Newsblog zum Sturz von Assad
Islamistische Gruppen arbeiten an Übergangsregierung

+++ Die Rebellenallianz HTS arbeitet an einer Übergangsregierung und verkündet eine Generalamnestie für Soldaten. +++ Nach Deutschland haben weitere europäische Länder die Verfahren zu Asylanträgen von Syrern ausgesetzt. +++ Hilfsorganisationen mahnen einen freien Zugang nach Syrien an. +++ Weitere Entwicklungen im Newsblog.

    Der islamistische Rebellenführer al-Dschulani hält eine Rede in einer Moschee in Damaskus.
    Der islamistische Rebellenführer al-Dschulani war einer der Teilnehmer bei einem Spitzentreffen zu einer Übergangsregierung in Syrien. (picture alliance / abaca / Balkis Press / ABACA)

    +++ Nach dem Umsturz in Syrien ebnet die Rebellenallianz den Weg für eine Übergangsregierung.

    Nach einem Spitzentreffen in der Hauptstadt Damaskus wurde der bisherige Regierungschef der Rebellenhochburg Idlib, Mohammed al-Baschir, mit der Bildung einer neuen syrischen Regierung beauftragt, wie mehrere arabische Medien meldeten. An der Sitzung nahmen demnach auch der islamistischen Rebellenführer al-Dschulani und der bisher amtierende Ministerpräsident al-Dschalali teil. Dieser sagte in einer Fernsehansprache, er werde die Übergangsregierung unterstützen.

    +++ Die Rebellenallianz hat eine Generalamnestie für Mitglieder der syrischen Armee und alle Wehrpflichtigen verkündet.

    Ihnen werde Sicherheit garantiert, und jegliche Übergriffe auf sie seien untersagt, teilten die Aufständischen auf Telegram mit. Sie waren bei ihrem Vormarsch auf die Hauptstadt Damaskus auf nur geringen Widerstand der Streitkräfte gestoßen. Tausende Soldaten sollen in den benachbarten Irak geflohen sein.

    +++ In Syrien sind zahlreiche Menschen zum berüchtigten Gefängnis Saidnaja geströmt, um nach teils seit Jahren inhaftierten Angehörigen zu suchen.

    Wie AFP-Journalisten berichteten, versammelten sich bis Montagabend tausende Menschen vor der mehrstöckigen Haftanstalt nördlich der Hauptstadt Damaskus. Die Hilfsorganisation Weißhelme entsandte nach eigenen Angaben Sucheinheiten mit Hundestaffeln und medizinischen Helfern in das Saidnaja-Gefängnis. Nach Angaben von Amnety International wurden in dem "Schlachthof" genannten Gefängnis Zigtausende politischen Gefangene ohne Prozess hingerichtet. Folter sei an der Tagesordnung gewesen.

    +++ Nach dem Sturz von Machthaber Assad in Syrien haben neben Deutschland auch weitere europäische Länder einen vorläufigen Asyl-Stopp für Syrerinnen und Syrer angekündigt.

    So gaben beispielsweise Italien, Schweden, Norwegen, Dänemark und Großbritannien bekannt, ihre Entscheidungen zu Asylanträgen und Abschiebungen vorerst auszusetzen. Österreich kündigte einen Abschiebeplan für syrische Flüchtlinge an. Es werde nun ein "geordnetes Rückführungs- und Abschiebeprogramm nach Syrien ausgearbeitet", sagte Bundeskanzler Nehammer der "Bild"-Zeitung. Zudem würden bereits gewährte Bleiberechte überprüft. Auch Asylverfahren für syrische Antragssteller und der Familiennachzug seien vorübergehend ausgesetzt.

    +++ Der türkische Präsident Erdogan kündigt die Öffnung des Grenzübergangs Yayladagi zu Syrien an.

