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Islamische Mode in Frankreich
Der schwarze Schleier - rotes Tuch und goldenes Geschäft

Burkas, Burkinis und Kopftücher sind im laizistischen Nachbarland Frankreich unerwünscht. Aber von muslimischen Kundinnen wollen internationale Ketten wie H&M ebenso profitieren wie kleine Start Ups. Die keusche Kleidung polarisiert nicht nur in der Politik, sondern auch in der Modebranche: Wie sieht das Schnittmuster der freien Frau aus?

Von Suzanne Krause |
    Eine junge Frau geht am französischen Strand 'Fort-Mahon' im Burkini ins Meer.
    Eine junge Frau geht am französischen Strand 'Fort-Mahon' im Burkini ins Meer (picture alliance / dpa / Arnaud Dumontier)
    Le Bourget, die Messestadt nördlich von Paris. Einmal im Jahr, an einem langen Wochenende, lädt ein Zusammenschluss muslimischer Vereine zum Treffen, es gibt Podiumdiskussionen und Vorträge. Schließlich hat Frankreich europaweit die größte muslimische Gemeinde. Auch dieses Jahr sind wieder 150 000 Besucher aus dem In- und Ausland gekommen. Viele, weil sie auf Schnäppchenjagd sind. Denn in der größten Messehalle herrscht Bazar-Atmosphäre. Zahllose Stände bieten orientalischen Schmuck, religiöse Schriften, Nippes. Vor allem aber Bekleidung: wallende Festroben in leuchtenden Farben, Hochzeitskleider wie aus 1001 Nacht, Gewänder vom Kaftan bis zum Tschador, der die Trägerin vom Scheitel bis zum Knöchel verhüllt, Schals und Schleier, schwarz oder bunt gemustert. Ganze Familien sind unterwegs und viele Frauen, kaum eine, die nicht ihre Haare zumindest mit einem Schal verbirgt. Einige Besucherinnen tragen Burka - dabei ist diese alles verhüllende Ganzkörper-Bedeckung in Frankreich per Gesetz verboten.
    An einem Stand hantiert eine zierliche, schöne Frau mit schickem Turban und eleganter Tunika über einer schmalgeschnittenen Hose. Sie bietet Kappen feil, die schlichten Bademützen ähneln. Als "revolutionäres Accessoire" für verschleierte Musliminnen preist Yasmine ihre Ware einer interessierten Passantin an. Die Kappe sei aus Unterwäschestoff gefertigt, atmungsaktiv, antibakteriell behandelt. Sie garantiere den guten Sitz des Schleiers und Yasmines Mann, der die Kappe austüftelte, habe sogar an Schlitze in Ohrhöhe gedacht, für Brille und für Kopfhörer-Stöpsel. Das Modell koste knapp 20 Euro – und für jedes verkaufte Stück werde, getreu islamischer Finanzethik, ein Baum gepflanzt, schwärmt die Jung-Unternehmerin."
    "Unsere Kappe wird komplett in Frankreich produziert. Aber wir haben vor, sie auch in Europa und in Übersee zu vertreiben", sagt Yasemine. Vor eineinhalb Jahren hat Yasmine mit ihrem Mann das Start-Up-Unternehmen im südfranzösischen Lyon gegründet. Dafür hat sie ihre Arbeit bei einer Nichtregierungs-Organisation, für die sie humanitäre Einsätze im Nahen Osten organisierte, sausen lassen. Das Geschäft laufe gut, verrät die 29-Jährige mit charmantem Lächeln.
    "Schönheit ist im Islam sehr bedeutsam"
    "Natürlich handelt es sich dabei auch um ein Mode-Phänomen, das ist offensichtlich. Denn die islamische Mode ist zu einem richtigen Business geworden. Dolce & Gabbana hat das kürzlich publik gemacht, H&M hat verschleierte Models auf den Laufsteg geschickt. Das Phänomen verbreitet sich immer mehr. Und es ist ja auch wichtig, die Bedürfnisse dieser Kundschaft verschleierter Musliminnen abzudecken. Denn die sind zahlreich."
    266 Millarden Dollar hätten Muslime 2013 weltweit für Kleidung und Schuhe ausgegeben, recherchierte die Medienagentur Thomson Reuters. Bis Ende des Jahrzehnts könnte sich der Umsatz fast verdoppeln.
