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Islam in Kanada
Muslimische Staatspolizistinnen dürfen Kopftuch tragen

Kanada ist ein klassisches Einwanderungsland. Nun hat die kanadische Regierung beschlossen, Musliminnen in der Staatspolizei dürfen künftig ihren Hijab tragen - während Europa immer noch kontrovers über muslimische Bekleidungsregeln debattiert. Sind die Kanadier also weiter? Oder fehlt ihnen kulturelles Rückgrat? Eine Debatte ist entbrannt.

Von Kai Clement |
    Eine indonesische Polizistin trägt am 27. März 2015 einen Hijab im Dienst: Die indonesische Polizei erlaubt weiblichen Polizistinnen einen Hijab (Kopftuch) als Teil ihrer Uniform zu tragen. Indonesien hat den größten muslimischen Bevölkerungsanteil weltweit.
    So oder ähnlich dürften kanadische Polizistinnen künftig aussehen: Eine indonesische Polizistin trägt im Dienst ihren Hijab. Die indonesische Polizei erlaubt weiblichen Polizistinnen das Kopftuch als Teil ihrer Uniform zu tragen. (picture alliance / dpa / Hotli Simanjuntak)
    So kennt man sie: die "Royal Canadian Mounted Police". Hoch zu Pferde reiten sie in ihren roten Paradeuniformen mit dem breiten braunen Gürtel und den breitkrempigen Hüten in die Arena ein. Ein Anblick, der sich nun ändern könnte. Die Nachricht wurde sofort zur Topmeldung bei den kanadischen Sendern CBC und CTV: Polizistinnen dürfen Kopftuch tragen.
    Während Europa kontrovers über muslimische Bekleidungsregeln debattiert - nicht zuletzt für den öffentlichen Dienst - hat Kanada seine Entscheidung bereits getroffen. Der Hijab, eine Kopf und Brust bedeckende Verschleierung, ist für Polizistinnen der kanadischen Bundespolizei RCMP zulässig. Die Nachricht kommt von Ralph Goodale, Minister für öffentliche Sicherheit. Allerdings bislang lediglich in schriftlicher Form - verlesen im kanadischen Fernsehen:
    "Diese Änderung soll die Vielfalt des Landes widerspiegeln und mehr Musliminnen für den Polizeidienst gewinnen."
    Die RCMP ist demnach bereits die dritte kanadische Polizeitruppe, die ihre Bekleidungsvorschriften ändert - auch die Großstädte Toronto und Edmonton haben den Hijab bereits erlaubt. Die Bundespolizei hat Schwierigkeiten, Kandidatinnen zu gewinnen. Ein Grund könnten wiederkehrende Beschwerden über Belästigung im Dienst sein.
    Auch Turban erlaubt
    In Kanada liegt der muslimische Bevölkerungsanteil bei nur gut drei Prozent oder rund einer Million Menschen. Noch einmal nur halb so viele gehören der Sikh-Religion an. Bereits seit Anfang der 90er-Jahre ist es deren, vor allem aus Indien stammenden Gläubigen, gestattet, im Dienst einen Turban zu tragen.
    Der Kläger Baltej Singh Dhillon hatte sich damals vor Gericht durchsetzen können. Damals sagte er:
    "Ich werde nicht mehr diesen Stolperstein haben, der mich davon abhält, einerseits meine Religion auszuüben und andererseits meinem Land zu dienen - in der Royal Canadian Mounted Police."
    Kein kulturelles Rückgrat?
    Der damaligen, parteiübergreifenden Entscheidung waren zahlreiche Proteste vorausgegangen, Petitionen und sogar ein satirischer Kalender. Kritiker warnten, man dürfe sich an der Bundespolizei vergreifen, die sei doch geradezu ein kanadisches Erbe.
    Ganz andere Zeiten dagegen heutzutage: Kanadas Premier Justin Trudeau hat die Vielfalt seines Landes gezielt auch auf sein Kabinett übertragen.
    Es war am 5. November 2015: Da wird der Sikh Harjit Singh Sajjan als neuer Verteidigungsminister Kanadas vereidigt. Trudeau hat in sein erstes Kabinett gleich vier Sikh als Minister aufgenommen.
    Die jüngste Entscheidung hat - wenig überraschend - der Zusammenschluss kanadischer Muslime begrüßt - als willkommen und "natürliche Weiterentwicklung". Die bereits mehr als 1.200 Kommentare im Netz zur Topmeldung dagegen sind oft ablehnend. "Es reicht", heißt es da, "außer Kontrolle" - und: "Kanada hat kein kulturelles Rückgrat".