"Herzlich willkommen zu unserem 12. Spaziergang" - Manchmal sieht es auf der Pegida-Demo aus, wie in einem Geografie-Kurs. Auf Schildern halten die Demonstranten die Namen ihrer Wohnorte hoch: Laubegast, Heidenau oder Großröhrsdorf steht da drauf.
Es sind alles Ortschaften in der Gegend um Dresden, aus dem Landkreis Bautzen oder der Sächsischen Schweiz. Doch was treibt die Leute aus Laubegast, Heidenau oder Großröhrsdorf an, Montag für Montag nach Dresden zu fahren und gegen die angebliche "Islamisierung des Abendlandes" zu demonstrieren?
Die Spurensuche beginnt in Pirna, die Kreisstadt mit 39.000 Einwohnern gilt als das Tor zur Sächsischen Schweiz. Auch aus Pirna waren schon Schilder auf den Demos zu sehen. In Pirna arbeitet Petra Schickert im Kulturbüro Sachsen. Sie berät Initiativen und Kommunen in anti-rassistischer Arbeit.
"Ich sehe, dass sie Ortsschilder tragen, das sind Gebiete oder Orte, die ich aus meinem Beratungsalltag kenne."
Seit 14 Jahren ist sie unterwegs auf Bürgerversammlungen in vielen kleinen Orten. Mit welchen Fragen, zum Beispiel zum Thema Asyl, wird sie dort konfrontiert?
"Das sind ganz praktische Dinge, die man wirklich ändern könnte. Und dann gibt es aber auch Sachen, die sind wirklich nicht erklärbar. Da kommt ganz klar Rassismus zum Ausdruck, die kommen hier her, die haben nichts in unsere Sozialsysteme eingezahlt. Sehr merkwürdige Vorstellungen, dann frage ich mich, ob die Leute wirklich die Fakten wissen wollen oder halt nicht, weil dann würde ihr System von Vorurteilen auch ein Stück weit zusammenstürzen."
"Besetzt, bitte flüchten Sie weiter"
Petra Schickert beobachtet diese – wie sie es nennt - verstärkte Mobilisierung gegen Asylbewerber schon seit 2013. Damals entdeckte sie plötzlich, dass Ortschilder um Sprüche wie "Besetzt, bitte flüchten Sie weiter" ergänzt waren. Sie erinnert sich auch an die Proteste gegen die Erstaufnahmeeinrichtung in Schneeberg, wo im November 2013 erstmals Neonazis der rechtsextremen NPD und besorgte Bürger gemeinsam auf die Straße gingen. Ähnlich gemischt sind heute die Pegdia-Demonstrationen. Auch wenn, anders als in Schneeberg, die NPD hier nicht die Fäden im Hintergrund zieht.
"Ich bin weit davon entfernt, zu sagen, das sind Nazis. Aber wenn ich Teilnehmer der Demo, sehe, sollten sie sich schon fragen, gehe ich mit Nazis? Und das ist sehr deutlich in Dresden, wie viele das sind."
Petra Schickert, eine sanfte, aber entschlossen wirkende Frau mit langen grauen Locken, betont aber auch - und das ist ihr wirklich ein Anliegen -, dass auch viele Bürger dieser kleinen Orten ihre Hilfe für Flüchtlinge anbieten und sich ganz praktisch engagieren.
Unterkünfte besucht
Weiter geht's mit der Spurensuche in Pirna. Oberbürgermeister Klaus-Peter Hanke, parteilos, sagt selbst, dass seine Stadt "schwer gezeichnet" sei vom Umgang mit Rechtsextremismus. Schon sein Vorgänger, der heutige sächsische Innenminister Markus Ulbig, CDU, habe sich gegen rechts eingesetzt.
"Wir hatten ja hier die extrem rechte Vereinigung Skinheads Sächsische Schweiz, die dann auch auf Grund ihrer kriminellen Handlungen verboten worden sind."
Die Vereinigung ist verboten, das rechtsextreme Gedankengut aber fällt hier noch immer auf fruchtbaren Boden: Bei der Landtagswahl im vergangenen Jahr haben in diesem Wahlkreis 8,9 Prozent der Bürger die NPD gewählt. Auf 10,4 Prozent der Stimmen kam die rechtspopulistische AfD, die mit der Pegida sympathisiert. Und trotzdem gibt es in Pirna keine offenen Aggressionen gegen Flüchtlinge, keine eigene Gegenbewegung zu den Asylsuchenden. 200 Flüchtlinge sind in Pirna untergebracht. Hanke erzählt von einem Projekt, das dabei geholfen hat, Ressentiments gegenüber Asylbewerbern abzubauen.
"Wir haben Versammlungen gemacht gemeinsam, wir sind in den Unterkünften mit den Anwohnern gemeinsam drin gewesen. Wir haben die Flüchtlinge besucht. Da gab es erst mal diese Äußerungen nicht mehr, dass dort alles vom Feinsten und vom Neuesten und im Überschwung da ist. Da hat man, denke ich mal, vielen schon die Augen geöffnet."
Einsame Dörfer
Einen interessanten Gedanken zum Thema Provinz und Pegida hat die Soziologin Naika Fourotin von der HU Berlin im ZDF geäußert. Sie sprach von einem Gefühl des Verlassenseins.
"Angst vor Einsamkeit, vor Entvölkerung. Viele Stadtregionen werden immer leerer. Es gibt immer weniger Zuwachs in diesen Orten. Gleichzeitig verbindet man Zuwachs mit dem Gefühl von Überfremdung."
Das korrespondiert mit dem Eindruck von Kerstin Köditz, sie ist in der Fraktion der Linken im sächsischen Landtag für antifaschistische Politik zuständig; kommt aus Grimma, einer Kleinstadt, die zwischen Leipzig und Dresden liegt. Es habe in den vergangenen Jahren frustrierende Erfahrungen mit der Landespolitik gegeben, gerade auf dem Land, sagt die Oppositionspolitikerin. So sei in den letzten Jahren die Politik der Schulschließungen durchgezogen sowie eine umstrittene Polizeireform angestoßen worden. Sparmaßnahmen, die der Landeskasse helfen, doch das Vertrauen der Bürger zerstören.
"Genau das ist das Problem eigentlich. Wir haben Schulschließungen en masse. Jetzt sollen noch die Flüchtlingskinder mit in die Schulen gehen. Da ist nicht das Flüchtlingskind das Problem, sondern die Schulschließungen."
Vielleicht werden die Laubegaster bei der Pegida-Demo ihr Schild demnächst noch ein wenig höher hängen, denn aus ihrer Sicht dürfte es einen Erfolg in ihrer Nachbarschaft geben. Ein geplantes Übergangswohnheim für Flüchtlinge wird nicht eröffnet: Der Vermieter hatte überraschend die Nutzungserlaubnis zurückgezogen. Es gab Drohungen, sagt die Stadt, interne Gründe führt dagegen der Vermieter an.
Bei der Initiative "Mein Laubegast", die die Unterbringung der Flüchtlinge verhindern wollte, hieß es dazu auf der Facebook-Seite: Juhu! Vorbei. Na dann, herzlich willkommen in Dresden.