130 Kilo in der rechten und noch einmal 130 Kilo in der linken Hand als Gewichte über eine Strecke von 20 Metern hin und wieder zurücktragen: Bóndaganga - Bauerngang - heißt diese Disziplin. In Anlehnung an die harte Arbeit der Bauern, als sie noch nicht von modernen Maschinen unterstützt wurden und noch sehr viel mehr eigene Kraft nötig war, um die Arbeit am Hof zu bewältigen.
Der Bauerngang ist eine von acht Prüfungen, die die zehn Teilnehmer des Wettkampfs „Vestfjarðavikingurinn“ machen, um aus ihnen den stärksten Isländer zu ermitteln.
Schmerzverzerrte Gesichter
Wie sehr das in die Arme und Beine geht, ist jedem anzusehen in den hochroten und schmerzverzerrten Gesichtern. Die Zuschauerinnen und Zuschauer feuern jeden der Zehn an und doch muss immer wieder einer im Kampf Mann gegen Mann die Gewichte fallen lassen, um dann erneut zu versuchen die insgesamt 260 Kilo innerhalb der vorgegebenen Minute ins Ziel zu bringen.
Einer der schnellsten ist der Vorjahressieger Stefán Karel Torfason. "Wir machen das, was die alten Wikinger als Bauern oder Seemänner tun mussten, Wasserfässer hin und herschleppen, Heuballen in die Scheune tragen und solche Dinge. Nur mit höheren Gewichten."
"Einfach großer Spaß"
Stefán Karel Torfason war früher mal Basketball-Nationalspieler, musste dann aber nach mehreren Gehirnerschütterungen aufgeben und widmet sich sportlich jetzt ganz diesem Wettkampf. Schon zum fünften Mal ist er dabei. „Das ist einfach großer Spaß, den Menschen diese alte Tradition nahezubringen, sie mit den Wettkämpfen zu unterhalten.“
In drei Tagen messen sich die starken Männer in acht tatsächlich sehr unterhaltsamen Disziplinen: Bierfässer hochwerfen, eine Art Baumstamm mit Gewichten in die Höhe ragen, Fässer durch ein Schwimmbadbecken ziehen und dann rausholen, schwere Steine tragen und zum Schluss das klassische Gewichte heben.
Konzipiert wird der Wettkampf jedes Jahr vom früheren Vierfach-Weltmeister im Strongmen-Wettkampf, Magnús Ver Magnússon, dessen Weltkarriere mit diesem Wettkampf begann. "Wir wollen dabei an die Wurzeln unserer Geschichte von Bauern und Seemännern gehen. Es ist auch ein Denkmal an diese alte Zeit, in der es den Stärkeren gut ging, denn es machte einen Unterschied, wer stärker und robuster war."
Wettkämpfe im Nordwesten Islands
Die Wettkämpfe finden an verschiedenen Orten im Nordwesten von Island statt. Ganz in der Nähe eines Strands, an dem auch noch drei Steine stehen, an denen sich die alten Wikinger messen konnten – wer den Größten tragen konnte, bekam die beste Arbeit und den höchsten Lohn.
Was mögen die Zuschauerinnen und Zuschauer daran? "Das macht großen Spaß denen zuzusehen", sagt ein Mann. Eine Frau ruft: "Oh der ist aber superschnell.“ Ein anderer Mann meint: "Und das mit 260 Kilo." Ein dritter Mann sagt: "Die nehmen das alle sehr ernst und geben ihr Bestes, das finde ich gut, aber es ist nicht verbissen, es ist hier eine entspannte Atmosphäre, ein gemeinsamer Kampf, keiner gegeneinander.“
Auffallend ist, wie sich die zehn Teilnehmer gegenseitig helfen und anfeuern.
Ein Mit- und kein Gegeneinander
Auch wenn am Ende einer den Wikingerhelm und Sach- und Geldpreis von umgerechnet insgesamt rund 2.500 Euro erhält, ist es ein Mit- und kein Gegeneinander. Sie alle haben Jobs, Familien und nutzen jede freie Minute für das Training. Denn bei aller Unterhaltung ist es auch einer sehr fordernder Wettkampf.
Robert Rittweger, ein Deutsch-Isländer ist mit 21 Jahren der jüngste Teilnehmer und zum ersten Mal dabei: „Das ist nicht nur stark zu sein, man braucht auch Endurance und Power und alles, es geht alles zusammen, es ist schon sehr intensiv.“
Die Anstrengungen werden vom Publikum mit lautstarker Anfeuerung gewürdigt. Gerade bei den letzten Wettkämpfen, wenn die Kräfte nach den anstrengenden drei Tagen schwinden und nicht mehr jeder seine Topleistung hervorbringen kann, kommt diese Unterstützung gut an.
Rittweger am Ende Neunter
Nicht nur der Sieger, auch alle anderen erhalten großen Applaus. Vorjahressieger Stefán Karel Torfason ist dieses Mal Zweiter geworden, Robert Rittweger bei seiner Premiere Neunter. Alle posieren nochmal zusammen für das Gruppenbild.
„Wir sind vielleicht nicht viele, die das machen, aber es sind schon sehr viele, die zugucken“, sagt Robert Rittweger, bevor er hungrig und müde ins Auto steigt und der Tross sich auflöst, bis zum nächsten Jahr, wenn wieder der stärkste Wikinger gesucht wird.