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Island stellt sich quer

Nachdem die isländische Bank Icesave pleite gegangen war, entschädigten Großbritannien und die Niederlande britische und niederländische Bankkunden mit 3,8 Milliarden Euro. Die beiden Länder wollen jetzt ihr Geld zurück. Doch Island tut sich damit schwer.

Von Philipp Boerger |
    Islands Präsident Ólafur Ragnar Grímsson ist seit dem Frühling 1996 im Amt, das sind fast 15 Jahre. Er versteht sich als Präsident des Volkes. Und er ist der einzige Präsident in der Geschichte Islands, der sich weigert, beschlossene Gesetze zu unterschreiben. Auch das mühsam neu verhandelte Icesave-Abkommen soll nicht in Kraft treten, entschied Grímsson gestern. Und erklärte am Nachmittag live im Fernsehen:

    "40.000 Menschen haben auf Unterschriftenlisten eine Volksabstimmung verlangt, das ist ein Fünftel aller Wahlberechtigten. Und auch alle Umfragen deuten darauf hin: Die Mehrheit der Bürger Islands will in dieser Angelegenheit ein Mitspracherecht."

    In seiner Ansprache ließ der Präsident durchblicken, dass ihm das neue Gesetz zwar viel fairer vorkomme, als das alte. Aber es sei nicht demokratisch, so Grímsson, dass die Bevölkerung kein Mitspracherecht bekäme, während ein- und dieselben Abgeordneten ein- und dasselbe Gesetz zweimal zu völlig verschiedenen Konditionen aushandelten. Schließlich sei es die Bevölkerung, die für die Fehler von Bankern und Politikern durch dieses Gesetz jahrelang höhere Steuern bezahlen müsste.

    "Egal wie gut die neuen Verträge sind, verglichen mit den alten: Der entscheidende Faktor meines Handelns muss sein, das die Nation diese Entscheidung in der Hand hält. Das Parlament hat bei so einer wichtigen Entscheidung für unser Land kein alleiniges Mandat."

    Islands Präsident behauptet damit, dass das Parlament nicht in der Lage ist, für die Ansprüche der Bevölkerung eine befriedigende Lösung zu finden.

    "Ich habe mich deshalb dafür entschieden, gemäß dem 26. Artikel der Verfassung eine Volksabstimmung über diesen Konflikt einzuleiten."

    Seine Entscheidung hat der Grímmson der isländischen Regierung offenbar nur Minuten vor seiner Fernsehansprache mitgeteilt. Die Premierministerin Jóhanna Sigurðardóttir:

    "Ich bin enttäuscht davon, dass der Präsident die große Mehrheit des Parlaments ignoriert. Es ist eine äußerst riskante Angelegenheit, das Volk über Staatsfinanzen abstimmen zu lassen. Wir haben sehr deutlich zu verstehen bekommen, dass die Niederländer und die Briten mit uns nicht noch einmal neu verhandeln werden."

    Auch Finanzminister Steingrimur Sigfusson findet das Verhalten des isländischen Präsidenten befremdlich. Im öffentlich-rechtlichen Fernsehen RÚV sagte er:

    "Die Regierung wird nicht zurücktreten. Ich bin allerdings erstaunt und völlig verblüfft, und das sage ich als jemand, der seit 28 Jahren Abgeordneter des Parlaments ist, dass unser Präsident die politischen Spielregeln und den Auftrag des Parlaments dermaßen missachtet."

    Die Regierung gibt sich entschlossen und will die Bevölkerung schon in vier Wochen über das Rückzahlungsgesetz abstimmen lassen. Doch das Ergebnis wird wohl wieder mehrheitlich "Nein" sein, wenn auch nicht so absolut wie vor einem Jahr. Islands rotgrüne Regierung ist nicht mehr sonderlich populär – Präsident Grímsson umso mehr.

    "Das ist Demokratie, ist doch der Weg. Ich habe Zweifel gehabt, aber als er seine Entscheidung kund tat, habe ich Gänsehaut bekommen."

    "Die Kinder im Land müssen für die Fehler der jetzigen Generation haften, dass können wir nicht zulassen",

    erklärt ein älteres Ehepaar, das vor dem Amtssitz des Präsidenten zum Ausdruck der Solidarisierung die Nationalflagge schwenkt. Es gibt aber auch viele Kritiker. Auf der Facebook-Seite der englischsprachigen Zeitung "The Reykjavík Grapevine" kommentiert der Nutzer Boris zynisch:

    "Präsident Grímsson? Ist das nicht der gleiche Mann, der früher so stolz auf das 'neue Zeitalter der Wikinger' war, als die isländischen Banker noch auf dem Höhenflug waren?"

    Und der Sprachwissenschaftler Eirikur Olafsson fürchtet, dass sein Präsident die Glaubwürdigkeit des Landes aufs Spiel setzt.

    "Leute wollen keine Schulden einer Privatbank bezahlen. Wer will das schon. Aber die Sache muss aus der Welt geschaffen werden. Und die Frage steht im Raum und bleibt dieselbe: Was wollen die Menschen in Island opfern, um an die vermeintliche Gerechtigkeit zu kommen?"