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Islamischer Staat
"Kunstschätze aus Palmyra bringen viel Geld"

Der "Islamische Staat" kämpft bislang vergeblich um die antike Stadt Palmyra in Syrien. Unter Archäologen herrscht erneut Angst vor der Zerstörung einer historischen Stätte - und auch vor deren Ausbeutung. "Die Kunstschätze bringen viel Geld. Das wissen alle Konfliktparteien in diesem Krieg", sagte der Archäologe Kay Kohlmeyer im Deutschlandfunk.

Kay Kohlmeyer im Gespräch mit Tobias Armbrüster |
    Die antike syrische Stätte Palmyra
    Die antike syrische Stätte Palmyra (imago/Greece Invision)
    Der "Islamische Staat" war zuletzt auf Palmyra vorgerückt, wurde dann aber zurückgedrängt. Palmyra hat eine große historische Bedeutung. "Auf rund zwölf Quadratkilometern sind gut erhaltene Ruinen vorhanden", sagt Kohlmeyer. In Palmyra gebe ein Zusammenkommen westlicher und östlich-orientalischer Kultur. "Das ist eine weltweit einmalige archäologische Fundstätte. Es ist, als ob die Stadt seit gestern dort steht - nur die Dächer fehlen."
    Zerstörung ist eine Methode des IS
    Die historische Stätte stamme aus dem dritten Jahrhundert. "Es war eine sehr, sehr reiche Stadt", so Kohlmeyer. Und noch immer könne man bei Ausgrabungen vieles hervorholen. "Die Kunstschätze sind auf dem Kunstmarkt seit langem sehr begehrt und bringen viel Geld. Das wissen alle Konfliktparteien in diesem Krieg."
    Doch nicht nur die Ausbeutung, auch die Zerstörung gehört zu den Methoden des "Islamischen Staates", der im Irak und in Syrien schon viele Kulturgüter zerlegt hat. "Es ist eine Taktik dahinter", sagt Kohlmeyer. "Sie wissen, dass Palmyra für einen multikulturellen Ansatz in Syrien steht. Und den wollen sie ausrotten, wie sie es im Irak tun." Auch strategisch sei Palmyra attraktiv. Die Stadt liegt zwischen Raqqa und Damaskus und verfügt zudem über einen Flughafen.

    Das Interview in voller Länge:
    Tobias Armbrüster: Es ist eine erbitterte Schlacht, die sich die Milizen des sogenannten Islamischen Staates zurzeit mit Truppen der syrischen Armee liefern. Gekämpft wird um die Stadt Palmyra im Zentrum von Syrien. Die Stadt gilt unter Archäologen und Kunstgeschichtlern als einzigartiges Juwel mit vielen Bau- und Kunstwerken der nahöstlichen Antike. Zwar scheinen die IS-Kämpfer in dieser Schlacht zunächst mal zurückgedrängt. Das hören wir seit gestern Abend. Aber gefährlich bleibt die Lage nach wie vor und man kann davon ausgehen, dass der IS in Palmyra zahlreiche Bauwerke dieser Stadt zerstören würde, wenn den Dschihadisten die Einnahme dort doch noch glücken sollte.
    Am Telefon ist jetzt ein Mann, der so etwas genau verfolgt: Kay Kohlmeyer, Professor für Archäologie an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin. Schönen guten Morgen, Herr Kohlmeyer.
    Kay Kohlmeyer: Guten Morgen, Herr Armbrüster.
    Armbrüster: Herr Kohlmeyer, was genau ist das Besondere an dieser Stadt, an Palmyra?
    Kohlmeyer: Sie müssen sich vorstellen, dass da auf rund zwölf Quadratkilometern Ruinen anstehen, und zwar sehr gut erhalten, darunter ein Tempel, der ist allein 200 auf 200 Meter groß, und das ist eine einmalige Situation.
    Palmyra steht für das Zusammenwachsen, das Zusammenkommen von westlicher Kultur und östlicher orientalischer, auch in den Bildwerken, und es ist weltweit gesehen eine einmalige archäologische Fundstätte, auch ein Touristenmagnet natürlich.