    Das solle eine sichere und freiwillige Rückkehr von Bürgerkriegsflüchtlingen zu ermöglichen. Sein Land sei bereit, den Wiederaufbau des Nachbarstaates auf jede erdenkliche Weise zu unterstützen, sagt Erdogan nach einer Kabinettssitzung. Gleichzeitig erklärt er, dass die Türkei das Aufkommen neuer Terrorgruppen an seinen Grenzen nicht zulassen werde. Im Zuge des Bürgerkriegs waren Millionen Menschen aus Syrien in die Türkei geflüchtet.

    +++ Die UNO kritisiert das Vorrücken der israelischen Armee in die Pufferzone zu Syrien auf den Golanhöhen.

    Das Vorgehen verletze das 1974 zwischen beiden Staaten geschlossene Abkommen, sagte UNO-Sprecher Dujarric in New York. Nach dem Sturz von Syriens Machthaber Baschar al-Assad hatte der israelische Regierungschef Netanjahu die Armee angewiesen, in die Pufferzone auf den Golanhöhen einzurücken und die Kontrolle über dieses Gebiet sowie "angrenzende strategische Positionen" zu übernehmen.

    +++ Das Bündnis Aktion Deutschland Hilft ruft alle Akteure in Syrien dazu auf, humanitäre Zugänge und Hilfsmaßnahmen zu ermöglichen.

    Nach dem Fall des Assad-Regimes sei es nun wichtig, dass die Bevölkerung jede Hilfe bekomme, die notwendig sei, sagte die Hauptgeschäftsführerin des Hilfsbündnisses, Maria Rüther, in Bonn. Das gelte auch für Menschen, die aus benachbarten Ländern nach Syrien zurückkehrten. „Der lange Weg zurück in eine hoffentlich friedliche Normalität habt gerade erst begonnen.“ Die Zukunft sei weiter ungewiss, in weiten Teilen des Landes die Infrastruktur fast vollständig zerstört. Knapp die Hälfte der Bevölkerung sei aus dem Land vertrieben worden.

    +++ Nach dem Sturz von Machthaber Assad in Syrien gibt es in Deutschland eine Debatte über den Umgang mit Schutzsuchenden aus dem Land.

    Von Seiten der Union kam die Anregung, Syrern Anreize für die Rückkehr in ihre Heimat zu geben. Von AfD und BSW kamen direkte Aufforderungen zur Rückkehr. Politiker anderer Parteien, Hilfswerke und Menschenrechtler warnten vor übereilten Forderungen. Bundesinnenministerin Faeser sagte, viele syrische Flüchtlinge hätten nun wieder eine Hoffnung auf eine Rückkehr in ihre Heimat. Doch seien angesichts der unübersichtlichen Lage konkrete Möglichkeiten noch nicht vorhersehbar.

    +++ Amnesty International kritisiert die Entscheidung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, vorerst nicht mehr über Asylanträge von Syrerinnen und Syrer zu entscheiden.

    Dies sei "das völlig falsche Signal", erklärte Amnesty-Expertin Franziska Vilmar. Bis das Bundesamt gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt seine Entscheidungspraxis an die neue Lage anpassen könne, "dürfen Schutzsuchende nicht mit Unsicherheit und Perspektivlosigkeit alleingelassen werden". Forderungen nach schnellen Abschiebungen oder der Aussetzung des Familiennachzugs erteile Amnesty "eine klare Absage". Kritik kam auch von der Geflüchtetenorganisation "Pro Asyl", die erklärte, in Syrien herrschen weiterhin Chaos und Gewalt. Eine sichere Rückkehr für geflüchtete Syrerinnen und Syrer sei unter diesen Umständen nicht gewährleistet.

    +++ Die islamistische Hamas hat den Menschen in Syrien nach dem Sturz von Machthaber al-Assad Glückwünsche.

