Musik an einem ungewöhnlichen Ort. Ein Mann spielt die orientalische Bambusflöte Ney auf dem Friedhof der evangelischen Zwölf-Apostel-Gemeinde in Berlin Schöneberg. Eine 3.000 Quadratmeter große Fläche ist hier durch eine Mauer vom Rest abgeteilt und steht leer. Dieser Bereich wird für islamische Bestattungen zur Verfügung gestellt. Für die Einweihung wurden unter einem Ahorn Bistro-Tische und Bänke aufgestellt. Es gibt Getränke und türkisches Essen. Der muslimische Bestatter Işıkali Karayel hat auf dem Feld einige rechteckige Felder markieren lassen.
"Wichtig bei einem muslimischen Gräberfeld ist, dass die rechte Seite, das Gesicht angewinkelt, Richtung Mekka zeigt. Das ist der Unterschied zwischen christlichen Grabfeldern, die meistens grade zum Weg sind. Wie Sie hier auf dem Boden sehen können, sind die Markierungen schräg angerichtet. Das zeigt, dass die rechte Seite, wenn der Verstorbene in dieser Grabstätte liegt, nach Mekka zeigt. Und das ist das einzig Wichtigste für einen Moslem."
Ein anderer Unterschied zu christlichen Bestattungen ist: In der Regel werden Muslime sarglos bestattet. Aber das ist keine feste Vorschrift, sagt Karayel und beruft sich auf ein höchst-islamisches Rechtsgutachten:
"Wir haben uns zum Beispiel aus Mekka eine Fatwa geholt, wo drin steht, dass Muslime auch in Särgen beigesetzt werden können, was kein Hindernis darstellt. Wichtig ist nur, dass es keine Stahlsärge sind, aus Eisen oder prunkvolle..."
Das Gräberfeld bleibt in der Verwaltung der Zwölf-Apostel-Gemeinde. Eine bauliche Veränderung ist nicht notwendig, sagt der Pfarrer der Gemeinde, Burkhard Bornemann:
"Die Grabkapelle bleibt, die von uns her offen ist für jeden, der sie benutzen möchte. Aber das werden die muslimischen Gemeinden nicht tun. Sie halten unter freiem Himmel ihr Totengebet. Vieles wird sich auch schon beim Bestatter abspielen - die Waschung, die Vorbereitung des Leichnams. Und dann hier die Grablegung."
DITIB begrüßt die Einrichtung des muslimischen Gräberfeldes
Die Zwölf-Apostel-Gemeinde hat das Gräberfeld auf Anfrage der liberal-muslimischen sufistischen Semerkand-Moscheegemeinde zur Verfügung gestellt. Immer mehr Muslime lassen ihre Angehörigen in Deutschland beisetzen und nicht mehr in die alte Heimat überführen. Die islamische Bestattung ist in Berlin erst seit 2010 möglich. Bislang gibt es zwei muslimische Friedhöfe in der Hauptstadt. Der älteste ist ein kleines Grundstück im Besitz der Türkei, auf dem es keine freien Flächen mehr gibt. Der andere liegt am Stadtrand. Nun stehen im Stadtzentrum weitere 350 Grabstellen bereit. Für die Bezirksbürgermeisterin von Schöneberg, Angelika Schöttler, ist das das Ergebnis einer funktionierenden Zusammenarbeit:
"Ein Netzwerk, was man hat in einem Bezirk, hilft einem dann. Ein Bedarf entsteht, ein anderer weiß, er kann helfen. Beide kennen sich, und dann packen sie zusammen an. Genau das ist hier passiert. Da freue ich mich sehr drüber, dass wir als einer der ersten Bezirke für Muslime eine Begräbnisstätte haben schaffen können."
Eine Begräbnisstätte, wo Muslime ihre Toten ewig ruhen lassen können, wie es im Islam üblich ist. Die in Deutschland geltende Frist für 20 Jahre können Angehörige immer jeweils um weitere 20 Jahre verlängern. Das kostet aktuell etwas mehr als 1.000 Euro pro Grab und 20 Jahre. Der größte muslimische Dachverband DITIB begrüßt die Einrichtung des muslimischen Gräberfeldes. Aber es sei keine langfristige Lösung. Die Muslime würden bald mehr Platz brauchen. Der Senat erklärte aber kürzlich, dass demnächst weitere Gräberfelder für islamische Bestattungen in verschiedenen Bezirken eröffnet würden. Religiös gebe es keine Bedenken gegen das neue Gräberfeld, sagen Vertreter der beteiligten Christen und Muslime. Eine Frau, die das Grab ihres kürzlich verstorbenen Ehemannes besucht und die Einweihung des muslimischen Bereichs zufällig bemerkt, ist gerührt:
"Jeder hat das Recht, beerdigt zu werden. Alles Menschen. Und ich finde das gar nicht schlecht. Es ist Platz für jeden."