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Israel
Neuer Grenzzaun und die Angst vor Flüchtlingen aus Syrien

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu plant an der Grenze zu Jordanien den Bau eines weiteren Grenzzaunes - als Abwehr von Flüchtlingen. Bei einigen Israelis löst die Vorstellung, auch ihr Land könne syrische Flüchtlinge aufnehmen, Angst aus. Oppositionspolitiker Jitzchak Herzog aber erinnerte an die internationale Verpflichtung Israels.

Von Torsten Teichmann | 08.09.2015
    Die Gruppe "Frauen wagen Frieden" fordern Ministerpräsident Netanjahu auf, die Verhandlungen wiederaufzunehmen.
    "Aber Israel ist ein sehr kleiner Staat. Wir müssen unsere Grenzen schützen", so der israelische Regierungschef. (picture alliance/dpa)
    An einem bestimmten Punkt muss Israels Regierungschef aufgefallen sein, dass die Bilder nicht gut aussehen. Er, Netanjahu an der Grenze zu Jordanien. Wie er den Bau eines weiteren Grenzzauns zur Abwehr von Flüchtlingen verspricht. Der Ministerpräsident bittet um Verständnis.
    "Das heißt nicht, dass wir keine Empathie hätten für die menschliche Tragödie, die um uns herum geschieht. Israel war der erste Staat, der den Verwundeten des Krieges in Syrien humanitäre Hilfe gewährt hat. Aber Israel ist ein sehr kleiner Staat. Wir haben weder eine geografische noch eine demografische Tiefe. Wir müssen unsere Grenzen schützen."
    Seit Ausbruch des Bürgerkriegs in Syrien haben Israelis geholfen. Es gibt eine Organisation in Jerusalem, die Herz-OPs für syrische Kinder aus Flüchtlingslagern in Jordanien organisiert. Im Radio erzählt eine Aktivistin wie ihre Gruppe seit fünf Jahren arbeitet. Auch wenn sie lieber anonym bleiben will.
    "Unsere Hilfe besteht vor allem aus vielen hundert Tonnen Nahrung, Decken, Mänteln, an Material für Notunterkünfte. Sehr viele Medikamente, Betäubungsmittel, Schmerzmittel. 3.000 Schutzsets gegen Chemiewaffen für 17 Krankenhäuser."
    Oppositionspolitiker mahnt zu einer moralische Haltung
    Auf den von Israel besetzten Golan-Höhen hat die Armee entlang der Grenze oft Verwundete aufgelesen und in Krankenhäuser gebracht. Aber nach einer Behandlung müssen Patienten wie selbstverständlich wieder ins Kriegsgebiet zurückkehren.
    Der Chef der Opposition Herzog hat Zweifel. Auch Israel müsse Syrer aufnehmen, so sein Vorschlag:
    "Ich habe den Eindruck, dass die Likud-Minister und auch der Ministerpräsident manchmal vergessen, was es heißt, ein Jude zu sein. Sie vergessen, was es heißt, verfolgt zu sein, hilflos zu sein. Ich spreche nicht von einer massenhaften Aufnahme von Flüchtlingen aus Syrien. Ich spreche von einer moralischen Haltung, als Teil einer internationalen Verpflichtung, bei der wir mithelfen können."
    Die Vorstellung auch Israel könne syrische Flüchtlinge aufnehmen, löst Angst bei einigen Israelis aus. Beide Staaten befinden sich technisch immer noch im Krieg. Und die Politiker der rechts-nationalen Regierung halten die Sorgen für berechtigt. So wie Yariv Levin vom Likud im Radiointerview
    "Ich denke, dass das verantwortungslose und nicht ernsthafte Aussagen sind (von Herzog). Wir müssen unser demografisches Gleichgewicht aufrechterhalten. Wir müssen den Staat Israel als einen jüdischen Staat bewahren."
    Auch Justizministerin Ayelet Shaked sorgt sich um den jüdischen Charakter des Staates:
    "Natürlich kann der Staat Israel als jüdische-demokratischer Staat hier keine Massen aufnehmen. Das ist Sache der Türkei oder Jordaniens, nicht vom Staat Israel."
    2014 hat Israel über 25.000 Einwanderer aufgenommen
    Tatsächlich hat Israel im vergangenen Jahr 26.500 Einwanderer aufgenommen. Jüdische Einwanderer vor allem aus Frankreich und der Ukraine. Sie erhalten Staatsbürgerschaft, Unterstützung und Sprachkurse. Für Flüchtlinge dagegen ist es deutlich schwerer.
    50.000 Menschen aus Sudan und Eritrea leben im Moment in Israel. Einige von Ihnen seit mehr als sechs Jahren. Sie gelten als Eindringlinge. Der Staat will sie abschieben und mit Zäunen zu Ägypten, Gaza, Syrien und bald auch Jordanien verhindern, dass mehr Menschen aus Nachbarstaaten kommen. Bilder wie in Europa will Netanjahu um jeden Preis verhindern. Der neue Zaun kostet 71 Millionen US-Dollar.