    "Es ist, als ob die Stadt von gestern noch dort stehen würde"
    Armbrüster: Abgesehen von dieser Tempelanlage, was sieht man dort sonst noch?
    Kohlmeyer: Man sieht Grabtürme. Man sieht eine Menge öffentlicher Gebäude, eine Kolonadenstraße. Das kann man sich gar nicht vorstellen. Es ist, als ob die Stadt von gestern noch dort stehen würde, bloß die Dächer fehlen.
    Armbrüster: Warum ist das alles so gut erhalten?
    Kohlmeyer: Das lag einmal abseits des politischen Geschehens in der syrischen Wüstensteppe, und die Stadt wurde in der Antike auch wegen ihrer Position im Allgemeinen geschont. Die Römer wie auch die Parter, die sich gestritten haben, haben Palmyra grundsätzlich geschont, weil es eine Vermittlerrolle spielte auf diesen Karawanenwegen und eine große wirtschaftliche Bedeutung hatte.
    Armbrüster: Wer hat denn da ursprünglich gelebt? Wer hat das alles aufgebaut?
    Kohlmeyer: Im Ursprung ist die Stadt sogar altorientalisch und geht bis in die Zeit um 2000 vor Christus zurück. Aber das, was man heute dort sieht, das stammt aus den ersten drei nachchristlichen Jahrhunderten.
    Da hat ein arabischer Stamm gelebt mit einer berühmten Königin am Ende, Zenobia, der seine eigene Rolle gespielt hat zwischen Westen und Osten und der diese Karawanen bei sich untergebracht hat, Karawanenführer gestellt hat und für den Handel, Überland-Handel zuständig war - eine sehr, sehr reiche Stadt.
    Armbrüster: Sie waren ja mehrmals da, Herr Kohlmeyer, auch vor allem als Archäologe. Wie ist denn da die Lage bei den Ausgrabungen? Ist da sozusagen alles entdeckt und freigelegt, oder kann man da noch viel Weiteres an Kunstschätzen aus dem Boden rausholen?
    Kohlmeyer: Da kann man leider noch sehr viel rausholen und die Kunstschätze aus Palmyra sind auf dem Kunstmarkt sehr begehrt, und zwar seit Langem, schon seit dem letzten Jahrhundert. Die bringen sehr viel Geld. Das ist sicherlich auch einer der Aspekte, das wissen alle Konfliktparteien in diesem Krieg.
    "Strategen wissen, wofür Palmyra steht"
    Armbrüster: Und was befürchten Sie, wenn der IS dort tatsächlich einmarschieren sollte?
    Kohlmeyer: Dasselbe wie im Nordirak, dass er ein Fanal setzt und dort zerstört. Man darf ja nicht vergessen, es ist ja auch eine gewisse Taktik dahinter. Es sind ja einerseits diese etwas dumpfen Krieger da, das Fußvolk, aber die Strategen selbst haben natürlich schon ihre Ziele und sie wissen, wofür Palmyra steht, eben für diesen multikulturellen Ansatz in Syrien, und den wollen sie natürlich ebenso ausrotten wie sie es im Irak tun.
    Armbrüster: Vielleicht können wir darüber noch mal genauer sprechen. Welche Rolle spielt denn diese Stadt tatsächlich für Syrien heute? Palmyra ist ja nach wie vor eine Stadt, die auch bewohnt ist, zumindest in Teilen.
    Kohlmeyer: Die neue Stadt liegt am Rand der antiken Fundstätte. Die hat primär davon gelebt, dass dort Zehntausende von Touristen waren, immer wieder hinkamen. Tadmor, die heutige Stadt, hat natürlich auch eine sehr negative Belegung. Dort befindet sich ein Gefängnis mit einer sehr langen traurigen Geschichte und auch ein Flughafen, und auf den hat es natürlich der IS auch abgesehen. Das ist ganz klar. Und strategisch gesehen: Schauen Sie, Sie sind in zweieinhalb Stunden von Raqqa in Palmyra und von da noch mal in zweieinhalb Stunden in Damaskus.
    Armbrüster: Ist das dann auch immer ein Zentrum für den Tourismus gewesen in Syrien?
