Der islamische Gebetsruf in Berlin. Am 3. April durfte der Ruf des Muezzins der Dar as-Salam Moschee erstmals auf den Straßen von Neukölln erklingen. Gleichzeitig läuteten die Glocken der benachbarten Genezarethkirche. Die Aktion sollte laut gemeinsamer Mitteilung der Gemeinden "Hoffnung, Zuversicht und Solidarität" vermitteln. Doch sie mündete in einem medienwirksamen Eklat.
Geplant war, dass der Muezzinruf vorerst täglich um 18 Uhr erklingt, und jeden Freitag um 13:30. Doch bereits nach dem ersten Termin wurde die Aktion von den örtlichen Behörden wieder verboten. Denn die 300 überwiegend muslimischen Personen vor der Moschee verletzten das Versammlungsverbot und die Kontaktbeschränkungen.
Geplant war, dass der Muezzinruf vorerst täglich um 18 Uhr erklingt, und jeden Freitag um 13:30. Doch bereits nach dem ersten Termin wurde die Aktion von den örtlichen Behörden wieder verboten. Denn die 300 überwiegend muslimischen Personen vor der Moschee verletzten das Versammlungsverbot und die Kontaktbeschränkungen.
Annette Widmann-Mauz, Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, wurde in der Tageszeitung "Die Welt" zum Vorfall zitiert. Auch für gemeinsame Gebete dürfe es keine Ausnahmen geben, so Widmann-Mauz. Die Integrationsbeauftragte wolle muslimische Vertreter "in die Pflicht nehmen".
"Moscheen für die Gemeindemitglieder geschlossen"
Vertreter muslimischer Gemeinden zeigen sich verärgert.
"Wir haben uns darüber aufgeregt, weil wir als Muslime schon relativ früh unsere Moscheegemeinden für die Gemeindemitglieder geschlossen haben, obwohl die Politik das damals noch nicht als notwendig angesehen hat. Wir haben alles möglich gemacht, um sowohl unsere Mitglieder als aber auch die Gesellschaft nicht zu gefährden. Und wir sehen, dass Frau Widmann-Mauz diese Entwicklung nicht mitbekommen hat und dann mit einem Zeigefinger auf uns zeigt und sagt: ‚Wir müssen euch belehren‘. Das hat uns gestört", so Burhan Kesici, Vorsitzender des Islamrates für die Bundesrepublik Deutschland.
Ähnlich hat auch Lamya Kaddor, Gründungsvorsitzende des Liberal Islamischen Bundes und islamische Religionpädagogin, die Worte der Integrationsbeauftragten aufgefasst. Kaddor hält die Aussagen für grenzwertig:
"Nicht weil man sich insgesamt Gedanken darüber macht, wie Muslime den Ramadan in diesen Zeiten des Social Distancing handhaben wollen, sondern dass gezielt nur Muslime angesprochen wurden - und nicht beispielsweise gläubige Juden zu Zeiten des Pessach-Festes oder gläubige Christen während der Osterzeit anzusprechen. Diese Exklusivität, dass man nämlich nur Muslime in den Blickpunkt nimmt, das auch nur als Reaktion auf die Ansammlung dieser Menschen vor der Dar as-Salam Moschee in Berlin, als der Muezzinruf erklang, das halte ich für problematisch."
"Zum Wohle aller darauf verzichten"
Auf unsere Anfrage hin stellt Staatsministerin Widmann-Mauz klar, dass ihre Aussagen nicht explizit auf den islamischen Fastenmonat bezogen waren:
"Meine Äußerungen haben sich auf einen einzelnen Vorfall in Neukölln bezogen. Ich verstehe gerade jetzt ja den Wunsch nach dem gemeinsamen Gebet und nach der Gemeinschaft, aber trotzdem. Wir sollten aktuell zum Wohle aller darauf verzichten."
Und die Integrationsbeauftragte wisse, dass bereits zahlreiche muslimische Verbände in Deutschland schon vor mehreren Wochen dazu aufgerufen haben, "dass der Ramadan dieses Mal anders gefeiert werden muss. Und das ist gut und richtig. Es gibt auch schon sehr viele neue Ideen, wie das umgesetzt werden kann. Zum Beispiel mit Online-Gottesdiensten, oder Familientreffen über Videoanwendungen."
"Ich denke nicht, dass es zu größeren Verstößen kommen wird"
Burhan Kesici vom Islamrat ist es wichtig, daran zu erinnern, dass es sich bei der Aktion in Berlin nicht um ein reguläres Freitagsgebet gehandelt habe, sondern um ein interreligiöses Solidaritätsprojekt.
Mit Blick auf den nahenden Ramadan ist auch Lamya Kaddor zuversichtlich, "dass sich die allermeisten Musliminnen und Muslime an die Vorgaben rund um das Social Distancing und Hygienemaßnahmen halten werden. Ich denke nicht, dass es hier zu größeren Verstößen kommen wird. Was durchaus sein kann, das geht dann einher mit den Lockerungen dieser Maßnahmen zum Infektionsschutzgesetz, dass man sich dann im Rahmen der Familie trifft, sollte es solche Vorgaben dann geben."
Tatsächlich ist der Fastenmonat Ramadan traditionell eine Zeit des Zusammenrückens. Menschen laden einander ein, interreligiöse Veranstaltungen finden statt. Die Bundeskanzlerin hatte Muslime im vergangenen Ramadan zu einem gemeinsamen Fastenbrechen empfangen. Das wird es in diesem Jahr so nicht geben.
Der Ramadan lässt sich nicht verschieben
Auch Massenveranstaltungen – wie beispielsweise das beliebte Ramadan-Festival in Dortmund – wurden bereits vor Wochen abgesagt. So gibt es vereinzelt die Diskussion darüber, ob der Ramadan in diesem Jahr aufgrund des Coronavirus vielleicht verschoben werden sollte. Lamya Kaddor ist skeptisch:
"Dass das Fasten im Monat Ramadan verschoben wird, kann natürlich niemals von einer Institution einheitlich für alle Muslime weltweit vorgenommen werden, da der Islam keine klassische Hierarchie kennt, wie wir sie beispielsweise im Katholizismus kennen, indem der Papst, quasi verbindlich für alle gläubigen Katholiken, eine Vorgabe machen kann."
Zwar könne man die Fastenzeit also praktisch nicht verschieben, doch wer krank sei oder zur Corona-Risikogruppe gehöre, solle sich Gedanken darüber machen, ob er in diesem Jahr vielleicht das Fasten aussetzen sollte. Die islamische Religionspädagogin plädiert für religiöse Eigenverantwortung:
"Ich glaube, es ist viel besser, wenn man die Verantwortung für das Fasten im Monat Ramadan, wie eigentlich in jedem Jahr, auf das Individuum legt und jedem Muslim und jeder Muslimin empfiehlt, nach bestem Wissen und Gewissen zu entscheiden."