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Islamunterricht startet schleppend

Zum Start des Islamunterrichts in NRW können nur 2500 von insgesamt 320.000 muslimischen Schülern Religionsunterricht erhalten. Die Gründe: Es gibt zu wenig Lehrer und klare Vorgaben zu den Unterrichtsinhalten fehlen.

Von Barbara Schmidt-Mattern |
    Gerade noch sitzt Grundschulrektor Heinz-Georg Klein an seinem Schreibtisch in Köln-Mülheim über den letzten Vorbereitungen zum Schuljahresauftakt. Fast 70 Prozent seiner Schüler hier sind Einwandererkinder, die meisten stammen aus der Türkei. Genau deshalb hätte der Rektor jetzt gerne den islamischen Religionsunterricht eingeführt, aber organisatorisch und personell fehlt es an allem, sagt Heinz-Georg Klein:

    "Diese mangelnde Vorbereitung, diese mangelnde Information auch dahin gehend, was Schule da eben machen kann, wie Schule dies einführen kann, das führt dazu, dass wir da im Moment noch gelinde gesagt auf dem Schlauch stehen."

    Tatsächlich stecken die Vorbereitungen noch in den Kinderschuhen. Die rot-grüne Landesregierung hat sich zwar hohe Ziele gesteckt, die sie aber vorerst nur im Kleinen einlösen kann: Gerade einmal 2500 der insgesamt 320.000 muslimischen Schüler in NRW können das Angebot nutzen. Schneller gehe es einfach nicht, heißt es aus dem Schulministerium, denn das letzte Wort über Personal und Unterrichtsinhalte hat nicht das Ministerium, sondern ein muslimischer Beirat, der sich aber erst im März konstituiert hat. Dessen Vorsitzender, der Islamwissenschaftler Mehmet Soyhun, bittet um Geduld. Erst einmal zähle jetzt etwas anderes:

    "Der islamische Religionsunterricht soll gleichgestellt werden mit dem christlichen Religionsunterricht. Zu den Lehrern können wir sagen, dass es erst einmal Menschen sein sollen, die dieser Religion selbst angehören, und die (die) universitären Abschlüsse dafür besitzen."

    Zur Verfügung stehen bislang nur jene 40 Lehrer, die bisher Islamkunde unterrichtet haben – eine Art neutraler Vorläufer, der lediglich Grundlagen, etwa über die fünf Säulen des Islam vermittelt. Im Gegensatz dazu dringt der neue bekenntnisorientierte Religionsunterricht tiefer in religiöse Fragen ein, es können auch Koranverse gelesen werden, aber gebetet wird nicht. Grundschulrektor Klein aus Köln ist trotz dieser klaren Vorgaben skeptisch:

    "Also ich sehe das im herkunftssprachlichen Unterricht, wie das schon manchmal schwierig ist, wie dieser Türkischlehrer sich da schon in ziemlichen Auseinandersetzungen mit manchen türkischen Eltern befindet, die sich mit ihrem Glauben oder mit ihren Glaubensvorstellungen da überhaupt nicht wiederfinden."

    Der Rektor verweist auf die unterschiedlichen Herkunftsländer der muslimischen Kinder und auf die damit verbundenen unterschiedlichen Glaubensrichtungen im Islam. All das – also die Erfahrungen der Praktiker – würden aber bei der Planung der Unterrichtsinhalte nicht berücksichtigt. Der Beiratsvorsitzende Soyhun räumt ein:

    "Wo es zwei Menschen gibt, da gibt es drei Meinungen."

    Aber der Beirat, bestehend aus acht muslimischen Islamwissenschaftlern, arbeite sehr gut zusammen. Der Lehrermangel wird freilich bestehen bleiben, denn das Studienfach Islamische Theologie wird in ganz NRW bisher nur an der Universität Münster angeboten. Schulministerin Sylvia Löhrmann von den Grünen ist dennoch zuversichtlich. Auf die Frage, ob das neue Schulfach auch zum Ziel hat, mehr Transparenz zu schaffen und die religiöse Unterweisung nicht allein den Moscheen zu überlassen, antwortet sie ausweichend:

    "Das ist auf jeden Fall ein Signal, dass die Kinder einen Unterricht bekommen, in deutscher Sprache mit hier ausgebildeten Lehrern, in dem sie auch kontrovers natürlich über Belange der Religion diskutieren."

    Bleibt das Problem der fehlenden Religionsgemeinschaft. Denn während laut Grundgesetz die Kirchen über die Inhalte des christlichen Religionsunterrichts entscheiden, fehlt den Muslimen in Deutschland eine staatlich anerkannte Religionsgemeinschaft. Stattdessen gestaltet nun in NRW der eigens gegründete Beirat den Unterricht – ein vom Landtag verabschiedeter Modellversuch, der 2019 ausläuft.