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Islamische Konferenz zu Jerusalem
"Gemeinsam Front gegen Teheran"

Nach Ansicht des Nahostexperten Guido Steinberg ist der israelisch-palästinensische Konflikt für viele Länder der Region kein Schlüsselkonflikt mehr. Saudi-Arabien oder die Vereinigten Arabischen Emirate wollten vielmehr den iranischen Einfluss zurückdrängen, sagte Steinberg im Dlf - auch gemeinsam mit Israel und den USA.

Jörg Münchenberg im Gespräch mit Guido Steinberg |
    Sondergipfel der Islamischen Staaten in Istanbul mit dem türkischen Präsidenten Erdogan (M.), jordanischen König Abdullah (l.) und Palästinenserpräsident Abbas (r).
    Sondergipfel der Islamischen Staaten in Istanbul mit dem türkischen Präsidenten Erdogan (M.), dem jordanischen König Abdullah (l.) und Palästinenserpräsident Abbas (r). Die Türkei sei im Israel-Palästina-Konflikt kein Spieler, erklärt Guido Steinberg. (dpa / AP / Lefteris Pitarakis)
    Jörg Münchenberg: Zugehört hat Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Jetzt also die Retourkutsche der islamischen Staaten in Richtung Washington. Ost-Jerusalem wird als Hauptstadt der Palästinenser anerkannt. Ist das Ihrer Einschätzung nach reine Symbolpolitik, oder steckt vielleicht doch etwas mehr dahinter?
    Steinberg: Nein, das ist vor allem Symbolpolitik, weil natürlich die Organisation Islamische Konferenz und auch der Gastgeber, die Türkei, überhaupt nicht die Mittel haben, ihre Vorstellungen im israelisch-palästinensischen Konflikt durchzusetzen. Insofern ist das hier moralische Unterstützung für die Palästinenser und es ist Ausdruck der Missstimmung in ganz vielen islamisch geprägten Ländern, aber eben doch nicht mehr.
    "Palästina-Thema für Saudi-Arabien nicht so wichtig"
    Münchenberg: Nun waren ja bei diesem Gipfel 50 islamische Staaten mit dabei. Manche wie Saudi-Arabien haben aber keine hochrangigen Vertreter nach Istanbul geschickt. Ist das ein deutliches Indiz dafür, dass es mit der politischen Unterstützung für die Palästinenser doch nicht so weit her ist?
    Steinberg: Ja, und das ist durchaus eine Entwicklung der letzten Jahre. Ganz viele Länder, die früher einmal Wortführer waren für die Sache der Palästinenser, vor allem Ägypten, aber auch Saudi-Arabien und einige andere arabische Länder, die sehen den israelisch-palästinensischen Konflikt nicht mehr als den Kern- oder Schlüsselkonflikt der Region an, wie es ja auch hierzulande in Deutschland öfter einmal heißt. Saudi-Arabien sieht vor allem iranische Einflussgewinne in der Region und arbeitet, um die Iraner zurückzudrängen, ganz gerne mit den Israelis zusammen, oder würde ganz gerne mit den Israelis zusammenarbeiten. Die Saudis, die Israelis und einige andere Staaten, vor allem noch die VAE, die Vereinigten Arabischen Emirate, die arbeiten an einer gemeinsamen Front gegen Teheran, und das ist einer der Gründe dafür, weshalb das Palästina-Thema für sie nicht so wichtig ist, und das ist auch ein Grund dafür, warum sie hier dann doch nicht hochrangig vertreten waren. Die Staatschefs aus all diesen Ländern sind nämlich nicht gekommen.
    Jerusalem-Entscheidung "mit Saudi-Arabien besprochen"
    Münchenberg: Nun gibt es ja auch einen neuen Schulterschluss zwischen den USA und Saudi-Arabien. Inwieweit spielt das eine Rolle?