    Yasmine ist Stammkundin in einer Boutique im Pariser Großraum, die vor zwei Jahren eröffnete und sogenannte 'keusche Mode' anbietet, mit feschen Schnitten, die die Schultern bedecken und die weiblichen Rundungen kaschieren, mit schönen Stoffen, für Musliminnen wie Yasmine, die modisch-elegant, aber Islam-gerecht auftreten wollen. "Ich folge nicht nur der Mode", sagt Yasemine. "Der Islam predigt auch ein gewisses Schönheits-Konzept. Zudem bin ich davon überzeugt, dass es in der heutigen Welt sehr wichtig ist, das Beste aus sich zu machen. Über die religiösen Werte hinaus persönliche Werte zu pflegen. Da geht es um ein bestimmtes Selbstwertgefühl. Wer sich selbst schätzt, wird auch von anderen geschätzt. Ansprechend aufzutreten ist für mich überaus wichtig. Und wie gesagt, Schönheit gilt im Islam als sehr bedeutsam. Schönheit und Keuschheit sind, entgegen landläufiger Meinung, keineswegs unvereinbar."
    Yasmines Kundin nickt zustimmend. Die Mittvierzigerin wirkt eher unauffällig mit ihrem Kopf und Brust bedeckenden beigen Hidschab-Tuch, der weiten langen Jacke und der Jeans.
    "Klar ist die Mode wichtig! Wir sind ja zuallererst ganz normale Frauen. Viele Leute meinen, weil wir Schleier tragen, würden wir uns nicht hübsch zurechtmachen. Von wegen! Sie haben ja gar keine Ahnung, was unser Schleier verbirgt. Ich bin Konvertitin. Ich kann Ihnen sagen, ich bin sehr stolz, den Schleier zu tragen. Aber dennoch frisiere ich mich, ich schminke mich dezent, mache mich schön für meinen Mann und trage sogar seidene Nachthemdchen."
    Eigentlich müsste sich die einheimische Kosmetik- und Modebranche über solche Töne freuen. Nicht umsonst gilt Paris weltweit als ein Hohetempel der Mode, die Französin gemeinhin als sehr elegant. Der islamische Schleier hingegen gleicht hier einem roten Tuch. Er stelle eine Gefahr für die Republik dar, erklärte gar vor kurzem Premierminister Manuel Valls. Denn nicht nur er meint, eine Frau mit Schleier respektiere nicht die Werte der französischen Republik, verstosse mit ihrer vom Islam diktierten Kleidung gegen das laizistische Prinzip.
    Modeschopfer als "komplizen einer aufgezwungenen Diktatur"
    Dieses Prinzip entspringt dem Gesetz, mit dem 1905 die gesetzliche Trennung von Staat und Kirche eingeführt wurde, als Garantie für die Religionsfreiheit der Bürger. Seither ist Religion in Frankreich Privatsache – die aber im öffentlichen Raum nicht ostentativ zur Schau gestellt werden solle. 2004 verbot die Regierung Kopftücher, Kippas und christliche Kreuze in den Schulen, 2010 dann den Burka genannten Ganzkörperschleier im gesamten öffentlichen Raum.
    Kein Wunder, dass in Frankreich die Reaktionen auf die neue sogenannte 'keusche' oder auch 'islamische Mode' heftig ausfallen. In den Vereinigten Staaten und in Großbritannien kräht kein Hahn danach, in Paris sorgte das - bis dato der Bevölkeung ziemlich unbekannte - Mode-Phänomen für negative Schlagzeilen. Ausgelöst wurde die Polemik im März dieses Jahres, als ein englisches Kaufhaus eine Bademode für Muslima auf den Markt brachte. Der 'Burkini' getaufte Ganzkörper-Badeanzug lässt nur Gesicht, Hände und Füsse frei. Obgleich das Unternehmen nicht vorhat, den 'Burkini' in französischen Boutiquen anzubieten, reagierte die Pariser Staatssekretärin für Frauenrechte, Laurence Rossignol, im Radio äusserst ungehalten.
    "Natürlich gibt es Frauen, die sagen, Sie legten den Schleier freiwillig an. Es gab auch amerikanische Neger, die für die Sklaverei waren. Ich denke, viele dieser Frauen sind Anhängerinnen des politischen Islam."
