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Islam in Deutschland
"Muslimfeindlichkeit ist Menschenfeindlichkeit"

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat vor wenigen Tagen einen Unabhängigen Expertenrat Muslimfeindlichkeit berufen. Yasemin el-Menouar von der Bertelsmann-Stiftung gehört dem Gremium an. "Der Islam wird gar nicht mehr als Religion wahrgenommen, sondern als politische Ideologie", sagte sie im DLF.

Yasemin El-Menouar im Gespräch mit Monika Dittrich |
Yasemin El-Menouar (Bertelsmann Stiftung) nimmt am 15.01.2017 im Islamischen Zentrum in Hamburg an einer Konferenz der SCHURA, Rat der Islamischen Gemeinschaften Hamburg, teil.
Yasemin El-Menouar ist Mitglied im neuen Expertengremiums Muslimfeindlichkeit (Picture Alliance / dpa / Bodo Marks)
Jeder zweite Deutsche findet: Der Islam ist eine Bedrohung. In Ostdeutschland stimmen sogar 57 Prozent der Menschen dieser Aussage zu. Das ist das Ergebnis einer Studie der Bertelsmann-Stiftung aus dem vergangenen Jahr, doch seither zeigen auch neuere Umfragen immer wieder: Viele Menschen in Deutschland haben Vorbehalte gegen den Islam und gegen Muslime.
Das zeigt sich auch in zahlreichen diskriminierenden Übergriffen auf Muslime, die der Verfassungsschutz in seinem jüngsten Bericht dokumentiert hat. Fachleute appellieren schon seit Längerem an Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), etwas gegen zunehmende Islamfeindlichkeit zu tun. Im März dieses Jahres kündigte Seehofer nun ein sogenanntes "Unabhängiges Expertengremium Muslimfeindlichkeit" an – es war wohl auch eine Reaktion auf den mutmaßlich rassistischen motivierten Anschlag in Hanau mit zehn Todesopfern. Nun wurden die zwölf Mitglieder des Gremiums berufen: eine von ihnen ist Yasemin el-Menouar, Religionsexpertin bei der Bertelsmann-Stiftung.
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Monika Dittrich: Frau El-Menouar, was genau ist Muslimfeindlichkeit?
Yasemin El-Menouar: Ja, Muslimfeindlichkeit ist im Prinzip eine Form der Menschenfeindlichkeit. Also, es kann reichen von einer pauschalen Ablehnung über eine Feindseligkeit bis hin zu Gewalt gegenüber Menschen, die entweder tatsächlich muslimischen Glaubens sind, es trifft aber tatsächlich sehr häufig auch Menschen, die gar nicht muslimisch sind, sondern vielleicht südländisch aussehen oder einen Namen haben, der aus dem türkischen oder arabischen Raum kommt. Besonders hart trifft es aber natürlich Menschen, die religiöse Symbole tragen, und vor allen Dingen auch Frauen mit Kopftuch.
Monika Dittrich: Sonst ist häufig von Islamfeindlichkeit die Rede – würden Sie diese beiden Begriffe voneinander trennen?
El-Menouar: Ja, natürlich, das muss man schon voneinander unterscheiden. Islamfeindlichkeit bedeutet ja eine Ablehnung der Religion des Islam. Und Muslimfeindlichkeit betrifft ja eher die Menschen, also Muslime, die abgelehnt werden. Und natürlich sind beide Phänomene miteinander verknüpft, weil nämlich über eine Islamfeinschaft auch eine Ablehnung von Muslimen zu begründen ist.

"13 Prozent der Bevölkerung sind als islamfeindlich einzustufen"

Dittrich: Und wie würden Sie die Stimmung in der deutschen Gesellschaft gegenüber Muslimen derzeit beschreiben?
El-Menouar: Wir beobachten ja schon seit Längerem eine tiefe Skepsis gegenüber Muslimen in der breiten Bevölkerung. Sie haben ja auch gerade schon die Ergebnisse des letzten Religionsmonitors der Bertelsmann-Stiftung berichtet – jeder Zweite nimmt den Islam als Bedrohung wahr. Und das ist nicht seit Neuestem so, sondern das ist eine Situation, die wir mittlerweile schon seit zehn Jahren haben. Das heißt, das Negativbild des Islam hat sich mittlerweile festgesetzt.
Aber dennoch ist es total wichtig, wie ich finde, zwischen einer Skepsis, die sich in dieser Zahl ausdrückt, und einer tatsächlichen Feindschaft zu unterscheiden. Wenn man sich das Phänomen Feindschaft anschaut, also Muslimfeindlichkeit, da können wir ungefähr sagen, dass 13 Prozent der Bevölkerung als islamfeindlich einzustufen ist, die beispielsweise fordern, dass die Zuwanderung von Muslimen verboten werden sollte.