    Außerdem rief die Palästinenserorganisation "alle Teile des syrischen Volkes auf, ihre Reihen zu schließen". Syrien war unter Assad ein wichtiger Bestandteil der vom Iran angeführten "Achse des Widerstands" gegen Israel, zu der auch die Hisbollah im Libanon und die Hamas im Gazastreifen gehören. Seit dem Beginn des Gaza-Kriegs im Oktober 2023 weitete Israel seine Luftangriffe auf mit dem Iran in Verbindung stehende Ziele in Syrien aus.

    +++ Russland und Iran tragen nach Ansicht von NATO-Generalsekretär Rutte eine Mitverantwortung für die Vergehen des gestürzten syrischen Machthabers al-Assad.

    Moskau und Teheran seien als Hauptunterstützer des Assad-Regimes "mitverantwortlich für die Verbrechen, die gegen das syrische Volk begangen wurden", sagte Rutte in Brüssel. Die Rebellenführer der islamistischen Gruppe HTS rief er auf, die Rechtsstaatlichkeit in Syrien aufrechtzuerhalten, die Zivilbevölkerung zu schützen und religiöse Minderheiten zu respektieren. Die NATO werde das Verhalten der Verantwortlichen genau beobachten.

    +++ Die 27 EU-Staaten fordern einen geordneten und friedlichen Übergang in Syrien.

    Die Menschen müssten die Möglichkeit bekommen, ihr Land wiederaufzubauen und Gerechtigkeit wiederherzustellen, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung. Weitere Gewalt müsse vermieden und das Völkerrecht gewahrt werden. Wichtig sei insbesondere der Schutz aller Minderheiten.

    +++ Die Organisation für das Verbot chemischer Waffen OPCW hat die syrischen Behörden aufgefordert, die Chemiewaffen in dem Land abzusichern.

    Es bestünden ernsthafte Bedenken hinsichtlich des Verbleibs "großer Mengen nicht erfasster chemischer Waffen". Die OPCW sei bereit, mit den syrischen Behörden und internationalen Organisationen in dieser Frage zusammenzuarbeiten, hieß es weiter. Syrien hatte 2013 zugestimmt, der OPCW beizutreten, nachdem ein Chemiewaffenangriff nahe Damaskus mehr als 1.400 Menschen getötet hatte. Die syrische Regierung gab damals ihre deklarierten Chemiewaffenvorräte zur Vernichtung frei. Die OPCW befüchtet jedoch, dass die Angaben unvollständig waren und es noch immer solche Waffen im Land gibt.

    +++ Nach der Machtübernahme der Rebellen in Syrien herrscht im öffentlichen Sektor weitgehend Stillstand.

    Staatsbedienstete ignorierten Aufrufe, zur Arbeit zurückzukehren und verursachten damit Probleme an Flughäfen, Grenzübergängen, im Außenministerium und bei humanitären Hilfslieferungen, sagte der humanitäre UNO-Koordinator in Syrien, Abdelmoula. Er schlug vor, dass die reguläre Polizei und die regulären Strafvollzugsorgane wieder in Dienst gesetzt würden. Dies könne der Bevölkerung Sicherheit geben.

    +++ Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat alle Verfahren zu Asylanträgen von Syrern ausgesetzt.

    Das meldet das Magazin "Der Spiegel". Ein Sprecher des BAMF sagte dem Blatt, die Lage in Syrien sei unübersichtlich. Es sei zu schwer abzusehen, wie es dort politisch weitergehe. Deshalb könne man zurzeit keine seriösen Einschätzungen vornehmen. Jede Entscheidung stünde sonst auf tönernen Füßen. Betroffen sind laut der Behörde 47.270 Asylanträge von Syrern, die noch nicht entschieden sind. Für bestehende Entscheidungen hat die neue Lage keine Auswirkungen. Österreich setzte ebenfalls sämtliche Asylverfahren syrischer Staatsangehöriger aus, ebenso wie den Familiennachzug.

    +++ Die EU-Kommission sieht die Bedingungen für eine sichere und würdevolle Rückkehr nach Syrien noch nicht gegeben.