    Die Bemerkung zu den "amerikanischen Negern und dem Sklaventum" sorgte landesweit für einen Aufschrei – am Tag nach dem Interview entschuldigte sich Laurence Rossignol dafür. Nicht aber für die polemische Unterstellung, viele verschleierte Musliminnen seien Aktivistinnen des politischen Islam.
    Bei ihrem Feldzug gegen 'islamische Mode' bekam die Staatssekretärin für Frauenrechte auch Unterstützung von Pierre Bergé, Partner und Weggefährte des weltberühmten Modemachers Yves Saint Laurent, Sinnbild französischer Eleganz. In einem Radio-Interview appellierte Pierre Bergé an westliche Modefirmen, Rückgrat zu beweisen, statt dem schnöden Mammon in Gestalt kaufkräftiger Musliminnen hinterher zu rennen.
    "Ich bin völlig aufgewühlt", sagte Bergé". "40 Jahre lang stand ich Yves Saint Laurent zur Seite. Bislang habe ich immer gedacht, ein Modeschöpfer sei dazu da, die Frauen zu verschönern. Ihnen zu mehr Freiheit zu verhelfen. Und nicht dazu, sich zum Komplizen einer aufgezwungenen Diktatur zu machen – der es darum geht, die Frauen zu verstecken. Ihr Leben unter einem Schleier verschwinden zu lassen."
    Gelassen reagierte Tariq Oubrou, der Imam der Moschee im südwestfranzösischen Bordeaux, auf die Polemik.
    Die Spannungen im Zusammenleben zwischen Muslimen und dem Rest der Bevölkerung zu entschärfen, das haben weder Politik, noch Theologie oder Ideologie hinbekommen, dafür aber die Wirtschaft und der Handel. Leider geht das nicht auf eine Geistesöffnung zurück– sondern auf das kapitalistische System.
    Ein auch im Ausland vielbeachtetes Sommertheater löste dann die Gemeinde Villeneuve-Loubet an der Cote d'Azure Anfang August aus: Per Erlass verordnete der dortige Bürgermeister 'dezente Badebekleidung' am Strand – de facto ein Burkini-Verbot. Sein Argument: Nach dem Terror-Anschlag im benachbarten Nizza drohe verschleierten Musliminnen, von anderen Badegästen behelligt zu werden. Rund 30 weitere Gemeinden, allesamt in konservativer Hand, zogen nach. Die 'Liga für Menschenrechte' und ein muslimischer Verein kämpften dagegen, bis zum Staatsrat. Ende August kippte der Conseil d'Etat das 'Burkini-Verbot' in Villeneuve-Loubet. Einen Tag später sprach sich der Republikaner Nicolas Sarkozy, Anwärter auf eine zweite Amtszeit als Staatspräsident, nicht nur für ein generelles 'Burkini-Verbot' aus, sondern auch für ein Gesetz gegen Schleier an Universitäten: "Wir wollen keine äußerlichen Anzeichen für die Zugehörigkeit zu einer Religion in unserem Land."
    Ein Dorn im Auge der Frauenbewegung
    Die 'islamische Mode' ist auch der französischen Frauenbewegung ein Dorn im Auge. Schließlich würden in arabischen Ländern Frauen dafür kämpfen, den Schleier ablegen zu können, erinnert Marie Allibert vom Kollektiv 'Osez le feminisme' – 'Den Feminismus wagen'.
    "Die Gefahr liegt darin, den Schleier zu 'glamourisieren'. Und damit vergessen zu machen, was in Wahrheit dahintersteckt. Nämlich die Aussage: im öffentlichen Raum muss der Körper der Frau verdeckt, versteckt werden."
    Elisabeth Badinter, Grande Dame im Kampf für die Gleichstellung der Geschlechter, ruft auf zum Boykott der westlichen Firmen, die die Welle der 'keuschen Mode' hochspülen. Denn Kopftuch, Turban, Schleier seien, so die Philosophin, Symbol der weiblichen Unterdrückung im Islam.
    So sieht es auch Nadia Benmissi. Sie sitzt mit zwei Mitstreiterinnen in einem Café in Aubervilliers, einem heruntergekommenen Vorort im Pariser Norden. Die drei haben einen Verein gegründet, der Name ist Programm: 'Femmes sans voile' – 'Frauen ohne Schleier'. Mit ihren Café-Besuchen wollen die Feministinnen Flagge zeigen: auch muslimische Frauen sollten sich im öffentlichen Raum nicht verstecken müssen. Aubervilliers ist Benmissis Wahlheimat, seit sie vor über 25 Jahren Algerien verliess, auf der Flucht vor Fundamentalisten. Heute unterrichtet die elegant gekleidete Endfünfzigerin an der nahen Realschule. Auch dort würden radikal-islamistische Umtriebe immer mehr Raum gewinnen, berichtet Nadia Benmissi.