    Kohlmeyer: Ja, ja. Das ist Hauptanziehungspunkt für den Tourismus gewesen. Da gibt es große moderne Hotels - jetzt, muss man sagen. Früher war das wirklich noch eine Oase. Es gab keine Touristenreise, bei der nicht Palmyra mit auf dem Programm stand.
    Es ist auch sehr beeindruckend, das muss man sagen. Sie kommen durch die Wüstensteppe, die so ein bisschen öde ist, und sehen plötzlich diese Oase vor sich mit den anstehenden Tempeln. Das ist einmalig, ich kenne keinen vergleichbaren Anblick.
    "So etwas gibt es einfach nicht nochmal in der Welt"
    Armbrüster: Vielleicht ist genau das ein Punkt. Was macht diese Stadt so einzigartig, dass man sie nicht so leicht vergisst, oder dass man sie als so einzigartig empfindet?
    Kohlmeyer: Das ist dieser Eindruck einer monomentalen Architektur, die sowohl römisch ist, aber auch orientalische Aspekte hat in ihrer Üppigkeit, und so etwas gibt es einfach nicht noch mal in der Welt.
    Armbrüster: War das denn im Laufe der Jahrhunderte auch schon mal umstritten, oder lag diese Stadt tatsächlich immer in so einer Art Dornröschen-Schlaf?
    Kohlmeyer: Die ist relativ früh entdeckt worden, im 18. Jahrhundert schon, und es ist auch viel ausgegraben, untersucht und ausgegraben worden, auch wiederaufgebaut worden, weil die Substanz eben so gut ist und weil wirklich selbst bei den neueren Grabungen, die dort stattgefunden haben, den syrischen, dann aber auch den deutschen, immer wieder erstaunliche Kunstwerke zutage kamen.
    Armbrüster: Zum Beispiel?
    Kohlmeyer: Die Grabbüsten, die berühmten palmyrenischen, die schon einmalig auch sind. Das ist eine ganz eigenartige Mischkultur, kann man sagen, die auch sehr eindrucksvoll ist.
    "Die Wege von Raqqa nach Palmyra sind nicht kontrollierbar"
    Armbrüster: Haben Sie Kontakt zu Archäologen, die dort in jüngster Zeit noch einmal waren?
    Kohlmeyer: Es ist kein Archäologe mehr in Syrien seit Ende 2010. Das Institut dort ist abgezogen worden. Ich habe nur Kontakt zum syrischen Antikendienst, und gerade jetzt hat ja der Generaldirektor gesagt, die akute Gefahr wäre vorbei.
    Ich sehe das etwas skeptisch, weil einmal sind sie dort hingekommen, dann werden sie auch wieder dort hinkommen, und die Wege von Raqqa nach Palmyra sind nicht kontrollierbar.
    Armbrüster: Aber bis 2010 war tatsächlich jemand da?
    Kohlmeyer: Ja., ja. Da war immer eine aktive Grabung auch und es waren diese vielen, vielen Touristen, die dort hingereist sind.
    "Das wäre wirklich ein Zeichen, das da gesetzt würde"
    Armbrüster: Was ist denn Ihre größte Befürchtung, dass die Kunstwerke dort zerstört werden, oder dass sie auf dem Kunstmarkt verkauft werden?
    Kohlmeyer: Was transportabel ist wird verkauft. Wenn man das Museum dort plündert, dann hat man eine Menge Bargeld in der Kasse. Aber das andere ist natürlich, wenn, sagen wir mal, diese große Tempelruine des Baaltempels gesprengt würde, das ist unvorstellbar. Das wäre wirklich ein Zeichen, das da gesetzt würde.
    Armbrüster: Der Archäologe Kay Kohlmeyer war das über Palmyra, die Stadt im Zentrum von Syrien, die seit Tagen umkämpft ist zwischen Milizen des sogenannten Islamischen Staates und der syrischen Armee. Vielen Dank, Herr Professor Kohlmeyer, für das Gespräch heute Morgen.
    Kohlmeyer: Bitte sehr. Auf Wiederhören!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.