Anfang des Monats war Angelika Schrobsdorff gestorben, die Schriftstellerin mit der jüdischen Mutter, die vor Jahren von Jerusalem nach Berlin umgezogen war, weil es sich hier leichter sterben lässt. Angelika Schrobsdorf war einst mit Claude Lanzmann verheiratet gewesen, israelischer Filmemacher und Schöpfer des Films "Shoah." Als Lanzmann diesen Film erstmals 1986 in Berlin vorstellte, da residierte er im Kempinski am Kurfürstendamm. Dorthin kehrte er vor zwei Tagen zurück, anlässlich der Beerdigung seiner Ex-Frau.
Claude Lanzmann ist heute 90 Jahre alt und er blickt auf ein langes Leben zurück. Man kann sich gut vorstellen, wie versonnen dieser Mann, der einst als Partisane in Frankreich gegen die Nazis kämpfte, in einem Berliner Hotelzimmer sitzt und im Hochglanzordner blättert, das die Gäste über den Hotelservice informiert. Angekommen bei T wie Telefon bleibt Lanzmann bei Italien hängen - er ist bei der Liste der Ländervorwahlen angekommen. Daraus wurde gestern eine Geschichte in der "FAZ", nicht wegen Italien, sondern – so schreibt Lanzmann – "Italien löste eine reflexartige Reaktion aus". Der Name beginnt mit I – wie Israel. Doch die Vorwahl von Israel – und wie sich herausstellen sollte, das ganze Land – kommt bei Kempinski nicht vor. Den Grund nennt man Lanzmann an der Rezeption: "Die Mehrheit unserer Kunden sind Araber und sie haben verlangt, dass Israel gestrichen werde."
"Am nächsten Tag waren die Weine wieder drin"
Die Geschichte nimmt ihren Lauf, online, im Radio. Boykott steht im Raum, Lala Süsskind, ehemals Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Berlin (*):
"Und wissen Sie was, man kann gegen Druck nur noch Gegendruck machen. Wenn das so bleibt, wenn sie nicht sofort Israels Vorwahlnummer reinnehmen, dann machen wir einen großen großen Aufruf, dass weder Israelis noch jüdische Menschen das Kempinski jemals wieder betreten. Das haben wir schon mal gemacht nach einem Aufruf, dass man israelische Waren boykottiert, das KaDeWe hat als erstes den Wein rausgenommen, worauf wir eine Kampagne gestartet haben, unter anderen auch ich mit dem Jüdischen Forum, und wir haben gesagt: Wir schmeißen Ihnen die KaDeWe-Karten, die wir haben, vor die Füße. Kein jüdischer Mensch wird mehr das KaDeWe betreten. Es hat gewirkt: Am nächsten Tag waren die Weine wieder drin. So kann man sich nur verhalten und nicht anders, leider."
Die Pressestelle vom Kempinski rudert zurück, entschuldigt sich öffentlich bei Lanzmann, dessen Gefühle man nicht habe verletzen wollen. Der letzte Satz der Pressemitteilung hebt darauf ab, Kempinski habe auch in Tel Aviv ein Hotelprojekt unterzeichnet. Dieses Hotel soll über 220 Zimmer und Suiten verfügen. Und folglich nicht über die Angabe der Ländervorwahl von Israel.
(*) In einer früheren Version hieß es, Lala Süsskind sei derzeit Mitglied im Präsidium des Zentralrats der Juden und dieser habe mit dem Boykott des Hotels gedroht. Diesen Fehler haben wir korrigiert.