Ein Fernseher kommt einem Isländer ganz sicher nicht ins Haus. Und wenn doch, dann kauft er einen "Sjónvarp". Wörtlich übersetzt heißt das so viel wie "Bildrausschicker". Typisch isländisch. Nie klingelt hier ein Telefon. "Sími" heißt so viel wie "Draht" oder "Faden." Es wird also gedrahtet, nicht telefoniert. Fremdwörter haben auf Island so gut wie nie eine Chance.
"Der größte Teil unseres Wortschatzes besteht aus rein isländischen Begriffen. Das sind Wörter, die man gar nicht richtig in andere Sprachen übersetzen kann. Ein Kompass ist bei uns ein ‚áttaviti', ein Richtungszeiger. Für einen Satelliten sagen wir zum Beispiel ‚gervitungl' . Wörtlich übersetzt heißt das ‚künstlicher Mond'."
Ari Páll Kristinsson hat bis vor Kurzem das Isländische Sprachinstitut geleitet, war also so etwas wie der oberste Wächter über künstliche Monde und kriechende Drachen. Klingt beinahe poetisch, die Übersetzung für das Wort "Skriðdreki". Der "kriechende Drache" ist der isländische Begriff für einen Panzer.
Kristinsson, der Uniprofessor aus Reykjavík, hat unendlich viele solcher Beispiele. Kein Wunder, denn auf Island gibt es mehr Worte als Menschen. Es gibt eigene Buchstaben und Millionen von Wortformen. Der Kampf gegen die Fremdworte begann hier schon früh, sehr früh.
"Es gibt uralte schriftliche Quellen aus dem 12. bis 14. Jahrhundert, die zeigen, dass schon damals die isländischen Gelehrten lieber in ihrer Muttersprache geschrieben haben und eben nicht in Latein, wie das sonst in Europa überall üblich war. Die Männer konnten Latein und haben trotzdem ihre Texte in ihrer nordischen Sprache verfasst, auf Isländisch."
Die Ursprache aller Skandinavier
Isländisch ist so etwas wie die Ursprache aller Skandinavier. So oder so ähnlich hatten auch mal die Dänen oder Schweden gesprochen. Aber das ist lange her. Nur auf dieser einsamen Insel, weit, weit weg im Nordatlantik, konnten sich die uralten Worte und Regeln erhalten. Bis heute.
"Wir haben auch ziemlich viele humorvolle Worte im Isländischen. Ein Beispiel dafür sind die vielen absurden Übersetzungen, die wir im Moment für ‚Facebook' benutzen. Das ist dann ein Fratzenbuch oder Fressenverzeichnis. Es macht den Isländern richtig Spaß, mit der Sprache so umzugehen."
Seit 50 Jahren wacht auf Island ein Sprachkomitee über diesen Spaß. Klar, nicht alle Anglizismen können die Sprachpuristen vermeiden, auch auf Island wird zum Beispiel gebloggt, das allerdings auf der "Tölva", der isländischen "Rechenhexe." Ein bewundernswert einfaches und treffendes Wort, findet Kristinsson. Die "Rechenhexe" ist der Computer.
"Dieses einzelne uralte Wort ‚tölva' wird dann auch in allen möglichen neuen Zusammenhängen benutzt. 'Fartölva' ist ein Laptop, ‚Spjaldtölva' ist ein iPad und so weiter. Worte wie Computer oder PC hätten bei uns nie eine Chance, weil das Wort ‚Tölva' ja schon da ist."
Und so denken sich die Isländer halt immer etwas Neues aus. Wenn die Vulkanologen mal gucken wollen, ob es im Inneren des Hekla schon brodelt oder noch nicht, dann schicken sie, nein, keine Drohne, das wäre ja langweilig. Die Isländer nennen das "fjarfluga" - "Fernfliege." Oder auch "flygildi" - "Flugzeugchen." Noch schöner aber ist die dritte Drohnen-Übersetzungsvariante: "vélfygli"- das "Maschinenvögelchen." Wer so einen Sprachschatz hat - wen wundert es jetzt noch -, der glaubt auch an Elfen.