Schon nach den ersten Hochrechnungen und Nachwahlbefragungen hatte Netanjahu einen "großen Sieg" für seinen Likud reklamiert. Er sagte in der Nacht zum Mittwoch vor seinen jubelnden Anhängern in Tel Aviv, die Wahl sei "entgegen allen Erwartungen" mit einem Sieg für das "nationale Lager unter der Führung des Likud" ausgegangen. Das sei auch ein "Sieg für das Volk von Israel". In zwei bis drei Wochen will er eine neue Regierung präsentieren.
Likud besser als erwartet
Netanjahus Likud schnitt weit besser ab als erwartet. Damit steuert der 65-Jährige auf eine vierte Amtszeit zu. Nach Auszählung von fast allen Stimmen kam seine Likud-Partei auf 30 der insgesamt 120 Sitze in der Knesset, wie die Zeitung "Jerusalem Post" und das Nachrichtenportal "Ynet" unter Berufung auf offizielle Angaben am frühen Mittwochmorgen berichteten.
Das Mitte-Links-Bündnis Zionistisches Lager von Izchak Herzog stellt demnach 24 Abgeordnete, Herzog gratulierte Netanjahu nach Agenturberichten zum Sieg. Das arabische Parteienbündnis wird mit 14 Mandaten drittstärkste Kraft. Darauf folgt die Zukunftspartei von Jair Lapid mit elf Parlamentssitzen.
Schwierige Regierungsbildung für Netanjahu
Netanjahu hätte es leichter als Herzog, eine absolute Mehrheit von 61 Sitzen in der Knesset zu erreichen. Die Stimmen aus dem rechten Lager reichen dafür allerdings nicht - der Ministerpräsident braucht auch die Zustimmung der Mitte-Partei Kulanu ("Wir alle") von Moshe Kahlon. Und da liegt das Problem: Kahlon hat sich mit Netanjahu überworfen und Likud verlassen, früher war er "Bibis" Kommunikationsminister. Auf der Website der Zeitung "Haaretz" wird Kahlon mit den Worten zitiert, dass er die Zusammenarbeit mit keiner Partei ausschließe, die die "sozialen und wirtschaftlichen" Themen in Israel angehe.
Dass neben der inneren Sicherheit vor allem die Frage der sozialen Gerechtigkeit die israelische Bevölkerung beschäftigt, weiß auch Netanjahu. Auf Twitter kündigte er schon jetzt an, die Kosten für Wohnen und Lebenshaltung zu senken.
We will lower housing prices & the cost of living. #Israelelex— בנימין נתניהו (@netanyahu) 17. März 2015
In den nächsten Tagen wird Staatspräsident Reuven Rivlin sich nun mit allen Chefs der gewählten Listen treffen, um zu hören, wen sie unterstützen: Herzog oder Netanyahu - oder beide in einer Große Koalition. Das Staatsoberhaupt wird demjenigen, dem es die besseren Chancen einräumt, den Auftrag zur Regierungsbildung geben.
Große Koalition als Notlösung?
Herzog dürfte allerdings noch größere Probleme haben, eine Koalition zu bilden. Er müsste Parteien zusammenführen, die kaum miteinander arbeiten würden, wie beispielsweise die linke "Meretz" mit der extremen Rechten von Avigdor Lieberman.
Näher liegt daher als Notlösung die beiden großen Lager zusammenzubringen. Präsident Reuven Rivlin hatte vor der Wahl dazu aufgerufen, eine Große Koalition zu bilden. "Ich bin überzeugt, dass nur eine Einheitsregierung den raschen Zerfall der israelischen Demokratie und baldige Neuwahlen verhindern kann", sagte er laut Haaretz. Das hatten aber sowohl Netanjahu als auch Herzog vor der Wahl abgelehnt. Der ehemalige israelische Botschafter in Deutschland, Avi Primor, hatte im Deutschlandfunk vor so einer Koalition gewarnt.
Palästinenser kritisieren Wahlergebnis
Die Palästinenserführung warf den israelischen Wählern vor, sich für "Rassismus und Besatzung" statt für Verhandlungen entschieden zu haben. "Israel hat den Weg des Rassismus, der Besatzung und des Siedlungsbaus gewählt und nicht den Weg der Verhandlungen und der Partnerschaft mit uns", sagte der ranghohe Beamte der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), Jasser Abed Rabbo, der Nachrichtenagentur AFP.
Netanjahu hatte am Wahltag mit Warnungen vor "Massen arabischer Wähler" scharfe Kritik ausgelöst. Er rief auf Facebook rechtsorientierte Wähler zur Rettung seiner Machtbasis auf. "Kein westlicher Politiker würde es wagen, solche rassistischen Kommentare abzugeben", schrieb Shelly Jachimovich vom Zionistischen Lager. Netanjahu schloss zudem im Falle eine Wiederwahl die Gründung eines palästinensischen Staates aus.
Knapp 5,9 Millionen Wahlberechtigte waren zur Stimmabgabe aufgerufen. Die Wahlbeteiligung war mit 71,8 Prozent die höchste seit 1999. Bei der letzten Wahl 2013 hatte sie 67,8 Prozent betragen. Das neue Parlament soll am 31. März vereidigt werden.
(nch)