Ein Vorort von Tel Aviv, noch vor der Feuerpause zwischen Israel und der Hamas: Zum ersten Mal seit langem trifft sich der Freizeitfußballer Oded Breda wieder mit Freunden zu einem Abendspiel. Die Mannschaften postieren sich gerade für einen Eckball, da ertönt eine Sirene. Raketenalarm. In der Ferne steigen Lichter in den dunklen Himmel auf, es sind Abfangraketen des israelischen Sicherheitssystems Iron Dome.
Oded Breda weiß, was in diesen Situationen zu tun ist: "Wir haben in diesen Momenten keine Angst, aber wir befolgen die Regeln. Ab dem Zeitpunkt eines Alarms haben wir ungefähr 90 Sekunden bis zu einem möglichen Raketeneinschlag. Wir sind vom Spielfeld schnell in den nächsten Schutzraum gelaufen, das hat etwa 30 Sekunden gedauert. Einer unserer Spieler hatte ein Kind dabei. Wir haben im Schutzraum zehn Minuten gewartet, dann ging es weiter."
Fußball als Ablenkung vom Krieg
Oded Breda feiert bald seinen 70. Geburtstag. Als Soldat der israelischen Armee kämpft er 1973 im Jom-Kippur-Krieg und 1982 im Libanonkrieg. Seit Jahrzehnten interessiert sich Breda auch für Fußball. Er entwickelt historische Projekte, um mit Hilfe des Sports an die Opfer des Holocausts zu erinnern. Und er spielt selbst mit alten Kollegen aus der Armee und auch mit aktiven Soldaten, die beim Kicken auf andere Gedanken kommen wollen.
"Nach dem Angriff der Hamas hat es zwei, drei Wochen überhaupt keinen Amateurfußball gegeben", sagt Breda. "Die Leute standen unter Schock und ließen ihr Hobby ruhen. Aber nach einer Weile wollten viele wieder in den Alltag zurückfinden, es bleibt uns ja nichts anderes übrig. Wir möchten uns ein bisschen Normalität bewahren, und der Fußball kann dabei helfen."
Erste Fußball-Liga nimmt Betrieb wieder auf
Auch die erste Fußball-Liga in Israel nimmt nun wieder ihren Betrieb auf. Pro Spiel dürfen sich 100 Menschen im Stadion aufhalten. Jede Mannschaft kann 30 Spieler, Trainer und andere Mitarbeiter benennen. Zudem sind wenige Ärzte und Journalisten zugelassen, nicht jedoch Balljungen. Bei einem Raketenalarm wird die Spielzeit angehalten. Die Anwesenden müssen sich dann in einen Schutzraum begeben, berichtet der Sportjournalist Felix Tamsut: "Wenn man sich in einen offiziellen Schutzraum begeben kann, dann ist das am besten. Das sind Räume mit Wänden, die besonders stark sind. Wenn das nicht möglich ist, dann muss man ein Zimmer suchen, wo es keine Fenster gibt. Man muss sagen, es gibt keinen Verein in der ersten israelischen Liga, wo man weniger als 45 Sekunden hat, bis man sich in einen sicheren Raum begeben muss."
Israelische Sportreporter wie Felix Tamsut, der in Deutschland lebt, beschäftigen sich nicht nur mit Spielern, Taktik und Fankultur, sondern auch mit Sicherheitsvorkehrungen. Auch in älteren Stadien liegen die Umkleidekabinen oft etwas tiefer in fensterlosen Räumen, so wären Mannschaften bei einem Anschlag nicht der Gefahr von Glassplittern ausgesetzt. "Die Liga geht los, weil viele Vereine in einer nicht so guten finanziellen Lage sind", sagt Felix Tamsut. "Also es ist ein bisschen ähnlich wie in der Restart-Debatte in der Pandemie. Und die Vereine wollen das Geld vom Fernsehen und vom offiziellen israelischen Wettanbieter bekommen."
Noch härter trifft es den Basketball
Einige Fußballklubs plädieren in Israel dafür, dass die Liga zeitweise von 14 auf 16 Vereine erweitert und die Abstiegsregel ausgesetzt werde. So lasse sich zusätzlich Geld erwirtschaften. Noch härter treffe es den zweiten großen Sport in Israel, sagt Tamsut, den Basketball. Maccabi Tel Aviv, dreimal Gewinner der Euroleague, bestreitet seine internationalen Heimspiele in Belgrad. Es gibt Erwägungen, die israelische Basketball-Liga in einem Turniermodus durchzuführen, ohne Zuschauer, so wie es einige Ligen während der Pandemie praktiziert haben. Doch womöglich würden etliche ausländische Spieler dafür nicht nach Israel zurückkehren. Felix Tamsut sagt: "Als Beispiel: Wenn einem Fußballverein die ausländischen Spieler fehlen, dann gibt es da Lösungen. Es gibt Jugendspieler, es gibt Backups. Wenn es um Basketball geht, spielen ausländische Spieler eine viel größere Rolle als im Fußball."
In anderen olympischen Sportarten meiden viele israelische Athleten Wettbewerbe im Ausland. Und diejenigen, die doch reisen, stehen vor Problemen: Die israelischen Fechter durften in der Schweizer Hauptstadt Bern wegen einer Bombendrohung Stunden lang nicht ihr Hotel betreten. Zudem werden Wettkämpfe von Demonstrationen begleitet, sagt der israelische Sportjournalist Yossi Medina: "Vor kurzem fanden in Montpellier die Judo-Europameisterschaften statt. Viele Menschen außerhalb der Arena protestierten gegen die Teilnahme des israelischen Teams. Es wird weitere Situationen wie diese geben. Deshalb sind die Sportler auf größere Sicherheitsteams angewiesen."
Athleten als Reservisten eingezogen
In den kommenden Monaten stehen Qualifikationen für die Olympischen Sommerspiele 2024 an. Womöglich werden einige israelische Athleten dabei fehlen, zum Beispiel bei den Schwimm-Weltmeisterschaften im Februar in Doha. In der katarischen Hauptstadt leben mehrere Führungskräfte der Hamas. Und es gibt noch einen weiteren Grund dafür, dass die israelischen Nationalteams sich im Ausnahmezustand befinden, sagt der Historiker Moshe Zimmermann: "Die Sportler, die ja junge Leute sind, also 20 bis 30 Jahre alt, sind gerade die Leute, die jetzt eingezogen sind, also Reservisten sind."
Die israelische Fußball-Nationalmannschaft kann sich übrigens im März bei den Playoffs doch noch für die EM 2024 qualifizieren, es wäre ihre erste Teilnahme überhaupt. Vielleicht kann der Sport dann ein bisschen Normalität schaffen, zumindest die Illusion davon.