Nahost-Krieg
Berichterstattung aus dem Gazastreifen bleibt eingeschränkt

Israels Oberster Gerichtshof hat einen Antrag der Auslandspresse-Vereinigung FPA abgelehnt, die Zugang zum Gazastreifen fordert. Die Journalisten beklagen, eingeschränkt zu werden. Daneben wirft der Fall zweier getöteter Journalisten Fragen auf.

Text: Isabelle Klein / Jan-Christoph-Kitzler im Gespräch mit Sebastian Wellendorf |
Ein blauer Helm mit der Aufschrift "Press" liegt auf dem mutmaßlichen Grab des palästinensischen Journalisten Hamza Dahdouh. Daneben knien und sitzen Jungen und Männer, einer davon trägt eine Presseweste.
Trauernde am mutmaßlichen Grab des palästinensischen Journalisten Hamza Dahdouh (picture alliance / dpa / Mohammed Talatene)
Objektive Informationen über die aktuelle Lage im Gazastreifen zu bekommen ist schwierig, denn überprüfen lassen sich viele Geschehnisse nur schlecht oder erst sehr spät. Das liegt zuallererst daran, dass Journalistinnen und Journalisten vor Ort fehlen und jene, die im Gazastreifen berichten, stark gefährdet sind.
Die Vereinigung der Auslandspresse (FPA, Foreign Press Association) beklagt, dass der Zugang seit Wochen extrem eingeschränkt und stark kontrolliert werde. Nachdem mehrere Anfragen an das Pressebüro der israelischen Regierung und an das Militär keine substanzielle Antwort zur Folge gehabt hätten, hatte die FPA nach eigenen Angaben kurz vor Weihnachten 2023 beim Obersten Gerichtshof Israels sofortigen Zugang zum Gazastreifen für internationale Medien beantragt, der nun abgelehnt wurde. Die FPA vertritt 130 Medienunternehmen aus mehr als 30 Ländern, die aus Israel, dem Gazastreifen und der Westbank berichten.

Eingeschränkter Zugang wird mit Sicherheitsbedenken begründet

Das Gericht begründete sein Urteil nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP mit Sicherheitsbedenken: Es sei die Sicherheit von Journalisten und Soldaten und die "Pressefreiheit" abzuwägen - und unabhängig einreisende Journalistinnen und Journalisten könnten dem Gericht nach die Sicherheit der israelischen Soldaten gefährden, indem sie deren Standort oder andere Details zum Militäreinsatz preisgeben.
Der Oberste Gerichtshof räumte ein, dass das Verbot "nicht die volle Ausübung (...) der Pressefreiheit ermöglicht". Ausländischen und israelischen Journalisten werde weiterhin ein begrenzter Zugang zu dem von der islamistischen Hamas kontrollierten Gebiet in Begleitung von Armee-Vertretern ermöglicht. Solcher "embedded journalism" ist im Krieg nicht unüblich, wird jedoch auch kritisch betrachtet.
Schon vorab hatte die Vereinigung der Auslandspresse erklärt, sie sei sich der "einzigartigen Sicherheitsherausforderungen bewusst, die der aktuelle Krieg mit sich bringt, und alle Mitglieder, die Gaza betreten, müssten diese Risiken berücksichtigen“, heißt es in der Erklärung. „Aber die jüngste Vereinbarung der israelischen Regierung, Hilfslieferungen direkt aus Israel in den Gazastreifen zuzulassen, zeigt, dass solche Hindernisse überwunden werden können.“

Nahost-Korrespondent: "Sehr eingeschränktes Bild über die Lage"

Das Urteil sei ein Problem für alle, die objektiv über den Krieg berichten können, sagt Jan-Christoph-Kitzler, der für den Deutschlandfunk den Krieg in Nahost beobachtet. Es gebe bisher nur eine Journalistin, die seit Kriegsbeginn unabhängig vom israelischen Militär in den Gazastreifen gekommen sei. Die restlichen Kollegen seien Ortskräfte, die schon vor dem Krieg im Gazastreifen gewohnt hätten.
Man könne berichten, indem man beispielsweise Quellen "übereinanderlege". Aber natürlich würden sich alle Kollegen etwas anderes wünschen: "Wir haben ein sehr eingeschränktes Bild über die Lage im Gazastreifen", so Kitzler.

Journalisten im Gazastreifen stark gefährdet

Die Journalisten, die im Gazastreifen abseits des embedded journalism berichten, sind derzeit noch stark gefährdet. Wie viele Journalistinnen und Journalisten im Gaza-Krieg ums Leben gekommen sind, lässt sich nur schwer eindeutig feststellen. Die Organisation Committee to Protect Journalists (CPJ) zählt drei Monate nach Kriegsbeginn durch den Terrorangriff der Hamas auf Israel 79 getötete Medienschaffende - der Großteil davon Palästinenserinnen und Palästinenser (72).
Die Organisation Reporter ohne Grenzen RSF kam im Dezember 2023 auf 18 getötete Medienschaffende und begründete diese Zahl mit einer strengeren Zählweise: "In diesen Fällen konnte RSF mit hinreichender Sicherheit feststellen, dass ihr Tod direkt mit ihrer journalistischen Arbeit zusammenhing. RSF kommuniziert deshalb vorrangig diese Zahl." Zu zahlreichen anderen der Organisation bekannten Fälle, recherchiere man weiter.

Podcast "Nach Redaktionsschluss": Medien & Nahost

Journalisten oder Terroristen?

Ein aktueller Fall zweier getöteter Journalisten sorgte in den vergangenen Tagen für viel Diskussion. Nach Angaben des Fernsehsenders Al Jazeera waren Anfang Januar die palästinensischen Journalisten Hamza Al-Dahdouh und Mustafa Abu Thurayya bei einem israelischen Angriff in getötet worden. Al Jazeera warf Israel daraufhin vor, „die Grundsätze der Pressefreiheit zu verletzen“. Nach Angaben verschiedener Nachrichtenagenturen erklärte die israelische Armee zunächst, dass beim Angriff ein Terrorist getroffen worden sei - und dabei zwei andere Verdächtige ums Leben gekommen seien. Später korrigierte die israelische Armee diese Aussage: Geheimdienstinformationen hätten bestätigt, dass Hamza Al-Dahdouh und Mustafa Abu Thurayya im Gazastreifen ansässigen Terrororganisationen angehört hätten.
Vor dem tödlichen Luftangriff hätten die beiden Männer Drohnen bedient, die eine direkte Gefahr für israelische Soldaten dargestellt hätten, so die Armee. Auf eine Anfrage der Nachrichtenagentur AFP, um was für Drohnen es sich dabei gehandelt habe und welche Bedrohung die Drohnen genau dargestellt hätten, erklärten die Streitkräfte, sie würden dies "überprüfen". Die Frage sei nicht irrelevant, denn auch Journalisten würden Drohnen einsetzen, so Nahost-Korrespondent Kitzler.
Die UNO hatte sich hinsichtlich der Todesfälle "sehr besorgt" über die hohe Zahl der Todesopfer unter Medienschaffenden im Gazastreifen und verlangt eine Untersuchung, wie es das Büro des UN-Menschenrechtskommissars beim Onlinedienst X schreibt.