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Islam in Frankreich
Organisiert euch!

Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron vermisst eine Institution, von der sich die Mehrheit der muslimischen Franzosen vertreten fühlt. Es gibt zwar einen Nationalrat der Muslime, doch der ist nicht allgemein bekannt. Jetzt wird die Basis gefragt, doch die ist skeptisch.

Suzanne Krause |
    Imame beten am 08.07.2017 vor einem Bus mit der Aufschrift _Marsch der Muslime gegen den Terrorismus_ auf dem Prachtboulevard Champs-Élysées in Paris
    Imame setzten im August 2017 in Paris ein Zeichen gegen Gewalt und Terror. (dpa / Sebastian Kunigkeit)
    Mit einigen Stichworten hat Emmanuel Macron skizziert, was er sich von einer Strukturierung des Islam in Frankreich erhofft: einen festen Ansprechpartner für den Staat, also eine Institution, von der sich eine Mehrheit der Muslime im Land würdig vertreten fühle. Eine Imam-Ausbildung, bei der die Werte der französischen Republik hochgehalten werden. Transparente Verhältnisse bei den Kultus-Finanzen. Bei einem Fernsehinterview im Frühjahr stellte Emmanuel Macron klar:
    "Ich will, dass die ausländische Finanzierung von Moscheen organisiert, vom Staat überwacht und transparent wird. Ich will nicht mehr, dass Moscheen aufmachen, bei denen man keinen Einblick in die Finanzen hat. Ich will nicht mehr, dass Pilgerspenden in teils dubiose Projekte gesteckt werden."
    De facto allerdings spielen ausländische Gelder heute eine weit geringere Rolle als früher: Mittlerweile stammen achtzig Prozent der muslimischen Kult-Mittel von Gläubigen in Frankreich.
    "Der Islam kennt keinen Klerus"
    Und: Wirklich neu sind Macrons Vorstellungen nicht. Denn seit knapp 40 Jahren ist das Thema "Organisation des Islam in Frankreich" ein Dauerbrenner. Das hat mit dem traditionsreichen Laizitäts-Gesetz von 1905 zu tun: Es schreibt vor, dass sich der Staat aus religiösen Angelegenheiten komplett herauszuhalten habe. Doch das Gesetz ist nicht der einzige Grund, warum sich Muslime damit schwertun, sich zu organisieren. Ogras leitet den "Conseil National des Musulmans de France". Der "Nationale Rat der Muslime Frankreichs" versammelt Vertreter muslimischer Verbände.
    Ogras sagt: "Die Franzosen muslimischen Glaubens sind unterschiedlichster Herkunft, ihre Eltern und Großeltern kamen aus aller Herren Länder. Hinzu kommt: Der Islam kennt keinen Klerus, keine einheitliche Glaubenspraxis. Dafür aber viele verschiedene Schulen. In manchen Ländern ist eine Schule mit ihren Glaubenspraktiken in der Mehrheit. In Frankreich jedoch müssen sich alle bemühen, zusammenzuarbeiten."
    Davon aber seien viele muslimische Gemeinden noch weit entfernt. Ahmet Ogras nennt eine weitere Eigenheit des Islam in Frankreich: Er gehöre hier nun schon seit vier, fünf Generationen zum Alltag.
    "Es geht schon in die richtige Richtung. Aber die Sache mit einer politischen oder medialen Agenda voranzutreiben, ist nicht möglich. Es geht um den spirituellen Bereich, um Herzenssachen, um Dinge, die den Einzelnen und die Gemeinschaft anbelangen. Man muss dem islamischen Kult Zeit lassen, in Ruhe Fuß zu fassen."
    Soviel Geduld scheint die Regierung in Paris nicht aufbringen zu wollen: Bei der traditionellen Ramadan-Feier zum Fastenbrechen hat Gérard Colomb, Innenminister und gleichfalls zuständig für Kultusangelegenheiten, Ahmet Ogras gebeten, ihm bald konkrete Vorschläge zur Islam-Organisation in Frankreich zu übermitteln.
