Der UNO-Sicherheitsrat hatte in der Nacht eine Resolution verabschiedet, mit der die Staaten zu schärferen Kontrollen von mutmaßlichen Extremisten verpflichtet werden sollen. Ströbele betonte, die Resolution wende sich in erster Linie gegen Länder wie die Türkei, Katar oder andere Golfstaaten, "und da ist es auch völlig berechtigt."
In Deutschland gebe es seit 2009 zwei Paragrafen im Strafgesetzbuch, nach denen die Vorbereitung staatsgefährdender Straftaten kriminell sei, betonte Ströbele. Darunter falle es, wenn Menschen sich unterwiesen lassen in der Herstellung oder im Umgang mit Schusswaffen, Sprengstoff und Ähnlichem - auch wenn das im Ausland passiere.
Das vollständige Interview
Dirk-Oliver Heckmann: Im Fall der Bombardierung Syriens ist der UNO-Sicherheitsrat mal wieder gespalten. Russland hat die Militäraktion der USA als völkerrechtswidrig massiv kritisiert. Dennoch ist es den Amerikanern gelungen, eine Resolution durch den Sicherheitsrat zu bringen. Wichtigster Teil: Die Mitgliedsstaaten sollen dafür sorgen, dass Bürger strafrechtlich belangt werden, wenn sie zu terroristischen Zwecken ins Ausland reisen. Allein der Besuch von sogenannten Terror-Camps soll also unter Strafe gestellt werden. Derweil läuft die Vollversammlung der Vereinten Nationen weiter. Mitten hinein platzte die Meldung von der brutalen Enthauptung der französischen Geisel in Algerien.
Der UNO-Sicherheitsrat verlangt also, dass bereits der Besuch von Terror-Lagern unter Strafe gestellt werden soll. Das ist in Deutschland nicht der Fall. Kann das so bleiben? Norbert Röttgen von der CDU - er ist Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages - gab sich dazu hier im Deutschlandfunk heute früh eher unentschieden.
Der UNO-Sicherheitsrat verlangt also, dass bereits der Besuch von Terror-Lagern unter Strafe gestellt werden soll. Das ist in Deutschland nicht der Fall. Kann das so bleiben? Norbert Röttgen von der CDU - er ist Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages - gab sich dazu hier im Deutschlandfunk heute früh eher unentschieden.
O-Ton Norbert Röttgen: "Das muss rechtlich, rechtspolitisch geprüft werden. Dass das strafwürdig ist, würde ich bestätigen. Es hat allerdings auch erhebliche Schwierigkeiten um den Nachweis von Strafbarkeit. Also das ist ein Thema, das ich für diskussionswürdig halte. Zu welchem Ergebnis man da kommen wird, ist nicht leicht zu sagen, weil es dann auch eine realistische Norm sein muss, deren Strafbarkeit dann auch realistisch sichtbar sein muss. Das muss man abwägen."
Heckmann: Soweit der CDU-Politiker Norbert Röttgen heute früh im Deutschlandfunk. - telefonisch verbunden sind wir mit Hans-Christian Ströbele von Bündnis 90/Die Grünen. Er ist Mitglied im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages und dort erreichen wir ihn auch. Schönen guten Tag, Herr Ströbele.
Hans-Christian Ströbele: Guten Tag! - nicht aus dem Rechtsausschuss, aber aus dem Untersuchungsausschuss komme ich.
Heckmann: Aus dem Untersuchungsausschuss kommen Sie, aber Sie sitzen im Rechtsausschuss. Soweit zur Aufklärung. - Herr Ströbele, in Deutschland steht es nicht unter Strafe, Terror-Ausbildungslager zu besuchen. Das ist für den Durchschnittsbürger nicht nachvollziehbar.
