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Islamisten-Miliz
"Kunsthandel spült Millionen in Isis-Kriegskasse"

Die islamistische Isis-Terrorgruppe finanziert ihre Kriegsmaschinerie auch durch den Verkauf antiker Kunstschätze. Das sagte die Ägyptologin Ulrike Dubiel im Deutschlandfunk. Es gehe um Tausende geraubte Artefakte aus dem Irak und Syrien - sie landen am Ende landen bei Privatsammlern oder sogar in Museen.

Ulrike Dubiel im Gespräch mit Karin Fischer |
    Vermummte, mit Raketenwerfern und Maschinengewehren bewaffnete Männer stehen vor einer Mauer.
    Sunnitische Kämpfer haben bereits große Teile des Irak erobert. (picture alliance / dpa / Mohammed Jalil)
    Karin Fischer: Zunächst aber nach Syrien und in den Irak. Der Krieg der Isis dort hat viele Opfer gefordert, auch aufseiten der Kunst. Im Eroberungsgebiet der Islamisten-Miliz liegt beispielsweise der Siedlungshügel Tell Halaf, der 1899 vom Kölner Bankierssohn Max von Oppenheim ausgegraben wurde. Die große Entdeckung damals ein aramäischer Fürstensitz aus dem frühen ersten Jahrtausend vor Christus. In der Tell-Halaf-Ausstellung in der Bonner Bundeskunsthalle, die gerade noch läuft, sind monomentale steinerne Bildwerke zu sehen. Gestern alarmierte die Berliner Ägyptologin und Kuratorin der Bonner Schau, Ulrike Dubiel, die Öffentlichkeit mit der Nachricht, die Isis finanziere ihre Kriegsmaschinerie auch durch den Verkauf antiker Kunstwerke aus Syrien. Ich habe Ulrike Dubiel gefragt, wie ein solches Geschäft funktioniert und woher diese Information kommt.
    Ulrike Dubiel: Es gab einen großen Artikel im Guardian vor wenigen Wochen, und zwar hatten irakische Kräfte in der Nähe von Mossul die Datenträger eines hochgestellten Isis-Militärs beschlagnahmt. Man hat das Safe House dieses Militärs ausfindig gemacht und dann bei der Durchsuchung dieses Hauses unter anderem 160 Flash-Sticks gefunden, Memory-Sticks gefunden, und man hat angefangen, diese Daten auszuwerten. Bei diesen Daten waren tatsächlich auch Grundlagen zur Finanzsituation der Isis mit dabei. Das war ganz kurz, bevor die Isis dann tatsächlich Mossul eingenommen hat und bis Kirkuk vorgedrungen ist, und da hat man nun herausgefunden - aber das war schon vorher bekannt -, dass die sich natürlich einmal durch Gelder aus den Ölfeldern in Syrien finanziert, aber dass auch der Antiquitätenschmuggel viele Millionen der Isis in die Kriegskasse gespült hat. Dieser Antiquitätenschmuggel, das sind nicht nur Sachen aus dem Irak, sondern auch Sachen aus Syrien. Und die Zahlen, mit denen man da hantiert, die sind wohl um die 36 Millionen US-Dollar. Das sind keine Peanuts, das sind richtig große Beträge und dementsprechend Tausende von Artefakte, die dahinter stehen dürften.
    Fischer: Wo kommen diese antiken Kunstschätze denn her? Wie kommen sie heute in den Handel, der ja einigermaßen geächtet ist auf der ganzen Welt?
    Dubiel: Einigermaßen ist wohl Milde ausgedrückt. Diese Kette von antikem Schmuggel beginnt vor Ort, beginnt bei Leuten, die oft verzweifelt sind, die versuchen, weil ihnen nichts anderes geblieben ist an Einkunftsquellen, mit solchen Raubgrabungen und Dingen, die sie dabei gefunden haben, ein bisschen Geld zu machen. Dann kommen die Zwischenhändler und dann kommen aber auch schon gleich Strukturen, die zum Beispiel der Generaldirektor der syrischen Antikenverwaltung als mafiös schon beschrieben hat. Das sind dann wirklich kriminelle Organisationen, die beispielsweise über den Libanon, über die Türkei, über den Irak agieren und die dann dafür sorgen, dass die Dinge zum Beispiel außer Landes kommen und dass sie dann an Stätten gebracht werden, die günstig für den Handel sind - sei das nun Vereinigte Arabische Emirate, sei das die Schweiz -, und von da aus beginnen die Dinge dann ernsthaft in Antikenhandel zu kommen. Will sagen, sie kriegen dann gefälschte Papiere, sie werden dann bei Auktionshäusern zum Beispiel feil geboten, sie werden auf Kunstausstellungen gezeigt, man hat ihnen eine Provenienz gebastelt und irgendwann enden die dann entweder bei Privatsammlern, oder werden dann tatsächlich von Museen aufgekauft.
    Auch Museen werden geplündert
    Fischer: Das Thema Raubgrabungen ist ja in der ganzen Region virulent. Wir kennen viele Beispiele der Plünderungen von Museen oder Ausgrabungsstätten in Kriegszeiten zum Beispiel auch aus Ägypten. Noch mal zurückgefragt: Woher stammen diese Objekte, aus Museen, oder sind das sozusagen frische Grabungsfunde?
    Dubiel: Das ist sowohl als auch. Mitten im Herz des Territoriums, das die Isis kontrolliert in Syrien, da liegt die Stadt Raqqa und in Raqqa, weiß man, wurden Dinge aus dem Museum gestohlen. Offizielle der syrischen Antikenverwaltung haben dann versucht, mit lokalen Isis-Leuten zu verhandeln, um nach diesem Raub zum Beispiel ein Inventar für das Museum in Raqqa zu erstellen. Man durfte dann da wohl auch rein, hat Zutritt bekommen, und man hat festgestellt, dass wohl um die 900 Objekte fehlen in diesem Museum. So geht es auch in anderen kleineren lokalen Museen. Auch da wird geplündert. Es werden Magazine von Ausgrabungen geplündert und es gibt aber auch die Raubgrabungen, sei das nun mit Schaufel und Hacke, oder sei das tatsächlich mit schwerem Gerät, mit Bulldozern. Alles ist belegt. Dazu kommt, dass die Isis ja nicht nur Antiken stiehlt, um sie zu verkaufen, sondern dass die Isis und auch andere radikale Gruppen auch gezielt Bildersturm betreiben. Die Isis zerstört aber natürlich auch christliche Symbole. Das sind ja radikale Sunniten. Auch schiitische Schreine werden zerstört. Im Irak selber wurden Statuen, Denkmäler zum Beispiel für lokale Dichter und Musiker auch zerstört. Da ist man sozusagen nicht zimperlich, auch islamisches Kulturgut zu zerstören, wenn es nicht in die Ideologie passt.
    Fischer: Die Isis und die Raubgrabungen - Ulrike Dubiel war das, Archäologin und Kuratorin der Bonner Tell-Halaf-Schau, zur Situation in Syrien und im Irak.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.