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Islam- und Wohlfahrtsverbände kritisieren Entwurf zum CDU-Grundsatzprogramm

Der Entwurf für das CDU-Grundsatzprogramm stößt auch auf Kritik. Der Zentralrat der Muslime wirft der Partei vor, am rechten Rand zu fischen. Der Paritätische Wohlfahrtsverband sieht einen Angriff auf das Bürgergeld.

    Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrates der Muslime in Deutschland e.V. ZMD.
    Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrates der Muslime in Deutschland, kritisiert den Entwurf zum CDU-Grundsatzprogramm. (imago / photothek / Janine Schmitz)
    Islamverbände haben die Passagen zu Muslimen im Entwurf für das neue CDU-Grundsatzprogramm kritisiert. Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Mazyek, warf der CDU vor, mit der Formulierung "Muslime, die unsere Werte teilen, gehören zu Deutschland" am rechten Wählerrand zu fischen. Auch der deutsche Islamrat kritisierte die Passage. Solche Diskussionen seien ausgrenzend, führten zu Verwirrung und erschwerten die Identifikation der Muslime mit Deutschland, sagte dessen Vorsitzender Kesici.
    Nach Ansicht des Politologen Jürgen Falter ist der Satz "Muslime, die unsere Werte teilen, gehören zu Deutschland" taktisch gut gewählt. Er sagte im Dlf, mit Blick auf die CDU-Wähler dürfte dies mehrheitlich auf Zustimmung stoßen. Es gehe hierbei nicht um christliche Werte, sondern um ein Bekenntnis zu unserer Verfassung. Falter spricht von einer Verschiebung zum Konservativeren hin. Hierbei vollziehe die CDU etwas, das "in der Gesellschaft bereits erfolgt ist", wenn man sich die Umfragen ansehe.
    Auch die Politikwissenschaftlerin Ursula Münch sieht im Entwurf den Wunsch der CDU, ihr Profil zu schärfen und sich hin zum Konservativeren zu bewegen. Münch sagte ebenfalls im Deutschlandfunk, es handele sich aber keineswegs um den Versuch, die AfD nachzuahmen. Es sei vielmehr eine Rückbesinnung auf Themen und Positionen, die vernachlässigt worden seien.

    Kritik auch an den Vorschlägen zur Sozial - und Arbeitsmarktpolitik

    Weitere Kritik gibt es an den Vorschlägen zur Sozial- und Arbeitsmarktpolitik in dem Entwurf. Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Schneider, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, In einer Zeit, in der immer mehr Teile der Bevölkerung Abstiegsängste hätten, sei das Papier denkbar ungeeignet, die Menschen zu beruhigen. Das Gegenteil sei der Fall: Der Angriff auf die gesetzliche Rentenversicherung und das Bürgergeld sei kaum zu übersehen. Damit würden "Grundpfeiler" des Sozialstaats zur Disposition gestellt.
    Der Entwurf sieht unter anderem vor, dass die Rente durch eine verpflichtende kapitalgedeckte Altersversorgung ergänzt wird. Das Renteneintrittsalter soll an die Lebenserwartung angepasst werden. CDU-Generalsekretär Linnemann wies darauf hin, dass dies nicht automatisch bedeute, dass das Renteneintrittsalter damit angehoben werde, da die Lebenserwartung derzeit eher stagniere.

