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Island
Suche nach einem unbelasteten Präsidenten

Es ist eine Präsidentschaftswahl zwischen EM-Begeisterung und Panama-Affäre: Nachdem Amtsinhaber Ólafur Ragnar Grímsson seine erneute Bewerbung nach 20 langen und teilweise turbulenten Amtsjahren wieder zurückgezogen hat, suchen die Isländer nach einem möglichst unbelasteten Nachfolger. Auch ein Schriftsteller und ein Historiker haben sich beworben.

Von Jessica Sturmberg |
    Wahlkampfzentrale von Andri Snær Magnason
    Wahlkampfzentrale von Andri Snær Magnason (deutschlandradio.de / Jessica Sturmberg)
    Die Torschützen Gylfi Sigurdsson und Birkir Bjarnason sind die Helden dieser Tage. Ihr unermüdlicher Einsatz auf dem Rasen, um Island in der europäischen Fußball-Welt voranzubringen, sollte für alle Vorbild sein, meint Präsidentschaftskandidatin Halla Tómasdóttir bei der letzten Radiodebatte vor der Wahl im öffentlich-rechtlichen Rundfunksender RÚV.
    Ebenso wie die Frauen-Elf, die – gemessen an EM-Teilnahmen – noch erfolgreicher ist als die Herrenmannschaft.
    Halla Tómasdóttir ist Geschäftsfrau, mit anderen Partnerinnen betrieb sie eine Vermögensverwaltung, ganz in weiblicher Hand. In der Krise bewährte sich ihre zurückhaltende, weniger risikoreiche Anlagestrategie.
    In den Umfragen liegt sie derzeit zwar nur auf dem vierten Rang, aber sie hat in den letzten Tagen ordentlich dazu gewonnen, kommt mit rund 12,5 Prozent immer näher heran an die drei männlichen Bewerber, die seit Wochen vorne liegen. Allen voran mit mehr als 50 Prozent: der Historiker Guðni Jóhannesson.
    Guðni Th Jóhannesson, aussichtsreichster Kandidat in seiner Wahlkampfzentrale
    Guðni Th Jóhannesson, aussichtsreichster Kandidat in seiner Wahlkampfzentrale (deutschlandradio.de / Jessica Sturmberg)
    Im April erklärte der 47-Jährige den geschockten Isländern noch fast täglich die politischen Verhältnisse als ihr Ministerpräsident sich vor laufender Kamera mit stotternden Antworten zu Offshore-Briefkastenfirmen blamierte. Kurz darauf beschloss Guðni Jóhannesson, selbst für das höchste Amt im Staat zu kandidieren.
    "Nach den Panama Papers hoffen die Isländer, dass es in Zukunft verhindert werden kann, Geld im Ausland anzulegen um damit Steuern zu hinterziehen. Es ist sehr wichtig, Wege und Mittel zu finden, das zu stoppen, indem die Steuerbehörden in die Lage versetzt werden, das zu untersuchen. Falls ich gewählt werde freue ich mich darauf zu helfen, die isländische Gesellschaft besser zu machen, so dass wir sagen können, die Gesellschaft ist heute einen Tick besser als sie es gestern war."
    Dass der Historiker so viel Zuspruch bekommt, hängt auch damit zusammen, dass viele einen Strich ziehen wollen. Sie haben die Nase voll von Politikern, die scheinbar ihr Amt für eigene Zwecke missbrauchen, Wasser predigen und sich selbst Wein einschenken.
    Guðni Th. Jóhannesson gilt als unbelastet. Sein Vorteil: Er kommt nicht aus dem Politikgeschäft, erläutert Geschichtsprofessor Guðmundur Hálfdanarson von der Universität Island.
    "Ich glaube, es ist ein solcher Präsident, den viele Wähler sich wünschen jetzt nach der langen und teilweise turbulenten Amtszeit von Ólafur Ragnar Grímsson. Dieser hat das Amt sehr politisiert und umstrittene Entscheidungen getroffen. Viele sehnen sich jetzt nach einem Präsidenten, der aus dem Kulturleben oder Universitätsmilieu stammt und sich von Parteipolitik ferngehalten hat.