Ströbele: Das stimmt auch nicht. Im Jahr 2009 sind zwei Paragrafen ins Strafgesetzbuch eingefügt worden, die Paragrafen 89a und b, und danach ist die Vorbereitung schwerer staatsgefährdender Gewalttaten, etwa indem man sich unterweisen lässt in der Herstellung oder im Umgang mit Schusswaffen, Sprengstoff und Ähnliches, unter Strafe gestellt, wenn dadurch der Bestand, die Sicherheit eines Staates oder einer internationalen Organisation beeinträchtigt wird. Also es geht nicht nur um Deutschland; es ist ausdrücklich geregelt, dass diese Vorbereitung auch im Ausland begangen werden kann. Das heißt, die Kollegen, die jetzt neue Strafgesetze fordern, die sollten erst mal ins Strafgesetzbuch gucken. Da gibt es nämlich auch noch den Paragraf 129b, wonach die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland auch strafbar ist und gar die Mitgliedschaft oder Mitwirkung.
Heckmann: Das heißt, Sie sagen ganz klar, es gibt da gar keine Schutzlücke, es gibt keinen Bedarf für den deutschen Gesetzgeber, hier nachzubessern oder sich Gedanken zu machen, so wie es ja teilweise auch gefordert wird von Seiten von Politikern wie beispielsweise Norbert Röttgen heute früh bei uns im Deutschlandfunk.
"Grundsätzlich auch in Deutschland strafbar"
Ströbele: Nein! Man muss natürlich diese Dinge, die ja im Jahr 2009 entstanden sind, noch mal genau überprüfen, ob da eine Lücke sein sollte. Aber grundsätzlich ist das auch in Deutschland strafbar. Das bedarf, wenn die Tat im Ausland begangen wird, der Genehmigung oder der Zustimmung des Justizministeriums. Das ist beim 129b des Strafgesetzbuches ähnlich. Das heißt, diese Resolution, die jetzt der UNO-Sicherheitsrat verabschiedet hat, einstimmig, die wendet sich, glaube ich, in erster Linie gegen Länder wie beispielsweise die Türkei, aber auch Katar oder andere Golf-Staaten, und da ist das auch völlig berechtigt, weil wir hören ja immer wieder und die erzählen das ja zum Teil selber von Personen, die aus Europa, aber auch aus anderen Ländern über die Türkei ganz normal mit dem Bus nach Syrien fahren und dann dort sich bei der ISIS melden und ausbilden lassen und kämpfen.
Heckmann: Wenn Sie sagen, Herr Ströbele, das muss noch mal genauer geprüft werden, ob denn tatsächlich diese Aktion unter das Gesetz fällt, nämlich ein Terror-Lager zu besuchen, ob das in der Tat strafbar ist, dann schließe ich doch daraus, dass Sie sich nicht ganz hundertprozentig sicher sind.
Ströbele: Nein! Bisher kenne ich keinen Fall, wo eine Strafverfolgung einer Person, der man das nachweisen kann, gescheitert ist, etwa weil es keine gesetzliche Grundlage gibt. Aber es mag sein, es mag Fälle, Situationen geben, die in dem Gesetz nicht ausreichend berücksichtigt worden sind.
Richtig ist an dem, was der Kollege Röttgen gesagt hat, dass der Nachweis das eigentliche Problem ist. Wissen Sie, wenn jemand jetzt in die Türkei fährt, oder sich auf den Weg macht über die Balkan-Staaten und Deutschland verlässt, nur weil er einen Bart hat und vielleicht den Koran in der Tasche ihn dann nicht reisen zu lassen, oder ihn gar strafrechtlich zu verfolgen - Sie können ja nicht in ihn hineingucken und wissen nicht, was er für Absichten hat und was er tatsächlich will. Und selbst wenn er in der Türkei ist und da herumreist, vielleicht auch in die Nähe der syrischen Grenze oder der irakischen Grenze, dann muss das ja auch noch nicht heißen, dass er tatsächlich jetzt schreckliche Straftaten, Gewalttaten bis hin zum Mord durchführen will. Das ist das Problem. Auch wenn die Leute wiederkommen: Wenn die so was gemacht haben, sich vorbereitet haben, dann wäre das auch strafbar, dann wäre das auch eine Unterstützung einer terroristischen Vereinigung. Aber es ist ja da keiner dabei, der dann nachher hier als Zeuge dienen kann, jedenfalls in der Regel nicht. Das heißt, wenn der sagt, ich war da in der Gegend, aber ich habe doch so was nicht gemacht, dann müssen wir das nachweisen, und daran wird es häufig hapern.