    "Ich sehe nun schon 12-Jährige, die, kaum haben sie das Schulgelände verlassen, vor der Pforte den Schleier anlegen. Neulich habe ich mit einer Klasse von Teenagern diskutiert und ihnen gesagt, dass früher alle Religionen den Frauen Kopftuch oder Schleier auferlegt haben. Und dass dies in der muslimischen Welt schon vor dem Koran der Fall war. Da sagte eine Schülerin zu mir: ich hätte Lust, Sie für diese Äußerung umzubringen."
    Nadia Benmissi steht das Entsetzen ins Gesicht geschrieben. Sie kennt das Mädchen schon seit Jahren.
    "Ich war sehr erschrocken, dass jemand, der die republikanische Schule in Frankreich besucht, so gewalttätige Reden schwingen kann. Und aus meiner Erfahrung mit den Fundamentalisten in Algerien weiss ich, dass sie ihre Worte ernst meinte. Weil ihr das so eingetrichtert wurde. Heute besucht dieses Mädchen eine Koranschule in Mali, sie hat ihrem Geburtsland Frankreich den Rücken gekehrt."
    Religiöse Fundamentalisten, die in Frankreichs Sozialbaughettos an Einfluß gewinnen und Frauen zur Verhüllung zwingen, sind ein Teil der Realität. Doch immer mehr Musliminnen legen den Schleier aus freien Stücken an.
    Davon berichten zehn Französinnen in dem vielbeachteten Buch 'Stimmen hinter dem Schleier', das vor einem Jahr erschien. Die Porträts, die Faiza Zerouala, eine junge arabisch-stämmige Journalistin, hier zeichnet, bedeuten eine Premiere: Erstmals wurde Schleierträgerinnen Gelegenheit gegeben, offen ihren Weg zum Glauben, ihren Alltag zu schildern. Alle sagen, der Schleier markiere eine wichtige Etappe auf ihrem spirituellen Weg.
    Eine der 'Stimmen hinter dem Schleier' gehört Asma. Die 34-Jährige lernte Maskenbildnerin und ist eine der erfolgreichsten Mode-Bloggerinnen im Land. Ihr Publikum: moderne Musliminnen wie sie, schildert sie im Buch.
    "Unsere Generation ist in Frankreich aufgewachsen. Wir sind besser ausgebildet als unsere Eltern. Teils kennen wir auch unsere Religion besser als sie. Internet und die Medien bringen uns diesbezüglich sehr viel."
    Nadias Eltern wanderten aus Schwarzafrika ein, sie selbst wurde in Frankreich geboren. Sie sei, sagt die 22-Jährige Biologiestudentin, religiöser als der Rest ihrer Familie. Mit ihrem Schleier will sie Männern klarmachen: sie sei ihnen ebenbürtig und keineswegs ein Lustobjekt, erzählt Nadia im Buch.
    Angst vor Boykott-Aufrufen
    "Wenn man meint, dass Frauen durch die Bloßstellung ihrer Formen aufgewertet werden, reduziert man sie auf ihren Körper. Frauen werden in der Werbung verunglimpft. Man trifft immer wieder auf dieselben Klischees. Eine halbnackte oder dumme Frau, die idiotische Fragen stellt. Wir werden in Szene gesetzt, um Spülmittel zu verkaufen. Jeder spült doch mal Geschirr, warum zeigt die Werbung nur Frauen. Für mich sind die Feministinnen, die den Schleier kritisieren, unseriös. Es gibt mehr als nur eine Version des Feminismus."
    Die Polemik rund um die 'islamische Mode', die kürzlich in Frankreich aufflammte, veränderte den Blick auf verschleierte Frauen. So hat inzwischen "Le Monde", das Referenzblatt unter den französischen Tageszeitungen, mehrfach Reportagen zu den Alltagssorgen und -Freuden junger Musliminnen veröffentlicht.
    Ein Thema, das Nilüfer Göle sehr am Herzen liegt. Göle ist Franko-Türkin und Soziologin. Jahrelang erforschte sie den Alltag der Muslime in Europa, die Studienergebnisse erschienen letztes Jahr in Buchform. Dass die Polemik zu 'islamischer Mode' ausgerechnet im Modeland Frankreich hochkochte, amüsiert Nilüfer Göle sehr.