    Andri Snær Magnason spricht Künstler und Naturschützer an
    Ein Geschäftsviertel nahe dem offiziellen Gästehaus von Reykjavík, wo sich einst Ronald Reagan und Michael Gorbatschow die Hände reichten. Hier hat der Schriftsteller Andri Snær Magnason seine Wahlkampfzentrale eingerichtet. Ganz unkonventionell. Wie ein Künstlerzentrum. Mit einer Konzertbühne für Musiker, Stehtischen im Raum, einer Spielecke für Kinder, Bücherschränken. Auf einem Podest stehen bunte Stühle und Tische, daneben ist eine offene Küchenzeile, aus der es dampft. Ein befreundeter Künstler hat eine Suppe aus Njóli – Sauerampfer – gekocht. Es geht ihm darum, dass Njóli nicht als Unkraut wahrgenommen wird, sondern als genießbare, heimische Pflanze.
    Andri Snær Magnason, Schriftsteller
    Andri Snær Magnason, Schriftsteller (Deutschlandradio/Jessica Sturmberg)
    Das passt zu Andri Snær Magnason, der für neue Denk- und Sichtweisen wirbt – gerade mit Blick auf die Natur:
    "Der Präsident ist ein Katalysator. Ich möchte die Menschen, Geschäftsleute, Kreative, Ausländer in unserem Land zusammenbringen, die Diskussion vorantreiben, wie wir unseren Beitrag in den globalen Herausforderungen wie Naturschutz oder angesichts der Flüchtlingsströme leisten können. Mir geht es also nicht um mehr direkte Macht, sondern vielmehr um einen indirekten Einfluss auf die Politik."
    Davíð Oddsson war lange Jahre Ministerpräsident
    Damit spricht der 42-Jährige vor allem Künstler und Naturschützer in der Hauptstadt an und in etwa so viele Isländer wie sein absoluter Gegenpol Davið Oddsson. Der langjährige Ex-Ministerpräsident punktet bei seinen Anhängern im Wahlkampf mit EU-kritischen Tönen, in denen er vom brennenden Haus Europa spricht.
    Eine Wahlkampfveranstaltung in Hella, einem kleinen Ort 100 km südwestlich von Reykjavík. Es gibt Kaffee und Kleinur, isländisches Gebäck. Davíð Oddsson hat jeden Gast persönlich begrüßt, sich dann selbst eine Tasse Kaffee genommen und hält sie noch während seiner Rede weiter die ganze Zeit in der Hand.
    In seiner langen Zeit als Ministerpräsident hat er eine allzu liberale Wirtschaftspolitik verfolgt, 2008 machte er in den Krisentagen keine gute Figur als Zentralbankchef. Das "Time Magazine" nannte ihn als einen von 25 Hauptverantwortlichen für die globale Finanzkrise. Zu Unrecht wie seine Anhänger finden:
    (Mann) "Nein, das ist nicht richtig. Es war nicht seine Schuld. Er hat versucht das Schlimmste zu verhindern."
    (Frau) "Ich bin Landwirtin, war hier im Kommunalrat und fand ihn immer gut und ich weiß was für ein amüsanter Mensch er ist. Ich habe lange mit ihm zusammengearbeitet."
    (Mann) I"ch finde David einen wunderbaren Menschen, der immer für das Land und für das Volk da war. Es gibt um ihn geteilte Meinungen, aber er ist aber vertrauensvoller Mann, und ich glaube er könnte ein guter Präsident sein."
    Davíð Oddsson ist mittlerweile Chefredakteur der traditionsreichen Zeitung "Morgunblaðið" und der streitbarste unter den Kandidaten. Derjenige, dem die größten politischen Ambitionen in diesem Amt nachgesagt werden.
    Favorit Guðni Th Jóhannesson ist dagegen der Konsenskandidat, der auch mit Blick auf Europa moderate Töne anschlägt. Darüber sollen die Isländer irgendwann in einem Referendum entscheiden. Jetzt wollen sie erst einmal auf Europas Fußballbühne groß herauskommen.