    Steinberg: Ja, das darf man vor dem Hintergrund dieser Jerusalem-Entscheidung nicht vergessen. Diese Entscheidung wurde lange vorbereitet. Verantwortlich auf amerikanischer Seite ist der Schwiegersohn des Präsidenten Trump, Jared Kushner. Jared Kushner hat nicht nur hervorragende Beziehungen zur Regierung Netanjahu in Israel, sondern auch sehr gute Beziehungen zum Thronfolger in Saudi-Arabien, Mohammed bin Salman, der dort die Außenpolitik führt. Er hat diese Jerusalem-Entscheidung und auch die Anfang nächsten Jahres möglicherweise anstehende Verkündigung eines amerikanischen Friedensplans mit dem Kronprinzen in Saudi-Arabien besprochen. Es gab Berichte, dass Mahmud Abbas in Saudi-Arabien war und ihm diese Entscheidungen der Amerikaner, unter anderem die Entscheidung, dass Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkannt wird, schon verkündet wurde. Das sei mal dahingestellt, was an diesen Berichten alles korrekt ist. Was deutlich ist, ist, dass die Palästinenser nicht mehr die Unterstützung Saudi-Arabiens haben und dass vor allem das neue Regime unter dem Kronprinzen Mohammed bin Salman sehr viel israelfreundlicher ist, um am Ende gegen Iran vorgehen zu können.
    "Türkei in diesem Konflikt zumindest im Moment kein Spieler"
    Münchenberg: Herr Steinberg, lassen Sie uns noch mal in die Türkei schauen. Der türkische Präsident Erdogan hat sich jetzt als muslimischer Wortführer auf diesem Sondertreffen erneut profilieren können. Was bezweckt der türkische Präsident? Schielt er jetzt mehr in Richtung der islamischen Staaten?
    Steinberg: Es ist bei Präsident Erdogan zuweilen etwas schwierig, die Grundlinien seiner Politik zu erkennen. Aber es ist doch ganz deutlich, dass er, der ja aus der türkischen Muslim-Bruderschaft hervorgegangen ist, immer wieder versucht, auch vor dem Hintergrund der Idee islamischer Solidarität Außenpolitik zu machen. Das hat er vor zehn Jahren schon einmal begonnen. Allerdings hatte er da noch nicht die teils ja sehr gravierenden Niederlagen in der arabischen Welt, vor allem in Syrien eingesteckt. Man sollte davon ausgehen, dass Präsident Erdogan tatsächlich solidarisch ist mit den Palästinensern und dass er versucht, über dieses Thema Zustimmung in der arabischen und der islamischen Welt zu finden. Was aber darüber hinaus seine Ziele sind im israelisch-palästinensischen Konflikt, kann ich nicht so recht erkennen. Die Türkei hat auch ihren Einfluss in den letzten Jahren dadurch verspielt, dass sie ja schon seit längerem eine extrem anti-israelische Linie fährt. Sie ist in diesem Konflikt zumindest im Moment kein Spieler.
    "Das offizielle Ende des Friedensprozesses"
    Münchenberg: Herr Steinberg, noch eine letzte Frage. Wer kann denn überhaupt jetzt noch in dem Konflikt im Nahen Osten als Vermittler auftreten? Die USA haben sich ja praktisch selber disqualifiziert, werden auch nicht mehr anerkannt als solcher. Wer kann diese Lücke füllen?
    Steinberg: Ich glaube nicht, dass irgendjemand diese Lücke füllen kann, weil es ja letzten Endes nicht nur um Vermittlung zwischen zwei Seiten geht, die grundsätzlich ein Interesse an einer Friedenslösung haben. Es gibt eine große Asymmetrie in diesem Konflikt. Es gibt die sehr schwachen Palästinenser und es gibt die sehr starken Israelis, und eine, wie auch immer geartete Lösung hing immer davon ab, dass die Amerikaner Druck auf Israel ausüben, in welcher Form auch immer, dass Israel Positionen abgibt. Das hat die Trump-Administration jetzt klargemacht: Darum wird es in den nächsten Monaten nicht gehen. Aber es gibt auch keinen anderen Akteur, der sonst Einfluss auf die Regierung Netanjahu hat. Russland nicht, China nicht und die Europäische Union schon einmal gar nicht. Letzten Endes ist das, was wir dort sehen, das offizielle Ende des Friedensprozesses, der aber schon seit Jahren nach meiner Ansicht nicht mehr besteht.
    Münchenberg: … sagt der Islamwissenschaftler Guido Steinberg. Herr Steinberg, besten Dank für das Gespräch.
    Steinberg: Ich habe zu danken.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.