"Der Ramadan ist ein wichtiges Identitätsmerkmal, das vielleicht vor 30 Jahren nicht so wichtig war", sagte Bauer. Eine Abgrenzung gegenüber der restlichen Gesellschaft bedeute dies aber nicht: "Wenn man zu seinem So-Sein stehen kann, kann man dem Anderen auch eher gleichberechtigt entgegentreten." Das Fasten solle der Besinnung dienen, was dem Islamwissenschaftler zufolge früher in größerem Maße der Fall war. Abends seien oft der Koran oder Lobverse über den Propheten Mohammed rezitiert worden - heute werde ferngesehen.
Diesen Rückgang an Spiritualität erlebe man aber in allen Religionen, verbunden mit der Beschränkung auf einfachere Erlaubt-Verboten-Regeln. "Die Spiritualität weicht der Oberflächlichkeit", so Bauer. Dabei gebe es im Islam traditionell viele Regeln, die Kompromisse erlaubten: Stillende, Kranke oder Reisende etwa müssten nicht fasten. "Da war man früher konzilianter als heute." Doch die veränderte Arbeitswelt mache neue Ausnahmen erforderlich: "Wer am Hochofen steht, kann nicht den ganzen Tag nichts trinken."
Der wichtigste Unterschied zwischen Islam und christlichem Fasten sei die andere Zeiteinteilung der Muslime: Im Ramadan darf von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang keine Nahrung konsumiert werden. "Im Sommer ist das sehr lang und dadurch auch körperlich anstrengend", so Bauer. Doch auch hier gebe es Muslime, die sich im Sommer an die Zeiten von Mekka hielten. Die Meinungen gingen auseinander, wo und ab wann dies zulässig sei, erklärte Bauer und nannte als Beispiel Menschen, die jenseits des Polarkreises lebten. Wo die Sonne im Sommer ein halbes Jahr lang gar nicht untergehe, müssten beim Fasten zwangsläufig die Tageszeiten von Mekka befolgt werden.
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