Gewalt in Amsterdam
Israels Fußballfans spüren die Angst

In Amsterdam wurden nach einem Fußballspiel Fans des israelischen Fußballvereins Maccabi Tel Aviv gejagt. Die Ausschreitungen haben vor allem in der jüdischen Gemeinschaft nachhaltig Spuren hinterlassen.

Von Daniel Mertens |
Israelische Fans kommen zum Spiel Frankreich gegen Israel und unterhalten sich mit der Polizei. Ein Fan hat eine Israel-Flagge um den Körper.
Tausende Polizisten waren beim Hochrisikospiel der Nations League in Frankreich im Einsatz. Vor und nach dem Spiel gegen Israel blieb es weitgehend ruhig. (IMAGO / Blondet Eliot )
Wie sicher sind wir eigentlich noch in Europa? Eine Frage, die sich innerhalb der jüdischen Gemeinde jetzt stellt.
Dan aus Tel Aviv war als Fan vor Ort in Amsterdam. Die Rückreise aus dem Stadion habe zunächst noch entspannt begonnen. Im Bus hätten er und seine Freunde mit Ajax-Fans sogar Schals getauscht. Als sie den Bus aber dann verlassen wollten, haben mehrere Gruppen junger Menschen auf sie gewartet.
„Sie haben mich zur Seite gezogen und realisiert, dass ich ein Jude bin und griffen mich an. Sie haben mir einige Schläge gegeben und mich zu Boden gerissen. Es waren etwa zehn gegen mich. Ich hatte dann eine Gehirnerschütterung, hatte ein Problem mit meinem Auge. Aber das ist geheilt. Außerdem habe ich noch einige Tritte gegen den Körper abbekommen.”

Mit einer Sondermaschine raus aus Amsterdam

Zusammen mit seinen Freunden hat es Dan zurück ins Hotel geschafft. Doch die Angreifer sind der israelischen Gruppe gefolgt: „Während ich mit dem Rezeptionisten spreche und nach Medikamenten frage, klopfen sie an das Fenster und fordern uns auf, herauszukommen.“
Am nächsten Morgen verlässt Dan Amsterdam – mit einer Sondermaschine. Die hat Israel spontan bereitgestellt, um seine Bürger sicher nach Hause zu holen.
Eine Sache liegt Dan besonders am Herzen. Es geht um die Bilder israelischer Fans, die vor der Partie palästinensische Fahnen von Fenstern gerissen hatten und anti-arabische Parolen skandierten: „Die ganzen Provokationen sind für sie nur eine Ausrede für das, was sie getan haben. Sie haben sich das vor einer Woche überlegt. Sie haben es auch am Tag zuvor getan, aber nicht in der gleichen Intensität.“

Viele Israelis fühlen sich in Europa nicht mehr sicher

Tatsächlich gab es bereits im Vorfeld in Israel Sorge vor geplanten Angriffen auf Maccabi-Fans in Amsterdam. Für Dan waren die Eindrücke vor Ort nachhaltig genug, um nicht mehr so schnell nach Europa zu reisen: “Ich fühle mich in Europa nicht sicher. Es gibt viele Menschen, die aus Marokko und Syrien kamen und uns hassen. Ich werde niemanden hassen, weil er Araber ist. Also denke ich, niemand sollte mich schlagen, weil ich Jude bin.“
Das subjektive Gefühl, das Dan mit Europa verbindet, teilen viele andere Jüdinnen und Juden auch, wie etwa Adam Lahav. Er ist Vorsitzender der „Israelischen Borussen“, einem BVB-Fanclub: „Es ist sehr beunruhigend. Die Angriffe auf Juden und Israelis sowie die Rechtfertigungen dafür von vielen Stimmen in Europa und auch in Deutschland machen mir als Juden und Israeli, der auch hier lebt, große Sorgen.“
Das Unsicherheitsgefühl sei aber nicht überall gleich, beschreibt Lahav: „Die Atmosphäre in bestimmten Straßen und Vierteln mancher Städte ist schon unangenehm. In der Arbeit und im Alltag spüre ich das allerdings kaum. Das Stadion ist momentan der Ort, wo ich mich am sichersten fühle.“
Grundsätzlich wünscht sich Lahav mehr Unterstützung durch die Entscheidungsträger in Politik und Gesellschaft: „Wir hören oft von Politikern und Aktivisten, dass man gegen Antisemitismus vorgehen müsse. Ich würde gerne hören, wie sie das konkret umsetzen wollen. Gleichzeitig sehe ich viele neue Freunde Israels und eine große Solidarität, das gibt mir auch schon ein bisschen Hoffnung.“

Amsterdam ist längst kein Einzelfall

Amsterdam, das zeigen jedoch die Tage danach, ist längst kein Einzelfall. Israelis und Juden können sich immer weniger unbeschwert in Europa bewegen, werden stattdessen für die Politik der israelischen Regierung verantwortlich gemacht. Israel hat deshalb seine Bürger aufgerufen, dem Fußball-Länderspiel der eigenen Nationalmannschaft vergangenen Donnerstag in Paris fernzubleiben.
Das kommende Auswärtsspiel Maccabi Tel Avivs in der Fußball-Europa-League bei Besiktas Istanbul wurde auf Wunsch der Gastgeber nach Ungarn verlegt – und findet ohne Zuschauer statt. Nach Ungarn ist zuvor auch der belgische Fußball-Verband ausgewichen. Aus Sorge vor Ausschreitungen wollte man das Nations-League-Heimspiel gegen Israel nicht wie gewohnt in Brüssel austragen.

Auch in anderen Sportarten greift das Problem um sich

Und das Phänomen greift auch auf andere Sportarten über. In der Basketball-EuroLeague trifft Alba Berlin Ende November auf Maccabi Tel Aviv. Im Internet mobilisieren Feinde Israels bereits für diese Partie.
Trotzdem: Sein Team auswärts zu sehen, den Wunsch hat nicht nur Dan, der attackierte Fan aus Amsterdam. Eigentlich würde er gerne noch mal nach Europa kommen: „Ich will unbedingt nach Deutschland kommen. Ich bin Dortmund-Fan, ich möchte unbedingt mal wieder das Westfalenstadion besuchen. Ich war schon seit ein paar Jahren nicht mehr dort. Ich hoffe, ich kann bald wieder nach Europa kommen und das Stadion und die Mannschaft sehen.“
Doch zunächst einmal wird Dan noch einige Zeit brauchen, um die traumatischen Erlebnisse in Amsterdam zu verarbeiten.