    Die aktuelle Lage sei von großer Hoffnung, aber auch großer Unsicherheit geprägt, hieß es aus Brüssel. Auch Bundesinnenministerin Faeser sprach von einer unübersichtlichen Lage und betonte, konkrete Rückkehrmöglichkeiten seien im Moment noch nicht vorhersehbar. Spekulationen darüber bezeichnete die SPD-Politikerin als "unseriös". Viele syrische Flüchtlinge in Deutschland aber hätten nun endlich wieder eine Hoffnung auf eine Rückkehr in ihre Heimat und den Wiederaufbau ihres Landes.

    +++ Nach dem Sturz von Diktator Assad ist nach Angaben des Kreml unklar, was mit den beiden russischen Militärstützpunkten in Syrien passiert.

    Sprecher Peskow sagte in Moskau, man werde darüber mit den künftigen Machthabern in Syrien sprechen. Russland werde alles Nötige tun, um mit denjenigen in Kontakt zu treten, die an den russischen Armeestützpunkten für Sicherheit sorgen könnten. Angeblich sollen die islamistischen Milizen die Sicherheit der russischen Armeestützpunkte sowie der diplomatischen Institutionen auf syrischem Gebiet garantiert haben. Russland war einer der wichtigsten Unterstützter von Assad. Laut russischen Staatsmedien soll er mit seiner Familie nach Moskau geflohen sein.

    +++ Die HTS-Miliz wird nach Ansicht der Bundesregierung eine wichtige Rolle bei der Neuordnung Syriens spielen.

    Ein Sprecher des Außenministeriums erklärte in Berlin, dass man sie an ihren Taten messen werde. Die Gruppe bemühe sich, sich von ihren extremistischen Wurzeln zu distanzieren. Die Vereinten Nationen und auch die EU listen die HTS als Terrororganisation. Sie hatte sich von Al-Kaida in Syrien abgespalten.

    +++ Mitglieder des syrischen Zivilschutzes, auch Weißhelme genannt, suchen in der berüchtigten Haftanstalt Saidnaja nach politischen Gefangenen.

    Ihr Leiter schrieb auf der Plattform X, man setze unter anderem Hunde und Geräuschsensoren ein, um Geheimzellen im Keller des Gefängnisses nördlich von Damaskus zu finden. Bislang blieb die Suche jedoch erfolglos.
    Saidnaja wurde wegen des brutalen Vorgehens der Wärter bekannt. In einem Bericht von Amnesty International aus dem Jahr 2017 heißt es, dass seit Beginn des syrischen Bürgerkriegs tausende Menschen bei Massenhinrichtungen getötet wurden. Zudem seien Gefangene gefoltert worden, vor allem oppositionelle Zivilisten.

    +++ Der UNO-Hochkommissar für Menschenrechte, Türk, fordert eine Aufarbeitung schwerer Verbrechen während des syrischen Bürgerkriegs.

    Für einen politischen Übergang im Land sei außerdem eine Reform des Sicherheitsapparats notwendig, sagte Türk in Genf. Auch Assad selbst sollte zur Verantwortung gezogen werden.

    +++ Der syrische Ministerpräsident al-Dschalali hat den Rebellengruppen eine rasche Machtübergabe zugesichert.

    Die meisten Minister des bisherigen syrischen Kabinetts übten weiter ihre Pflichten aus und seien damit beschäftigt, die Übergangsphase schnell und reibungslos zu gestalten, sagte er dem Sender Sky News Arabia. Die noch von Assad eingesetzte Regierung ist nach den Worten al-Dschalalis im Gespräch mit Vertretern der Rebellen, die am Wochenende Damaskus eingenommen und Assad in die Flucht getrieben hatten. Al-Dschalali sagte, er sei bereit, sich mit dem Anführer der Rebellengruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS), al-Dscholani alias Ahmed al-Scharaa, zu treffen.