    NRW-Minister Laumann verteidigt Verwendung des "Leitkultur"-Begriffes

    Der nordrhein-westfälische Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales, Laumann, verteidigte die Verwendung des "Leitkultur"-Begriffes. Es sei darum gegangen, deutlich zu machen, was Deutschland wichtig sei, sagte Laumann im Deutschlandfunk. [pdf] Jeder, der hier lebe oder leben wolle, müsse die Werte kennen, die die Menschen hierzulande verbänden und die nicht verhandelbar seien. Laumann wies zudem darauf hin, dass das noch vom Parteitag zu beschließende Grundsatzprogramm die CDU wieder eindeutig in der politischen Mitte verorte. Es sei auch kein Bruch mit der Politik der ehemaligen Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzenden Merkel. Programme von Parteien müssten sich ändern, um gesellschaftlichen Entwicklungen Stand halten zu können. Von daher seien Anpassungen nichts Besonderes, erklärte Laumann.
    Die CDU hatte den Entwurf für ein neues Grundsatzprogramm gestern vorgestellt. In dem 70-seitigen Papier mit dem Titel "In Freiheit leben - Deutschland sicher in die Zukunft führen" setzen die Christdemokraten verstärkt auf das christliche Menschenbild und eine Leitkultur. Zu ihr gehören aus CDU-Sicht unter anderem die Achtung der Würde jedes einzelnen Menschen, der Rechtsstaat, Respekt und Toleranz. Diese Leitkultur müsse von allen, die in Deutschland leben wollten, ohne Wenn und Aber anerkannt werden, heißt es in dem Entwurf. Die Leitkultur solle den Zusammenhalt der Gesellschaft sichern.

    Deutschland als "christlich geprägtes Land"

    Ausdrücklich betont der Entwurf, dass Deutschland "ein christlich geprägtes Land" sei. Die CDU bekennt sich damit also stärker zum "C" im Parteinamen. Kirchen und Gemeinden seien wichtige Partner bei der Gestaltung des Gemeinwesens und nähmen "eine wichtige Rolle in der öffentlichen Daseinsvorsorge" ein. Sie seien "gesellschaftspolitische Stabilitätsanker, die Menschen Orientierung geben, Sinn stiften und Seelsorge betreiben". Christliche Symbole müssten im öffentlichen Raum sichtbar bleiben.
    Die CDU bekennt sich zudem zum "Leitbild von Ehe und Familie". Zugleich wird Alleinerziehenden sowie Kindern aus bildungsfernen und einkommensschwachen Familien mehr Unterstützung zugesagt. Bildung wird als Schlüssel zu Aufstieg und Integration gesehen.
    Das Papier betont weiter: "Jüdisches Leben gehört zu Deutschland". Zu Musliminnen und Muslimen heißt es: "Muslime, die unsere Werte teilen, gehören zu Deutschland." Ziel sei hier "ein lebendiges Gemeindeleben auf dem Boden des Grundgesetzes". Der islamistische Terrorismus und der politische Islam werden als unterschätzte Gefahren angesehen.

    Drittstaatenlösung und Kontingente im Asylrecht

    In der Migrationspolitik fordert die Partei eine Drittstaatenlösung. "Jeder, der in Europa Asyl beantragt, soll in einen sicheren Drittstaat überführt werden und dort ein Verfahren durchlaufen." Im Falle eines positiven Ausgangs des Asylverfahrens soll zunächst der sichere Drittstaat dem Antragsteller vor Ort Schutz gewähren. Gleichzeitig soll es jährliche Kontingente schutzbedürftiger Menschen geben.
    Zum Thema Klimaschutz heißt es, dass dieser nur marktwirtschaftlich durchzusetzen sei. Die Partei will dem Klimawandel mit Technologie und Anreizen wie dem Emissionshandel entgegentreten. Auch bekennt sie sich zu einem vorläufigen Erhalt der Kernkraft. Mit Blick auf die Rente wird eine "verpflichtende kapitalgedeckte Altersvorsorge" gefordert.
    In den Entwurf, der im Präsidium der CDU und im größeren Vorstand diskutiert wurde, floss auch das Ergebnis einer Mitgliederbefragung ein, an der sich nach Parteiangaben 65.000 Mitglieder beteiligten. Das Grundsatzprogramm soll für zehn Jahre gelten und auf dem Parteitag im Mai kommenden Jahres verabschiedet werden.
    Diese Nachricht wurde am 12.12.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.