Richtig ist an dem, was der Kollege Röttgen gesagt hat, dass der Nachweis das eigentliche Problem ist. Wissen Sie, wenn jemand jetzt in die Türkei fährt, oder sich auf den Weg macht über die Balkan-Staaten und Deutschland verlässt, nur weil er einen Bart hat und vielleicht den Koran in der Tasche ihn dann nicht reisen zu lassen, oder ihn gar strafrechtlich zu verfolgen - Sie können ja nicht in ihn hineingucken und wissen nicht, was er für Absichten hat und was er tatsächlich will. Und selbst wenn er in der Türkei ist und da herumreist, vielleicht auch in die Nähe der syrischen Grenze oder der irakischen Grenze, dann muss das ja auch noch nicht heißen, dass er tatsächlich jetzt schreckliche Straftaten, Gewalttaten bis hin zum Mord durchführen will. Das ist das Problem. Auch wenn die Leute wiederkommen: Wenn die so was gemacht haben, sich vorbereitet haben, dann wäre das auch strafbar, dann wäre das auch eine Unterstützung einer terroristischen Vereinigung. Aber es ist ja da keiner dabei, der dann nachher hier als Zeuge dienen kann, jedenfalls in der Regel nicht. Das heißt, wenn der sagt, ich war da in der Gegend, aber ich habe doch so was nicht gemacht, dann müssen wir das nachweisen, und daran wird es häufig hapern.
Heckmann: Der Chef des Bundeskriminalamts, Jörg Ziercke, der verlangt schärfere Gesetze, um effektiver gegen islamistische Terroristen vorgehen zu können. Auch der Gesetzgeber sei hier gefragt, einen zeitgemäßen Rechtsrahmen zu schaffen. Das sind alles Forderungen, die für Sie überflüssig sind?
Ströbele: Ja, der soll mal genau sagen, was er jetzt zusätzlich unter Strafe stellen will, was seiner Auffassung nach nicht strafbar sein soll. Wir haben ja vor ein paar Wochen noch diskutiert, ob beispielsweise das Sammeln von Geld für solche Zwecke strafbar ist, und genau das ist auch in dem Paragraf 89a vorgesehen, nämlich wer für eine solche Begehung einer solchen Straftat nicht unerhebliche Vermögenswerte sammelt, entgegennimmt oder zur Verfügung stellt, der ist danach auch strafbar. - Ich will ja nicht sagen, das deckt alles ab, weil das tatsächlich ja jetzt eine etwas neue Situation ist, aber man muss vorsichtig sein und nicht jetzt gleich nach dem Gesetzgeber rufen, ohne zu sagen, wo denn eigentlich die Lücke ist, wen man nicht verfolgen kann, strafrechtlich, weil die Gesetze...
Heckmann: Da scheint die Leitung sehr schlecht geworden zu sein, möglicherweise sogar abgebrochen. Herr Ströbele, sind Sie noch am Apparat?
Ströbele: Nein, nein!
Heckmann: Sie können uns noch hören, wir versuchen es noch mal weiter. Die Leitung ist allerdings jetzt sehr schlecht geworden. - Herr Ströbele, wie stehen Sie denn insgesamt jetzt zu den Luftschlägen, die die Amerikaner mit ihren Verbündeten seit gestern ausüben, gegen die Stellungen der IS auch im Norden Syriens?
Ströbele: Ich verstehe nicht, warum der Weltsicherheitsrat sich mit diesem Thema nicht befasst hat und nicht schon lange befasst worden ist. Es kann nicht sein, dass über eine so schwerwiegende gravierende Kriegseinmischung der amerikanische Präsident, meinetwegen auch die Bundesregierung oder die syrische Regierung entscheidet, aber nicht...
Heckmann: Ich denke, an der Stelle müssen wir das Interview leider abbrechen, Herr Ströbele. Die Leitung ist einfach zu schlecht. Wir haben Hans-Christian Ströbele per Mobiltelefon im Deutschen Bundestag erreicht. Da scheinen die Mauern doch so dick zu sein, dass die Verbindung nach draußen hin schwierig ist. Herr Ströbele, ich danke Ihnen für das Gespräch.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.