    +++ Die britische Regierung erwägt, die syrische Rebellengruppe Hayat Tahrir al-Scham (HTS) nicht länger als Terrorgruppe einzustufen.

    Minister McFadden sagte im Sender Sky News, die Entscheidung werde teilweise davon abhängen, wie sich die Gruppe nun verhalte. HTS hatte beim Sturz von Diktator Assad eine führende Rolle gespielt. Sie hatte sich vor Jahren von der Terrormiliz Al-Kaida in Syrien abgespalten.

    +++ Der Islamwissenschaftler Guido Steinberg sieht nach dem Sturz des Assad-Regimes religiöse Minderheiten in Syrien unter Druck.

    Sie würden unter der Herrschaft der Haiat Tahrir al-Scham (HTS) ihren politischen Einfluss wohl komplett verlieren, sagte Steinberg im Deutschlandfunk. Es werde nicht mehr möglich sein, dass ein syrischer Präsident Angehöriger einer nicht-sunnitischen Minderheit sei - also etwa Alawit, Christ oder Druse. Wenn sich die Islamisten dauerhaft durchsetzten, müsse man vielmehr davon ausgehen, dass Christen oder Drusen nur noch geduldete Minderheiten seien, "die vielleicht einen Schutzstatus haben, aber ansonsten verachtet und diskriminiert werden". Der Islamwissenschaftler verwies darauf, dass Alawiten bislang große Teile der Herrschaftselite, auch der Geheimdienste, gestellt haben. Sie könnten sogar Ziel von Racheaktionen werden.

    +++ Nach dem Umsturz in Syrien haben die USA und Israel Luftangriffe auf Ziele in dem Land geflogen.

    Die US-Luftwaffe bestätigte mehrere dutzende Angriffe gegen die Terrormiliz IS. Diese seien Teil der laufenden Mission, den IS zu schwächen. Die Terrorgruppe müsse daran gehindert werden, sich in Zentral-Syrien neu aufzustellen. Die Vereinigten Staaten haben noch rund 900 Soldaten in Syrien stationiert.
    Die israelischen Luftangriffe richteten sich nach Angaben von Außenminister Saar gegen mutmaßliche Produktionsstätten von Chemiewaffen und auf Standorte von Langstreckenraketen. Man müsse verhindern, dass diese Waffen in die Hände von Extremisten gelangten, sagte Saar.

    +++ Die Nahostexpertin und Publizistin Kristin Helberg hält es für unwahrscheinlich, dass in Syrien "eine Art Taliban-Regime" entsteht.

    Helberg sagte im Deutschlandfunk, derzeit seien die Rebellen bemüht, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten. Nach einer Woche unter ihrer Herrschaft könnten etwa Christen weiterhin den Gottesdienst besuchen. Eine wichtige Frage sei jedoch, ob der Anführer der islamistischen Gruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS), al-Dschulani, seine Kämpfer disziplinieren könne, räumte Helberg ein.

    +++ Der FDP-Vorsitzende Lindner hat angeregt, dass Deutschland den Anstoß zu einer internationalen Syrien-Konferenz gibt.

    Lindner sagte im Deutschlandfunk, man müsse überlegen, was von außen getan werden könne, um Stabilität in Syrien herzustellen. Erst in einem nächsten Schritt könne man dann über die Auswirkungen auf die deutsche Asylpolitik nachdenken.

    +++ Der UNO-Sicherheitsrat in New York befasst sich mit der Lage in Syrien.

    Die Sitzung soll nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur am Abend auf Antrag Russlands stattfinden. Assad war mit seiner Familie vor den Aufständischen nach Moskau geflohen. Russland habe ihnen Asyl gewährt, meldeten staatliche Agenturen unter Berufung auf Vertreter des Kremls. Der Iran und Russland waren die wichtigsten Unterstützer des Assad-Regimes in dem jahrelangen syrischen Bürgerkrieg.

