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Islamkonferenz
"Die Religiösität wird nun mal in Moscheen gelebt"

Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Niedersachsen, Sadiqu Al-Mousslie, hat die Öffnung der Islamkonferenz für säkulare und verbandsunabhängige Initiativen kritisiert. "Wie soll jemand über die Religiosität von anderen Menschen entscheiden, wenn er selber diese Religiosität nicht lebt!", sagte Al-Mousslie im Dlf.

Sadiqu al-Mousllie im Gespräch mit Martin Zagatta |
    Der syrische Oppositionsvertreter Sadiqu Al-Mousllie
    Der syrische Oppositionsvertreter Sadiqu Al-Mousllie (dpa / picture-alliance / Stefan Jaitner)
    Martin Zagatta: Beginnen wir mit der vor zwölf Jahren vom damaligen Innenminister Wolfgang Schäuble ins Leben gerufenen Islamkonferenz. Die findet heute nun zum vierten Mal schon statt und soll eine Neuausrichtung erfahren: Zum einen, indem man jetzt auch Initiativen eines Reformislam oder eines säkularen Islam mit am Tisch sitzen lässt, und zum anderen will man den Einfluss ausländischer Staaten auf die Muslime in Deutschland einschränken.
    Mitgehört hat Sadiqu al-Mousllie, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Niedersachsen. Guten Tag, Herr al-Mousllie!
    Sadiqu al-Mousllie: Guten Tag, Herr Zagatta.
    "Begrüßen Statements des Innenministers"
    Zagatta: Herr al-Mousllie, dieser neue Ton von Innenminister Seehofer, der sich jetzt einen Islam in, aus und für Deutschland wünscht, überrascht Sie der und begrüßen Sie das, diesen, wenn man so will, deutschen Islam?
    al-Mousllie: Wir begrüßen natürlich auch die Statements von dem Innenminister. Das ist auch eine Weiterentwicklung dessen, was wir in den letzten Monaten von ihm gehört haben. Und wir sind auch im Zentralrat der Muslime immer daran interessiert, einen Islam deutscher Prägung für uns in Deutschland zu haben, einen Islam, der unabhängig ist von irgendwelchen politischen Beziehungen zu anderen Ländern – sei es die Türkei oder auch vielleicht mal Saudi-Arabien oder auch andere Länder. Wir verstehen uns auch als deutsche Muslime und würden gerne in dieser Richtung auch zusammen mit unseren Partnern in Deutschland arbeiten.
    Zagatta: Aber da sieht die Praxis ja ganz anders aus. Die Mehrheit der Muslime oder die Verbände sind ja abhängig vom Ausland, und zwar ganz stark.
    al-Mousllie: Ich weiß jetzt nicht, wen Sie mit der Mehrheit meinen. Wahrscheinlich, nehme ich mal an, DITIB oder in dieser Richtung.
    Probleme mit DITIB seit die AKP regiert
    Zagatta: Vor allem!
    al-Mousllie: Es ist in der Tat so, dass DITIB natürlich historisch auch so gewachsen ist, dass die Türkei immer wieder damit zu tun hat, und wir haben, stelle ich fest, erst Probleme in Deutschland mit der DITIB, seitdem die AKP in der Türkei die Regierung übernommen hat. Natürlich können wir auch in Deutschland hier kritisieren und damit auch umgehen, wie wir das für richtig halten, aber ich darf nicht vergessen hier, auch als deutscher Staat, als Politiker, als Meinungsbildner darf ich nicht vergessen, dass wir hier eine islamische, eine muslimische Gemeinschaft haben, die zum einen vielfältig ist. Zum anderen ist es auch so, dass wir viele türkischstämmige Muslime hier haben, die seit Jahrzehnten hier leben und ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland haben. Wenn wir jetzt anfangen, das zu ändern, dann müssen wir auch die Lösung zu Ende denken und lösungsorientiert arbeiten. Das bringt uns wirklich nicht weiter, wenn wir die ganze Zeit über DITIB und das, was uns an DITIB nicht gefällt, weiter besprechen, aber wir bieten keine Alternativen an.