    Die Muslime in Europa zeigen im Alltag ein neues Erscheinungsbild. Es sind nicht mehr strikt islamische oder traditionelle Weisen, ob aus der arabischen oder auch der türkischen Welt. Der Bezug zu traditionellen Stoffen und Schnitten ist verloren gegangen. Überhaupt gibt es bei uns keinen Unifomartigen Kleidungsstil, sondern eine Stil-Vielfalt. Den Soziologen obliegt es, die Banalität des Alltags aufzuzeigen. Aber die Diskussion ist heute so ideologisch aufgeheizt, dass man vorzieht, den Blick vor der Alltagsrealität zu verschliessen. Davor, zu entdecken, auf welche Art die Leute am gesellschaftlichen Leben teilhaben mit Normen und Formen, die unterschiedlich sind. Und die Mode übersetzt und begleitet dies.
    Die 'Burkini'-Polemik hat in Frankreich den Frontenkampf beim Thema Laizität neu angefacht. Die einen vertreten eine tolerante Auslegung des Laizitätsprinzips, gestehen Musliminnen das Recht zu, sich nach ihrer Fasson zu kleiden. Die Anderen, allen voran die Philosophin Elisabeth Badinter, plädieren für ein umfassendes Verhüllungsverbot, für eine strikte Auslegung des Prinzips der religiösen Neutralität im öffentlichen Raum, erinnert Florence Rochefort. Die Soziologin ist Mitglied der Arbeitsgruppe 'Gesellschaften, Religionen, Laizität'.
    "Heute scheint es einfacher, unter Bezug auf die Gleichstellung der Geschlechter etwas zu verbieten, anstatt die Rechte der Frauen zu verteidigen. Da kommt ein bisschen Zweifel auf an der so offiziel erscheinenden Frauenbewegung, der die strikt laizistisch denkenden Eliten angehören. Ein Teil von ihnen pflegt einen sehr verkrampften Umgang mit religiösen Fragen, vor allem beim Islam. Sie wollen rein gar nichts wissen vom Leben der Frauen. Dabei ist es Basis des Feminismus, vom Leben und von den Erlebnissen der Frauen auszugehen."
    Wenig Geschäfte für muslimische Frauen
    Beim muslimischen Jahrestreffen in der Messehalle von Le Bourget begutachtet eine junge Frau, einen bunten Schal sehr lässig um den Kopf gebunden, das reiche Sortiment eines Stands mit 'islamischer Mode': raffiniert geschnittene knöchellange Röcke, elegante Blusen, hippe, weite T-Shirts. Erst seit einem Jahr kleide sie sich keusch, mit Schleier. Gott zuliebe, der Umwelt zum Trotz, sagt die Mittzwanzigerin.
    "Was soll ich sagen? - Viele Mitmenschen blicken mich nun anders an. In der Berufswelt stehen mir wegen meiner Kopfbedeckung jetzt weniger Türen offen. Vielleicht muss ich am Arbeitsplatz irgendwann mal den Schleier ablegen, um den Job nicht zu verlieren. Ich denke, das werde ich mit der Religion und mit Gott dann schon ausmachen können."
    Die engen Hosen und die kurzen Hemdchen, ihre frühere Alltagskluft, trage sie nur noch vor ihren Freundinnen, sagt die junge Muslimin.
    "Ja, die 'islamische Mode' gibt es noch nicht allzu lange. Vielleicht ist sie aufgekommen, weil wir versuchen, uns anzupassen. Insgeheim beneiden wir wohl ein bisschen die unverschleierten Mädchen um uns herum. Deshalb sehen wir zu, uns schick zu kleiden, so gut es eben geht."
    Gerade mal eine Handvoll Boutiquen von Muslimen für Muslime hat in den vergangenen Jahren in Frankreich aufgemacht. Junge Modemacher setzen eher auf den Vertrieb ihrer Modelle via Internet. Nur dort können französische Käuferinnen auch den 'Burkini' oder die Ramadan-Kollektion einer großen spanischen Modekette finden. Die Firmen verzichten darauf, sie in Boutiquen in Paris oder anderswo im Land auszuhängen – aus Angst vor Skandalen und Boykott-Aufrufen.