Vor drei Wochen hatte Schwedens neuer sozialdemokratischer Ministerpräsident Stefan Löfven Palästina die Anerkennung als eigener Staat zugesichert. Den Zeitpunkt ließ er offen. Nach dem Gazakrieg im Sommer, nach einer sehr zögerlichen Lockerung der Blockade des Küstenstreifens durch die israelische Regierung, nach wiederholten Zusammenstößen zwischen israelischen Siedlern und Muslimen auf dem Tempelberg in Ramallah und einer "schleichenden Intifada" in Jerusalem sind einige europäische Regierungen offenbar verdrossen über den bedrückenden Stillstand bei der Suche nach Frieden und Ausgleich.
Bislang galt die Linie, einen souveränen Palästinenserstaat erst nach einem Friedensvertrag anzuerkennen. Allerdings haben bis jetzt schon mehr als zwei Drittel aller UN-Mitglieder, darunter auch EU-Mitgliedsländer wie Polen, Tschechien und Ungarn, diesen Schritt vollzogen. Nun also Schweden und vor anderthalb Wochen das britische Parlament.
Souverän und süffisant will Israels Außenminister Avigdor Liebermann wirken, wenn er feststellt, der neue schwedische Regierungschef habe sich wohl noch nicht richtig eingearbeitet. Von der israelischen Reaktion dürften die Schweden nicht überrascht gewesen sein.
"Wir bedauern die jüngste Äußerung des schwedischen Ministerpräsidenten. Wir glauben, das ist wirklich der falsche Ansatz. Denn Frieden kann nur eine beiderseitige Lösung sein. Alle einseitigen Schritte werden sehr, sehr kontraproduktiv sein. Wir hoffen jedenfalls, dass Schweden letztlich doch Gespräche zwischen den beiden Seiten unterstützen wird und wir wären dankbar, wenn die Schweden mit uns sprechen, vor solchen Statements."
Genau das befürchtet die Regierung von Ministerpräsident Netanjahu: Einen Domino-Effekt in Europa. Netanjahu fürchtet, die Frustration der Europäer über Siedlungsbau, Gaza-Krieg und Stillstand im Nahostkonflikt könnte zu mehr und mehr Anerkennung für einen Staat Palästina führen - einen Staat, den Yassir Arafat vor 26 Jahren ausgerufen hat, der aber nach wie vor nicht existiert.
Vor diesem Hintergrund diskutierte das britische Unterhaus Anfang vergangener Woche über eine Resolution zur Anerkennung Palästinas. Dafür warb unter anderem der frühere britische Außenminister Jack Straw, Ex-Diplomat in der Opposition:
"So maßlos die Israelis schon allein unsere Debatte über diese Resolution kommentiert haben, zeigt doch schon, dass diese Resolution etwas bewirken kann. Ich glaube, die israelische Regierung unter Bibi Netanjahu reagiert nur auf Druck. Und wir werden hier den Druck auf die israelische Regierung erhöhen. Deshalb sind die so besorgt, dass wir die Vorlage verabschieden."
Verunsicherung in Israel groß
Mit großer Mehrheit wurde die Entscheidung gebilligt. Der Großteil der Regierungsfraktion hatte zwar nicht mit abgestimmt und die Resolution ist für die Regierung in London nicht bindend. Aber dennoch ist die Verunsicherung in Israel groß. Der britische Botschafter Mathew Gould erklärte am Tag darauf im israelischen Radio:
"Ich glaube dieses Abstimmungsergebnis spiegelt die veränderte öffentliche Meinung in Großbritannien wider. Der Wind hat sich gedreht. Und er wird sich weiter drehen, wenn es im Nahen Osten weiterhin so wenig Fortschritte in Richtung Frieden gibt."
Einen ähnlich symbolischen Beschluss wie das britische House of Commons hat gerade das irische Oberhaus gefasst. Israel Regierung versucht, auf diplomatischer Ebene dagegenzuhalten. Im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen erklärte Vize-Botschafter David Roet:
"Wenn Europäische Regierungen einen Staat Palästina so voreilig anerkennen, dann heißt das doch, dass die Palästinenser keine schmerzhaften Entscheidungen mehr treffen müssen. Die Europäer torpedieren damit die Bemühungen um eine echte Veränderung in Nahost."
In der zweiten Reihe der israelischen Politik ist die Empörung noch greifbarer: Der Abgeordnete Yair Shamir aus Liebermans Partei Israel Beiteinu etwa bezeichnet die Palästina-Debatte von London als "antisemitisch" und Israels Wohnungsbauminister Uri Ariel reagiert mit der Ankündigung, Israel werde jetzt erst recht noch mehr Wohnungen für Siedler auf besetztem Gebiet bauen.
Der israelische Oppositionsführer Isaac Herzog spricht von einem "eisigen Wind", der Israel auf diplomatischer Ebene entgegenschlage. Aber auch er hat den Schweden erklärt: Einseitige Diplomatie sei ein Fehler.
Während auch deutsche Diplomaten nach wie vor die Idee einer "Zweistaatenlösung" mit Israel und einem zukünftigen Palästina als Nachbarn hochhalten, erklärt Israels Wirtschaftsminister Bennett klipp und klar, wie Israels Nahostpolitik aussehen wird, wenn das Land weiter nach rechts rückt, in seine Richtung:
"Wer den Kampf gegen den Islamischen Staat und gegen die Hamas ernst nimmt, der kann denen doch keinen Staat geben. Die Idee eines palästinensischen Staats westlich von Jordanien ist in diesem Sommer verpufft - zusammen mit den Raketen auf den Tel Aviver Flughafen."