"Der Islam wird gar nicht mehr als Religion wahrgenommen"

Dittrich: Und was denken Sie sind die Ursachen für die wachsende Skepsis und auch die Furcht vor dem Islam und vielleicht auch vor den Muslimen?
El-Menouar: Na, erst mal ist ja eine Islam-Skepsis erst einmal ausdruckt von Angst und Verunsicherung, die wir ja auch lange Zeit tatsächlich geschürt haben durch einseitige Medienberichterstattungen, die lange Zeit sich auf Probleme fokussiert haben. Natürlich nicht bewusst, sondern es waren auch Themen, über die berichtet werden musste.
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Auch unter Jugendlichen ist ein negatives Islambild verbreitet, sagt eine neue Studie. Für viele Befragte stehe der Islam für die Unterdrückung der Frau, sagte Studienleiterin Lamya Kaddor im Dlf.
Die Medien haben das Thema Islam vor allem vor dem Hintergrund des religiösen Extremismus aufgegriffen, vor allem vor dem Hintergrund von Menschenrechtsverletzungen in muslimisch geprägten Ländern oder vor dem Hintergrund von Terrorereignissen. Und das hat sich auch auf das Bild der hier lebenden Muslime sehr stark abgefärbt, obwohl das wenig mit der Lebensrealität zu tun hat. Und wenn das persönliche Korrektiv fehlt, also wenn beispielsweise keine persönlichen Kontakte zu Muslimen vorhanden sind, dann kann sich so ein Bild natürlich auch hartnäckig halten.
Dittrich: Das heißt, bei dieser Skepsis geht es vielleicht eher um einen politischen Islam und weniger um die Religion?
El-Menouar: Ich denke, das ist die Grundproblematik, dass der Islam gar nicht mehr als Religion wahrgenommen wird, sondern vor allen Dingen als politische Ideologie. Ich glaube, zu unterscheiden zwischen dem Islam als Religion und der politischen Ideologie fällt vielen Menschen schwer, sodass, wenn sie bestimmte Symbole sehen, sie gleich diese Extremformen, die es eben auch gibt im Islam wie in jeder anderen Religion auch, die aber eigentlich eine sehr kleine Minderheit darstellen und momentan leider das Bild der Mehrheit der Muslime hierzulande dominieren.

"Muslimfeindliche Menschen sind häufig antidemokratisch eingestellt"

Dittrich: Nun soll das Expertengremium, zu dem Sie gehören, im Herbst die Arbeit aufnehmen und nach zwei Jahren einen Bericht vorlegen. Was konkret kann ein solches Gremium überhaupt bewirken?
El-Menouar: Ja, also im Grunde ist das ein Gremium, das aus zwölf Expertinnen und Experten besteht, die aus ganz unterschiedlichen Bereichen kommen, aus Praxis und Wissenschaft, und somit aus ganz verschiedenen Perspektiven auf das Thema schauen können.
Ein Anhänger des islamkritischen Pegida-Bündnisses hält während einer Kundgebung ein Schild mit der Aufschrift "gib Islam keine chance".
Islamfeindlichkeit geht häufig mit Rechtsextremismus einher (dpa-Bildfunk / Sebastian Kahnert)
Und da wird es zunächst einmal darum gehen, in dieser gebündelten Expertise sozusagen, die hier zusammenkommt, das Phänomen Muslimfeindschaft genauer zu verstehen – und vor allen Dingen auch zu verstehen, wie das mit anderen Formen der Menschenfeindlichkeit verknüpft ist. Das haben wir beispielsweise auch im letzten Religionsmonitor gesehen, dass muslimfeindliche Menschen häufig auch antisemitisch eingestellt sind, häufig auch antidemokratisch eingestellt sind.
Und im zweiten Schritt wird es dann darum gehen, auch aus diesen Erkenntnissen Strategien abzuleiten, zu erarbeiten zur Prävention und auch zur Bekämpfung von Muslimfeindlichkeit.

