkündigung, Geburt Christi mit konzertierenden Engeln und Auferstehung zeigen, hintereinander geschaltet, sodass man sich die Dramaturgie im Kirchenjahr klarmachen konnte. Hier, in der Dominikanerkirche, müssen die einzelnen Schau- und Rückseiten des Altars - aus räumlichen Gründen - nun quasi im Kreis präsentiert werden; die Versuchung des heiligen Antonius ist seitlich angeordnet, und auch der skulpturale, von Nikolaus von Haguenau geschnitzte hinterste Teil des Altars mit seinen Heiligenfiguren ist als Extra-Werk auf die Seite gestellt.
    Geglückte Inszenierung
    Natürlich ist das besser, als die Werke während des Museums-Umbaus gar nicht zu zeigen; ideal ist es nicht. Ergänzend werden von Martin Schongauer die ebenfalls für Isenheim entstandenen Figuren des Orlier- beziehungsweise Orliaco-Altars gezeigt. Und Schongauer, im Museum vor allem als Kupferstecher präsent, bekommt noch einen zweiten Parcours: Im hintersten Teil des Chors ist seine plastische, irgendwie popbunte Passion zu sehen. Das wiederum ist eine mehr als geglückte Inszenierung: Diese Bilder kehren hier an den Ort zurück, für den sie geschaffen wurden, in die Dominikanerkirche. Auch im Museum Unterlinden hingen sie neben dem Isenheimer Altar, in dessen Kreuzigung man sich auch zu Weihnachten gern versenken mag.