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Islamismus
Gefängniswärter im Kampf gegen Radikalisierung

Gefängnisse können die Radikalisierung befeuern. In der JVA Mannheim lernen die Mitarbeiter deshalb, gewaltbereite Islamisten zu erkennen. Bisher gibt es dort zwar nur wenige Männer mit salafistischen Tendenzen, ihre Zahl könnte aber bald deutlich steigen.

Von Michael Brandt |
    Blick aus dem Innenhof auf die Mauern der JVA Mannheim.
    Blick aus dem Innenhof auf die Mauern der JVA Mannheim. (picture alliance / dpa / Ronald Wittek)
    Die JVA Mannheim ist der größte Knast in Baden-Württemberg, knapp 750 Haftplätze, die meisten im zentralen Gebäude in der Mannheimer Neckarstadt, erbaut vor mehr als 100 Jahre im sogenannten pennsylvanischen Stil, ein sternförmiger Backsteinbau, bei dem ein einziger Justizbediensteter in der Mitte alle Einzel- und Doppelzellen in fünf Trakten und vier Stockwerken im Blick hat.
    "Vier Stockwerke jeweils, die sind etwa ähnlich aufgebaut, neben den Hafträumen gibt es Stockwerksbüros und Duschen".
    Die Nationalitäten sind hier in der JVA so bunt gewürfelt wie in der Multi-Kulti-Stadt Mannheim selbst. An die 40 Prozent sind Ausländer, die meisten aus dem Mittelmeerraum, eine ganze Reihe von ihnen Muslime. Und eine winzige Minderheit von ihnen hat mit Islamismus oder Salafismus zu tun. Vier von rund 7500 Häftlingen in Baden-Württemberg, so Landesjustizminister Rainer Stickelberger.
    "Derzeit ist die Situation nicht besorgniserregend, Wir haben etwa vier Gefangene, bei denen wir salafistische Tendenzen feststellen; die haben wir besonders im Auge, beobachten die."
    Zahl der Dschihadisten hinter Gittern könnte zunehmen
    Zwei von ihnen wurden kürzlich in Stuttgart im sogenannten IS-Prozess zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt, einer von ihnen war bereits im islamistischen Kampfeinsatz in Syrien, der zweite war gerade unterwegs dorthin. Noch sind es Einzelfälle, so der Minister. Aber nach Kenntnis des baden-württembergischen Innenministeriums halten sich derzeit rund 30 Dschihadisten aus Baden-Württemberg im Nahen Osten auf.
    "Die Situation kann sich schlechter entwickeln, wenn etwa Syrien-Rückkehrer kommen, die dort gekämpft haben und dann nach entsprechender Verurteilung inhaftiert werden."
    Der Justizvollzug versucht, sich auf diese Herausforderung einzustellen. Anstaltsleiter Weber spricht von einem Indikatorenkatalog, mit das Personal lernen soll, Islamisten zu erkennen; von neuen Wegen in der Ausbildung von Wachpersonal und Fortbildung für die älteren Bediensteten.
    "Das sind die äußeren Anzeichen, die sind erste Indikatoren, und natürlich die sonstigen Verhaltensweisen, wenn sich einer zurückzieht aus der Gemeinschaft."
    Häftling Sven Lau
    Dann kann das bedeuten, dass die Saat der salafistischen Prediger bei ihm aufgeht. Aber was, wenn ein Prediger selbst einsitzt? In Mannheim war das vor einem Jahr so: Der Konvertit Sven Lau aus Mönchengladbach war im Zusammenhang mit dem Stuttgarter IS-Prozess ebenfalls festgenommen worden und saß einige Monate in Mannheim ein. Vor seinem Haftantritt hatte er angekündigt, dass er im Knast missionieren wolle, und danach hatte er in einem Internetvideo verkündet:
    Der Salafist Sven Lau bei einer Kundgebung in Köln 2012
    Der Salafist Sven Lau bei einer Kundgebung in Köln 2012 (dpa / picture-alliance / Marius Becker)
    "Ich war beim Umschluss mit den Muslimen und wir haben gebetet, das ist wie den Islam annehmen."
    In der JVA in Mannheim will sich niemand offen zu Sven Lau und seiner Haftzeit äußern, hinter vorgehaltener Hand ist zu hören, dass Lau wie alle, die zum ersten Mal im Knast sitzen, Probleme mit der neuen Situation hatte - und sich an den evangelischen Gefängnispfarrer wandte. Der Mann heißt Gotthold Patberg, darf ebenfalls nicht zu dem Fall sagen, aber immerhin allgemein äußert er sich zum Thema Hassprediger im Gefängnis:
    "Jeder, der hierher kommt, muss erst mal mit der Haftsituation kämpfen und selber gucken, wie er zurechtkommt."
    Auf den Fall Lau angesprochen, erklärt schließlich Justizminister Stickelberger, dass damals in enger Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz sehr genau aufgepasst wurde:
    "Wir haben Auge und Ohr überall, wenn sie so wollen. Und ich glaube, mit den Möglichkeiten, die wir haben, können wir verhindern, dass sich solche Tendenzen ausbreiten in unseren Haftanstalten."
    "In unseren Haftanstalten" - aber das ist natürlich nur der eine Teil des Problems. Unter anderem der Stuttgarter IS-Prozess hat gezeigt, dass junge Menschen besonders in Lebenskrisen anfällig für salafistische Missionierung sind. Und die Krisen fangen oft mit der Haft an, sind aber nach der Haftentlassung oft noch keineswegs zu Ende.