Zunächst muss das Phänomen verstanden werden

Dittrich: Und es gibt ja auch schon ähnliche Gremien, etwa zu den Themen Antisemitismus und Antiziganismus, Sie haben das gerade angesprochen. Können Sie von den Erfahrungen dieser Kreise profitieren?
El-Menouar: Ja, da können wir sicher profitieren. Und der unabhängige Expertenkreis Muslimfeindlichkeit orientiert sich auch an diesen Gremien und ist auch explizit als ein Vorschlag aus dem Abschlussbericht des unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus hervorgegangen, weil schon zu diesem Zeitpunkt die Schnittmengen zwischen den unterschiedlichen Formen der Menschenfeindlichkeit erkannt wurden, dass es hier Verknüpfungen gibt. Und alle drei Gremien greifen somit nicht nur ähnliche Phänomene auf, sondern untersuchen vor allen Dingen auch die Schnittmengen untereinander, was natürlich auch für die Prävention letztendlich entscheidend ist.
Dittrich: Welche Schnittmengen – oder welche Parallelen – sind das denn?
El-Menouar: Also, die Parallelen sind, dass die Ablehnung einer Gruppe meistens nicht als Einzelphänomen vorkommt. Häufig ist es so, dass, wenn man eine Gruppe ablehnt, dann werden auch andere Gruppen abgelehnt, also dass Muslimfeinde häufig auch antisemitisch eingestellt sind, und auch häufig gegen Menschen aus anderen Ländern sind, diese Zusammenhänge und Verknüpfungen wollen wir besser verstehen, um dem auch entsprechend entgegenwirken zu können.

"Kontakt ist ein Schlüssel, um Vorbehalte abzubauen"

Dittrich: Sie haben eben gesagt, in einem zweiten Schritt geht es um konkrete Strategien – können Sie mal ein Beispiel geben, welche Interventions- oder Präventionsmöglichkeiten Sie sehen?
El-Menouar: Ja, ich will hier natürlich nicht den Ergebnissen des Expertenkreises vorgreifen, aber natürlich gibt es hier auch schon eine Reihe von erfolgreichen Initiativen und Erfahrungen, insbesondere auch aus dem Bereich der Zivilgesellschaft. Und da zeigt sich, wie auch in vielen Studien, dass immer wieder Kontakt eigentlich ein Schlüssel ist, um gegenseitige Vorbehalte abzubauen. Wenn ich merke, dass der andere, auch wenn er eine andere Religion hat oder eine andere Herkunft hat, ähnlich tickt wie ich, ähnliche Wünsche und Ängste hat, dann kann ich auch schneller Vorbehalte über Bord werfen.
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Seit Wochen wird mit harten Bandagen gekämpft. Wissenschaftler, liberale Muslime und Islamkritiker fühlen sich denunziert – und zwar in einem "Islamophobie-Report", gefördert von Brüssel.
Das ist natürlich jetzt zu Corona-Zeiten nicht ganz so einfach, da Dialogformate zu entwickeln. Aber da gibt es auch viele kreative Möglichkeiten, beispielsweise wenn das auch von Film und Fernsehen aufgegriffen wird. Ein ganz schönes Beispiel ist zum Beispiel die Serie "Rami", die von einem jungen Muslim handelt, der eben nicht die Klischees bedient, wie wir das ja häufig haben in Serien oder Filmen, wo Muslime häufig als Terroristen oder als problematische Personen dargestellt werden, sondern als ein junger Mann, der mit ähnlichen Problemen und Herausforderungen konfrontiert ist wie jeder andere auch. Und das zeigt, dass muslimische Religiosität im Prinzip keinen Widerspruch darstellen muss zum westlichen Lebensstil, was ja auch häufig unterstellt wird. Und so kann man eben auch Vorbehalte abbauen.
Dittrich: Fachleute hatten die Einsetzung eines solchen Gremiums schon seit Langem gefordert. Hat der Innenminister das Thema bislang unterschätzt?
El-Menouar: Ich meine, wir hatten lange Zeit auch keine Zahlen. Also dass wir jetzt islamfeindliche Straftaten wirklich als solche auch gesondert erfassen, ist ja auch relativ neu. Und deswegen hat das sicherlich auch etwas länger gedauert. Und man muss ja auch sagen, dass auch in letzter Zeit das Ausmaß auch zugenommen hat. Und deswegen, das ist natürlich immer ein Prozess.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.