    Zagatta: Herr al-Mousllie, auf DITIB kommen wir vielleicht gleich noch zu sprechen. – Sie haben es jetzt gesagt: Die Erweiterung, einen Ansprechpartner zu finden für alle Muslime, für die Mehrheit der Muslime in Deutschland, was halten Sie denn jetzt von der Öffnung der Islamkonferenz, dass ausdrücklich auch jetzt säkulare und verbandsunabhängige Initiativen mit dabei sind? Das sind ja ausgesprochene Kritiker von DITIB und auch Ihres Zentralrats.
    al-Mousllie: Ich sehe das ein bisschen kritisch, wie man damit umgeht. Natürlich: Die muslimische Gemeinschaft in Deutschland ist vielfältig. Aber es hilft mir und es hilft den Muslimen auch nicht weiter, wenn wir die sogenannten Islamkritiker mit einbringen, und dann kritisieren wir auch innerhalb der Konferenz und außerhalb der Konferenz. Aber es geht eigentlich um die Menschen, die ihre Religiosität leben, und diese Religiosität wird nun mal in den Moscheen gelebt und für die Moscheen sind nun mal zuständig die Verbände beziehungsweise die Religionsgemeinschaften. Das heißt, auch die Forderungen, die ich heute im Laufe des Tages und gestern gehört habe, dass man mehr den säkularen Islam oder irgendwelche einzelne Personen mit einbezieht – man kann sie mit einbeziehen, um eine Expertise zu haben, um eine Meinung zu hören. Aber um die Religiosität? - Bei allem Respekt: Wie soll jemand über die Religiosität von anderen Menschen entscheiden, wenn er selber diese Religiosität nicht lebt! Hier müssen wir Klartext sprechen.
    "Mehrheit für ganz normale traditionelle Religiosität"
    Zagatta: Aber da gibt es doch Bemühungen, Reform-Moscheen auf den Weg zu bringen, in denen dann Männer und Frauen auch gleichberechtigt beten, was ja sonst, wenn ich das recht sehe, nicht passiert.
    al-Mousllie: Das ist vielleicht aus der Sicht mancher eine Reform, eine Veränderung des Islams oder der muslimischen Praxis. Aber aus der Sicht der anderen Muslime ist das nicht der Fall. Und dadurch, dass der Islam so vielfältig ist, muss man beide im Auge behalten. Ich stelle fest: In Deutschland sind die Mehrheit für die ganz normale traditionelle Religiosität, wenn man das so nennen will, und mit denen muss man auch sprechen. Das sind nun mal die Religionsgemeinschaften, die durchaus in den Verbänden organisiert sind.
    Zagatta: Aber wieso nehmen Sie für sich in Anspruch, da für eine Mehrheit zu sprechen? Wenn man auf die Zahlen schaut, dann vertreten Sie doch noch nicht einmal, so habe ich gelesen, ein Prozent der Muslime in Deutschland.
    al-Mousllie: Ich habe bis jetzt von keinem einzigen Verbandsvertreter gehört – bitte sagen Sie es mir, wenn Sie es gehört haben -, der gesagt hat, wir sprechen für alle Muslime. Alle Verbandsvertreter, seien es jetzt die vier großen Verbände inklusive des Zentralrats der Muslime, oder auch auf Vereinsebene, wenn man das runterbricht in den Bundesländern, sagen immer, wir sprechen für unsere Mitglieder, wir sprechen für unsere Besucher, die da sind, und wir sprechen aber nicht für alle Muslime. Als Zentralrat der Muslime in Niedersachsen und als Bundesvorstandsmitglied sage ich Ihnen: Wir sprechen für unsere Mitglieder, das heißt die Moscheen, die bei uns organisiert sind. Alle anderen Muslimen, entweder sind sie in anderen Verbänden organisiert, oder vielleicht gar nicht organisiert. Aber für sie sprechen wir nicht. Nur wie kommen wir auf einen grünen Zweig zusammen?