    +++ Der frühere luxemburgische Außenminister Asselborn wertet Assads Sturz als "herbe Niederlage" und "Erniedrigung" für die langjährige Schutzmacht Russland.

    Asselborn sagte im Deutschlandfunk, in Syrien dürfe jetzt kein islamischer Staat entstehen. Der Westen sollte nicht dieselben Fehler wie vormals in Afghanistan begehen. Dort hätten die radikalislamischen Taliban bei ihrer neuerlichen Machtübernahme leere Versprechungen gemacht, sagte Asselborn.

    +++ Der Migrationsforscher Gerald Knaus sieht nach dem Sturz des Assad-Regimes die Chance auf eine Entspannung in der Flüchtlingskrise.

    "Mittelfristig - sollte Stabilität hergestellt werden - könnte das für die gesamte Flüchtlingssituation, auch in Europa, ein historischer Wendepunkt sein", sagte Knaus dem Magazin "Stern". Wenn es in Syrien wieder sicher sei, würden die Asylanträge in Deutschland und anderen europäischen Ländern zurückgehen. Das könnte die Politik in Europa "dramatisch und positiv verändern" und rechten Kräften das Wasser abgraben, meinte Knaus. Als Beispiel nannte der Migrationsforscher in Deutschland die AfD und in Österreich die FPÖ.

    +++ In Deutschland wird darüber diskutiert, ob der Sturz des Assad-Regimes unmittelbare Folgen für syrische Geflüchtete haben sollte.

    Der Grünen-Europapolitiker Hofreiter sagte den Funke-Medien, Überlegungen, nun härter gegen syrische Geflüchtete vorzugehen, seien völlig fehl am Platz. Es sei derzeit vollkommen unklar, wie es in Syrien weitergehe. Der SPD-Außenpolitiker Roth warnte im Magazin "Spiegel" vor einer "populistischen Debatte mit dem Tenor: Jetzt müssen alle sofort wieder zurück".
    Die stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende Lindholz sagte der "Rheinischen Post", wenn es igendwann zu einer Befriedung in Syrien komme, werde für viele Syrer die Schutzbedürftigkeit und damit der Grund für ihr Aufenthaltsrecht in Deutschland entfallen. Die CSU-Politikerin meinte, Deutschland könne keine weiteren syrischen Flüchtlinge aufnehmen.

    +++ Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Schmid, sieht zwei Gründe zur Zuversicht, dass sich die Lage in Syrien unter der Führung der aufständischen Islamisten bessern könnte.

    Schmid sagte im Deutschlandfunk, zum einen verfolgten die dschihadistischischen Gruppen - anders als etwa der IS - rein nationale Ziele. So gehe es ihnen nicht um die Etablierung einer internationaln islamistischen Gewaltherrschaft, sondern um eine rein nationale Herrschaft in Syrien. Zum anderen hätten sie "offensichtlich in Teilen Abstand genommen" von radikalen islamistischen Vorstellungen. Schmid verwies darauf, dass die Aufständischen andere Religionen eingeladen hätten, die Neuordnung des Landes gemeinsam zu besprechen. Allerdings müsse man abwarten, ob diesen Worten auch Taten folgten, betonte der SPD-Politiker.

    +++ Bundeskanzler Scholz hat die Unterstützung bei einem friedlichen Übergangsprozess in Syrien in Aussicht gestellt.

    Scholz sagte am Abend in Berlin, nach dem Sturz des Assad-Regimes müssten nun rasch Recht und Ordnung wiederhergestellt werden. Alle Religionsgemeinschaften, alle Volksgruppen und alle Minderheiten müssten geschützt werden. Deutschland werde gemeinsam mit den internationalen Partnern und auf der Basis der einschlägigen UNO-Resolutionen seinen Beitrag zu einer politischen Lösung in Syrien leisten. EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen stellte Syrien die Hilfe der Europäischen Union in Aussicht.

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    Kommentar: Ein Sturz ins Ungewisse
    Diese Nachricht wurde am 09.12.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.