Als die Mannschaft vor zwei Jahren zur Europameisterschaft nach Frankreich fuhr und bis ins Viertelfinale kam, war es das Märchen des Turniers. Die Isländer selbst völlig überrascht und überwältigt von diesem Erfolg. So hatte auch die Wirtschaft noch kaum das Werbepotenzial entdeckt. EM-Sonderangebote gab es kaum, das Nationaltrikot, das plötzlich jeder haben wollte, musste erst schnell nachbestellt werden. Mit so viel Nachfrage hatte man schlicht nicht gerechnet.
Zwei Jahre später ist alles anders. In jedem Supermarkt gibt es WM- Angebote, jeder Souvenirladen bietet das Nationaltrikot auch für die Touristen an. Die Isländer sind selbstbewusster geworden. Die EM vor zwei Jahren habe ihnen gezeigt, dass sich Träume erfüllen könnten, sagt Árni Þór Gunnarsson, einer der treuesten Fans der Nationalmannschaft, einem Reporter des Time Magazine. "Es zeigt, wie weit Du kommen kannst, wenn Du Selbstvertrauen hast. Man kann Millionen haben, die besten Sportanlagen, aber wenn das Selbstvertrauen nicht da ist, kommst Du nicht weit."
Der Reporter will wissen, ob die Fans denn keine Alpträume wegen Messi hätten? Árni hält kurz inne und sagt dann, Ronaldo und die Portugiesen, gegen die sie bei der EM 1:1 gespielt hatten, seien eine nette Vorspeise gewesen, Messi sei jetzt das Hauptgericht. Dass ihnen noch einmal ein Coup gelingen würde, und das gegen Argentinien, führt ihnen etwas vor Augen, an das Sveinn Ásgeirson früher nie geglaubt hätte: dass auch sie als kleine Nation einmal mit auf einer Weltbühne dabei sein können. "Das ist so schön, das schweißt uns in Island so zusammen und es hat auch was, dass die ganze Welt inzwischen den isländischen Fußball kennt."
Weltweite Anerkennung für die isländischen Fans
Árni und Sveinn gehören zur Fangruppe "tólfan", übersetzt der zwölfte Mann. Noch nie waren Interviews mit ihnen, den leidenschaftlichen Unterstützern der Mannschaft, so gefragt wie vor dieser Weltmeisterschaft. Es ist nicht nur der Erfolg ihrer Mannschaft, der die Isländer so beliebt gemacht hat. Es ist auch ihre fröhliche Familien-Party auf den Zuschauerrängen, der Vikingchant, die tausenden Fans, der prozentual höchste Anteil einer Bevölkerung, der seiner Mannschaft hinterherreist, um an dem Gefühl teilzuhaben. Diesem Gefühl von Glück und Stolz.
Und sie genießen auch die weltweite Anerkennung. Bei vielen Nationen sind sie das Team, das nach der jeweils eigenen Nationalmannschaft die höchste Popularität genieße, sagt Sveinn Ásgeirson: "Island ist das Team Nr. 2 für die russischen Fans. Das ist, was uns von verschiedener Seite gesagt wurde, u.a. vom russischen Botschafter oder von Profifußballern, die in Russland spielen."
Und dann gibt es noch italienische Fans, die sie unterstützen, jetzt, da ihre Mannschaft nicht dabei ist. Auch deutsche, manche kommen sogar regelmäßig nach Island geflogen um bei Spielen der Nationalmannschaft dabei zu sein. Sveinn Ásgeirson wundert sich, wie die immer an die heiß begehrten Tickets kommen.
Das alles ist eine Entwicklung der jüngeren Zeit. "tólfan", die für die Stimmung in den Stadien sorgen, gibt es erst seit 11 Jahren, vorher war da nicht viel. Und auch der Vikingchant ist eigentlich aus Schottland übernommen. Die gestiegene Fan-Unterstützung ging einher mit zunehmendem Erfolg, höherer Motivation – eine Aufwärtsspirale.
Besser kann es auch für den Verband kaum laufen, Nationaltrainer Heimir Hallgrímsson pflegt weiter den engen Draht zu "tólfan", besucht vor Heimspielen die Stammkneipe, um Aufstellung und Taktik zu verraten. Streng vertraulich selbstverständlich. Verbandspräsident Guðni Bergsson weiß um die Bedeutung dieser engen Verbindung. "Die sorgen für Atmosphäre und beflügeln unser Team und die gute Leistung wiederum sorgt für tolle Stimmung. Und wir genießen das augenblicklich diesen Zusammenhalt."
Islands Verband arbeitet am nachhaltigen Erfolg
Doch wie nachhaltig ist das alles? Was, wenn der Erfolg einmal ausbleibt, und dieses Glück dann doch nur von begrenzter Dauer war? Sveinn Ásgeirson glaubt nicht daran, dass es so kommt. Der Fußballverband habe in den letzten Jahren klug gearbeitet, und mit dem früheren Bundesligaspieler Eyjólfur Sverrison hätten sie einen U21-Trainer, der die jungen Talente bestens erkenne und forme. Aber falls doch: "Ja klar, ist die Unterstützung größer, wenn es gut läuft, aber ich hoffe, dass die Isländer auch dann weiter ihre Unterstützung zeigen, wenn es mal schlecht läuft. Wir von tólfan werden dann auch noch hinter unserem Team stehen - durch dick und durch dünn."
Island – die Metapher des tapferen Underdogs, ein Team, ohne hoch bezahlten Star, alle weit verstreut in ausländischen Ligen unterwegs, aber mit einem engen inneren Zusammenhalt. Der mag auch deshalb so sein, weil die isländische Gesellschaft wie das äußere Band wirkt. Vertrautheit, Verbundenheit. Man kennt sich. Und um ein paar Ecken ist ja auch am Ende jeder mit jedem verwandt. Wenn die Spieler nach Hause kommen, sind sie zwar Helden, aber eben auch normale Bürger, die man beim Einkaufen treffen kann.