    Denn eigentlich gilt der "Nationale Rat der Muslime Frankreichs" als Ansprechpartner für den Staat. Gegründet wurde er zu diesem Zweck 2003 vom damaligen konservativen Innenminister Nicolas Sarkozy. Ein politisches Manöver. Dass dies nicht weit trug, belegt eine Umfrage von vor zwei Jahren. Die ergab: Der "Conseil National des Musulmans de France" ist nur 68 Prozent der einheimischen Muslime bekannt. Nichtsdestotrotz fühlt sich die Institution von der Regierung in die Pflicht genommen, Rats-Präsident Ahmet Ogras kündigt eine Befragung der einheimischen Muslime an:
    "Die wichtigste Baustelle ist, die Arbeit des Nationalen Rats zu professionalisieren, dank zusätzlicher Mittel und mehr Personal und endlich einen gemeinsamen Sockel, Standards zu entwickeln für die Imam-Ausbildung. Standards brauchen wir auch beim Islamkunde-Unterricht in Moscheen und Kulturvereinen."
    Hauptthema Finanzen
    Einen konkreten Plan zur Organisation des Islam hat kürzlich die einflussreiche, Marokko nahestehende "Union des mosquées de France" veröffentlicht. Die "Union der Moscheen Frankreichs" geht allerdings auf Gegenkurs zur staatlichen Idee einer Zentralisierung – der islamische Verband setzt auf eine dezentralisierte Struktur, auf regionale Räte als Ansprechpartner für die Behörden und andere lokale Partner.
    Marwan Mohammad hat vor kurzem selbst eine Initiative gestartete: Einen Monat lang hat der französische Aktivist Muslime im Land befragt, ob und wie sich der Islam in Frankreich organisieren lasse. Rund 25.000 Personen hätten daran per Fragebogen im Internet, bei Veranstaltungen in Moscheen teilgenommen, gibt Muhammad an und: Mancher eingebrachte Vorschlag sei sehr interessant.
    Mohammad erzählt: "Fast alle haben den Wunsch geäußert, die Franzosen muslimischen Glaubens öfter zu konsultieren und generell zu informieren - sobald es einen aktuellen Anlass gibt. Häufig angesprochen wurde auch das Thema Finanzen, mancher wünscht sich Standards beim Einsammeln und der Verwendung von Spendengeldern. Französische Muslime geben im Schnitt 180 Euro pro Jahr und Person, das ist viel Geld und deshalb muss transparent werden, wo es hinfließt. Viele wollen, dass das Geld den Ärmsten zugute komme – nicht nur Muslimen, sondern allen Bedürftigen im Land."
    Die Kampagnen-Aktion ging durch die Medien. Denn Marwan Muhammad ist kein Unbekannter: Er gründete das "Kollektiv gegen die Islamophobie in Frankreich", das seit Jahren mit provokanten Aktionen auf den angeblich wachsenden Hass gegenüber Muslimen hinweisen will. Mancher Beobachter nennt das Stimmungsmache: Der Aktivist gilt als Verfechter einer eher konservativen Auslegung des Koran. Und: Muhammed geht gerne auf Konfrontationskurs zu seinem Heimatland Frankreich.
    "Jakobinische Vision"
    Er sagt: "Traditionell vertreten Regierung und Staat eine jakobinische Vision, einen sehr zentralistischen Ansatz mit klaren Vorgaben, wie auch der muslimische Kult zu verwalten wäre. Ganz so wie früher in der Kolonialzeit. Es wäre an der Zeit, den muslimischen Bürgern endlich auf Augenhöhe mehr Vertrauen entgegenzubringen."
    Um so mehr, meint der Aktivist, als Muslime bei der Konsultation unzählige Ideen zu einer besseren Kultus-Verwaltung eingebracht hätten. Die will Muhammad bis zum Herbst in einem Empfehlungskatalog zusammenfassen. Eine Premiere. Ein Symbol dafür, dass eine junge Generation Franzosen muslimischen Glaubens antritt, die Geschicke ihrer Gemeinschaften selbst in die Hand nehmen zu wollen. Doch der renommierte Islamwissenschaftler Ghaleb Bencheick sagt warnend:
    "Die, die am besten organisiert sind beim Thema Kult-Organisation, die Aktivisten, gehören radikaleren Strömungen an wie den sogenannten 'Muslimbrüdern'. Die anderen Muslime sind uneins."
    Die französische Gesellschaft indes geht mit dem Thema Islam in Frankreich immer lockerer um: Bei einer repräsentativen Umfrage vor zwei Jahren noch waren 56 Prozent der Befragten der Meinung, der Islam sei unvereinbar mit den Werten der Republik. In einer neuen Erhebung im Januar 2018 dachten dies nur noch 43 Prozent.