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"Islamischer Staat"
Eine Terrororganisation in der Defensive

Zum ersten Mal seit sieben Monaten hat sich der Anführer der Terrormiliz IS, Abu Bakr al-Baghdadi, wieder persönlich zu Wort gemeldet. Seine Botschaft: Dem IS gehe es gut, er wachse mit jedem Tag. Doch Berichten zufolge soll der IS im vergangenen Jahr 14 Prozent Fläche verloren haben. Die Terroristen stecken in der Defensive, aber viele IS-Anhänger macht das nur noch entschlossener.

Von Jürgen Stryjak |
    Irakische Truppen kämpfen gegen Dschihadisten der Terrormiliz IS, um die Umgebung der irakischen Provinzhauptstadt Ramadi zu sichern.
    Irakische Truppen kämpfen gegen Dschihadisten der Terrormiliz IS, um die Umgebung der irakischen Provinzhauptstadt Ramadi zu sichern. (afp / STR)
    Dass die Extremisten vom so genannten "Islamischen Staat" stark genug sind, um Terroranschläge auch in Europa auszuführen, das haben sie auf grausame Weise in Paris bewiesen. Wenn man ihrem Anführer Abu Bakr al-Baghdadi glaubt, dann gibt es für seine Anhänger ohnehin Grund zu Optimismus. "Vertraut darauf, dass Gott jenen den Sieg gewährt, die ihn anbeten", erklärte der selbst ernannte Kalif vor einer Woche in einer Audiobotschaft. "Unserem Staat geht es gut. Er wächst mit jedem Tag. Mit jeder Härte, die ihn ereilt, wird er stärker und entschlossener."
    Es war das erste Mal seit sieben Monaten, dass sich Baghdadi wieder persönlich zu Wort meldete – mit einer Predigt voller Drohungen und Durchhalteparolen. Nach Ansicht von Experten hat sie vor allem ein Ziel: Sie soll darüber hinwegtäuschen, dass der IS 2015 empfindlich getroffen wurde. Kurz vor Ende des Jahres entriss die irakische Armee den Dschihadisten die Provinzhauptstadt Ramadi. Haidar al-Abadi, der Ministerpräsident des Irak, feierte den Triumph: "So Gott will, werden wir die Terrormiliz jagen, Stadtviertel für Stadtviertel, so lange bis unser Land vom letzten ihrer Kämpfer gesäubert wurde. Den Einwohnern von Mossul verspreche ich, dass wir kommen werden, um sie zu befreien."
    IS-Kalifat ist kein Erfolgsmodell mehr
    Mossul ist die zweitgrößte Stadt des Landes. Sie wird seit anderthalb Jahren vom IS beherrscht. Seit geraumer Zeit wird eine Offensive gegen die Dschihadisten dort vorbereitet. Unterstützt wird die irakische Armee dabei von den USA. "Unsere Luftangriffe waren wichtig", betont Pentagon-Sprecher Steve Warren. "Allein in den vergangenen sechs Monaten haben wir über 600 Mal zugeschlagen, gegen 250 verschiedene IS-Ziele. Aber Mossul ist anders als Ramadi. Es ist eine große, große Stadt. Man wird besser ausgebildete Soldaten brauchen und mehr Ausrüstung und mehr Geduld."
    Berichten zufolge soll der IS im vergangenen Jahr 14 Prozent Fläche verloren haben. Doch die Stärke einer Terrororganisation kann man nicht in Quadratkilometern bemessen.
    Ausländische Kampfjets zerstörten zwar Hauptquartiere, Militärausrüstung sowie Wirtschaftseinrichtungen der Dschihadisten, zum Beispiel Erdöl-Förderanlagen. Auch fällt ihnen die Rekrutierung von Kämpfern zunehmend schwerer, da ihr Kalifat kein Erfolgsmodell mehr ist. Aber bislang konnte sich der IS auf viele dieser Herausforderungen einstellen.
    IS gedeiht auf den Trümmern regionaler Konflikte
    Allein mit Militäraktionen wird man ihn nicht besiegen können. In Syrien, im Irak, aber auch im Jemen und in Libyen gedeiht der IS auf den Trümmern regionaler Konflikte. Er steckt in der Defensive, aber viele seiner Anhänger macht das nur noch entschlossener, wie diesen Mann aus Raqqa, der inoffiziellen Hauptstadt des IS: "Ich schwöre bei Gott, dass unser Glaube mit jedem Angriff stärker wird", sagt er in den Ruinen eines Hauses, das gerade bei einem Luftangriff zerstört wurde. "Die ganze Welt hat sich gegen uns verbündet, aber Gott ist mit uns. Wir werden siegen."
    Mittelfristig könnte der IS im Irak und vielleicht auch in Syrien jenes Gebiet verlieren, in dem er jetzt noch regiert. Terroranschläge – auch im Westen – werden dann zu den letzten seiner Waffen gehören.