So meldet sich die Hotline gegen gewaltbereiten Salafismus. Besorgte Eltern, Lehrer oder Jugendliche rufen dort an. Die Berater am anderen Ende der Leitung sind selbst Muslime. Sie sollen sich um gefährdete junge Leute kümmern. Sie treten aber nicht an die Öffentlichkeit aus Sorge um Ihre Sicherheit.
Stattdessen erklärt Friederike Müller die ersten Erfahrungen mit dem Präventionsprogramm. Sie ist Geschäftsführerin des IFAK e.V., eines multikulturellen Vereins, bei dem die Sozialarbeiter der Bochum Beratungsstelle arbeiten.
"Wir haben festgestellt, dass bisher bei allen Fällen, die gemeldet wurden, immer irgendwelche Brüche da waren, es in der Schule völlig schräg läuft, der Ausbildungsplatz nicht gefunden wird, es große Konflikte im Elternhaus gibt. Und das ist das erste Erstaunliche: dass sich bisher alle Fälle, die sich gemeldet hatten von Schule oder Einrichtungen, tatsächlich auf dieses Erstgespräch eingelassen haben. Nicht gesagt haben, ihr könnt mir gestohlen bleiben, was soll ich mit solchen Leuten sprechen, ich bin nicht verpflichtet dazu."
Den Salafisten nicht das Feld überlassen
Das Innenministerium glaubt: Es sei wichtig, im Vorfeld zu erkennen, wenn sich junge Muslime in schwierigen Lebenslagen dem radikalen Islamismus zuwenden. Und ihnen dann zu helfen. Miriam betreibt in einer Bochumer Hochhaussiedlung einen Kiosk und studiert nebenbei. Sie findet es vor allem gut, dass den Salafisten nicht das Feld überlassen wird.
"Ich bin selber Muslimin, wir sind zwar religiös, wir beten fünf Mal am Tag, aber ich trage kein Kopftuch, also mein Papa würde mir auch gar nicht erlauben, Kopftuch zu tragen, wenn ich das machen wollte. Ich finde es schon auf einer Seite gut mit der Hotline, dass die sich Gedanken machen und die Jugendlichen auf den richtigen Weg bringen wollen. Ich finde, das meiste müssten eigentlich die Eltern machen."
Doch wenn der Staat Jugendliche vor dem Salafismus schützen will, kann das auch einen Abwehrreflex hervorrufen. Selbst bei jungen Muslimen, die nicht im Kaftan herumlaufen. Salafisten seien doch nur Leute, die sich an den Gefährten Mohammeds orientieren, meint der Abiturient Seri .
"Alles was im Koran steht, das bezeuge ich auch. Und da steht nicht drin, dass man irgendwelche Menschen töten soll oder dass man kleine Kinder manipulieren soll. Von daher ist es nicht die Frage, ob man was gegen Salafismus tun sollte, sondern gegen die Menschen, die den Koran falsch interpretiert haben. Oder vorgeben Moslems zu sein, um den Glauben schlecht zu machen."
Salafisten-Prediger auf Spendenveranstaltungen
Unweit des Düsseldorfer Hauptbahnhofs geht es durch das Tor einer Garageneinfahrt in die Büroräume des Vereins Ansaar International. Hier, in einem Souterrain, werden Kaftane verkauft und Spenden gesammelt. Ansaar organisiert Hilfsprojekte für Muslime in Krisengebieten - und wird vom Verfassungsschutz NRW beobachtet. Auch, weil auf Spendenveranstaltungen Salafisten-Prediger auftraten. Der Leiter des Vereins, Abdurahman Kaiser distanziert sich von den Gewaltbereiten. Er fühlt sich aber zugleich diffamiert:
"Das Projekt an sich, dass man Jugendliche vom Extremismus fernhalten soll, finde ich es gut. Wir selber haben mit vielen Jugendlichen, die sich durch ein ISIS-Video haben verführen lassen, diskutiert. Wir selber machen dieselbe Arbeit, aber so dass uns wirklich Jugendliche zuhören. Indem wir nicht irgendwelche Lügenworte wie Salafismus benutzen, die dann die BILD-Zeitung benutzt, die einem Jugendlichen sofort das Herz zumachen. Das er dann gar nicht mehr als authentisch empfindet."
Dass die Kriegsverbrecher der ISIS und die salafistische Szene eine gemeinsame ideologische Basis haben, wird dabei übergangen. Die extrem konservative Auslegung des Islam. Die pauschale Bezeichnung von Andersgläubigen als Ungläubige.
"Wegweiser" helfen weiter
Dem kann man vorbeugen, glaubt Friederike Müller von der Präventionsstelle in Bochum. Sie schildert den Fall eines Jungen, in dessen Familie der Islam kaum eine Rolle spielte. Der Sohn interessierte sich aber immer mehr für die Religion. Am Ende sagte er, dass er als Kämpfer nach Syrien reisen will. Die Eltern wussten nicht weiter. Der Berater des Wegweiser-Projekts hat mit ihm über den Islam diskutiert. Ihm gezeigt, dass er das in Deutschland auch studieren kann.
"Eben eine konstruktive Lösung zu suchen, welche Möglichkeiten hast Du, diesem Bedürfnis nachzukommen, ohne mit dieser Gesellschaft zu brechen. Und ich finde, das ist eigentlich gar nicht so schwer. Also man muss auch hinter die Motive von Jugendlichen gucken. Es stecken manchmal in bestimmten Äußerungen ganz andere Beweggründe von Jugendlichen als es augenscheinlich so ist."