    "Wir finden schon eine Lösung"
    Zagatta: Das wollte ich Sie gerade fragen. Die Bundesregierung wünscht sich ja einen Ansprechpartner. Können Sie sich vorstellen, wenn Sie sagen, es geht um Vielfalt, dann in so einem Gremium vielleicht auch zusammenzuarbeiten mit Initiativen des säkularen Islam oder zum Beispiel mit jemandem wie Frau Ates, die in Berlin ja diese Reform-Moschee gegründet hat? Können Sie sich das vorstellen?
    al-Mousllie: Da frage ich bitte auch Sie, auch wenn Sie mir sagen, Initiative des säkularen Islam, und wenn Sie beanstanden, dass die Verbände nicht alle Muslime repräsentieren beziehungsweise wenige Muslime repräsentieren, dann stelle ich die Frage, wie viele Leute diese Initiative des säkularen Islam repräsentiert. Fünf, sechs Leute?
    Zagatta: Ich frage ja, ob Sie mit denen zusammenarbeiten können, oder ob sie das ablehnen mit diesem Argument, das Sie jetzt vorbringen.
    al-Mousllie: Nein! Wir sind offen zu arbeiten mit jedem, der auch das Interesse hat, das religiöse Leben der Muslime hier weiterzuentwickeln und auch mit einer deutschen Prägung zu unterstützen. Das ist unser Ziel auch im Zentralrat der Muslime. Nur wenn man über die Repräsentanz spricht, dann muss man auch zum einen das mit den Verbänden machen, aber auch die gleiche Frage den anderen Initiativen beziehungsweise Vereinen stellen. Wir finden schon eine Lösung. Nur man muss auch das moderieren, und aus meiner Sicht finde ich, wir sollten hier aufhören, darüber zu reden, wer was repräsentiert und wie lange. Aber wenn es um das religiöse Leben geht von den Muslimen, dann darf man nicht einfach die Verbände in der Art und Weise, ich sage mal, teilweise demontieren und sie als konservativ immer begreifen oder auch bezeichnen, und die anderen sind die Liberalen, die Guten. Das ist ein gefährliches Spiel, Herr Zagatta, was wir gerade jetzt noch mal weiterentwickeln, nämlich das sieht dann so aus für die Öffentlichkeit: böser Moslem, guter Moslem. Das ist eine gefährliche Lage, auf die wir uns bewegen.
    Zagatta: Herr al-Mousllie, weil uns die Zeit davonläuft, vielleicht noch ganz kurz. Ihr Vorsitzender hat das angemerkt, das haben wir vorhin gehört. Sie haben es auch angedeutet: Nicht nur über die DITIB schimpfen, nicht nur kritisieren, sondern Lösungsmöglichkeiten bringen. Was wäre denn eine Lösungsmöglichkeit, dass man von ausländischen Geldern weniger abhängig ist? Eine Moschee-Steuer, wie das gerade angeklungen ist, oder wie kann man das lösen? Wenn Sie uns das vielleicht noch ganz kurz sagen könnten.
    al-Mousllie: Ich würde es ganz klar seitens der Politik jetzt angehen, mit den Verbänden direkt arbeiten. Das sind die größten Organisationen. Gerne andere mit einbeziehen und schauen, wie kann man dann von der Basis bis zum Verband arbeiten, und auch hier mal offizielle Anerkennung von Religionsgemeinschaften. Bis jetzt ist das ausgeblieben. Dann können wir über die Finanzierung sprechen und dann bieten wir auch Alternativen, dass da keine Imame von außen kommen, weil wir auch unsere eigenen Imame hier in Deutschland ausbilden.
    Zagatta: Noch viel zu tun! – Danke schön für das Gespräch! – Sadiqu al-Mousllie, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Niedersachsen. Ich bedanke mich!
    al-Mousllie: Sehr gerne. Danke, Herr Zagatta.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.