Archiv

Großangriffe auf Israel
Kommentar: Ein immenses Versagen der Geheimdienste

Vor 50 Jahren scheiterten Israels Geheimdienste und schätzen die Lage vor Ausbruch des Jom-Kippur-Krieges völlig falsch ein. Die Geschichte wiederholt sich nun: Auch beim Angriff der Hamas haben sie versagt, meint Julio Segador.

Ein Kommentar von Julio Segador |
Ein Junge und ein Mädchen stehen hinter beinem Absperrband. Sie betrachten die Trümmer zerstörter Fahrzeuge.
Bei den Großangriffen der Hamas sind in Israel wohl mehrere Hundert Menschen getötet worden. (picture alliance / dpa / Ilia Yefimovich)
Es sind Bilder, die die Menschen in Israel bis ins Mark erschüttern. Hamas-Terroristen durchstreifen, mit Maschinenpistolen und Schnellfeuerwaffen bewaffnet, israelische Ortschaften und Städte nahe dem Grenzstreifen; dazu die schrecklichen Bilder und Videos von offenkundig entführten Soldaten und Zivilisten: gefoltert, verletzt, verängstigt – Bilder, die unter die Haut gehen.
Diese Eskalation am Gazastreifen war offenkundig lange geplant. Kühl kalkuliert am Sabbat und noch dazu an einem hohen Feiertag hat die Hamas Israel angegriffen. Sie hat ihr wahres Gesicht gezeigt: eine Terrororganisation, die unschuldige Frauen, Kinder und Männer brutal peinigt, bis hin ermordet.

Diese Hamas ist kein Verhandlungspartner, es sind Terroristen

Diejenigen Stimmen, die immer wieder gefordert hatten, die Hamas als gleichberechtigten Verhandlungspartner für eine mögliche Lösung des Konfliktes zwischen Israel und den Palästinensern an den Tisch zu setzen – diese Stimmen dürften nun rasch verstummen. Diese Hamas ist kein Verhandlungspartner, es sind Terroristen. Aus. Punkt.
Der Zeitpunkt des Angriffs ist denkwürdig. Erst am Freitag beging Israel den fünfzigsten Jahrestag des Jom-Kippur-Krieges. Ein Krieg, ebenfalls ausgelöst an einem hohen Feiertag, ein Krieg, der völlig überraschend kam. Die Geschichte wiederholt sich.

Versagen der Geheimdienste

Und auch die Fehler wiederholen sich. Vor fünzig Jahren waren es die weltweit so hochgelobten israelischen Geheimdienste, die die Lage bis wenige Stunden vor Kriegsbeginn völlig falsch einschätzten: Sie versagten. Auch jetzt sprechen nicht wenige vom Versagen der Geheimdienste, des Auslandsgeheimdienstes Mossad, des Militärgeheimdienstes Aman. Zu Recht.
Man kann es nicht anders bewerten, wenn man die Bilder von der Grenze zwischen Israel und dem Gazastreifen sieht. Da fliegen militante Hamas-Kämpfer mit Paraglidern über die eigentlich dicht bewachte Grenze. Die Sperranlagen werden von vermummten Terroristen mit Sturmgewehren auf Pick-ups scheinbar mühelos überwunden. Hamas-Terroristen marschieren mit Mopeds und zu Fuß in die israelischen Grenzortschaften, verbreiten dort Terror und Schrecken, besetzen offenkundig ganze Kasernen.

Kontroverse um Justiz-Umbau

Es ist kaum zu glauben, es ist ein immenses Versagen der Sicherheitskräfte Israels, der Geheimdienste, des Militärs. Es ist ein immenses Versagen der Regierung Netanjahu. Mit der innenpolitischen Kontroverse um den Justizumbau, die seit Jahresbeginn Israel im Würgegriff hält, bietet sie vor allem Israels Feinden das Bild einer mit sich selbst beschäftigten und damit sicherheitspolitisch geschwächten Regierung. Das war das Startsignal zum Angriff.